18.10.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil06.11.2013

Versamm­lungs­verbot bei Castortransport im Februar 2011 war rechtswidrigVerbot für friedliche Versammlungen hätte nur bei polizeilichem Notstand erlassen werden dürfen

Das im Februar 2011 von der Stadt Karlsruhe verfügte allgemeine Verbot von Versammlungen entlang der Strecke für einen Castortransport war rechtswidrig. Da das Verbot auch für friedliche Versammlungen galt, hätte es nur bei einem polizeilichen Notstand erlassen werden dürfen. Ein solcher Notstand ist jedoch - auch im Nachhinein - nicht feststellbar, weil die Stadt eigenen Angaben zufolge keine Erkenntnisse über die Zahl der damals voraussichtlich benötigten und zur Verfügung stehenden Polizeikräfte hatte. Dies entschied der Verwaltungs­gerichts­hof Baden-Württemberg.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Mit Allge­mein­ver­fügung vom 8. Februar 2011 verbot die beklagte Stadt Karlsruhe alle Versammlungen in einem fünfzig Meter breiten Korridor entlang der Strecke für den Transport von Castor-Behältern im Stadtgebiet am 15./16. Februar 2011. Die Verfügung wurde im Amtsblatt der Stadt öffentlich bekannt gemacht.

VG weist Klage auf Feststellung der Rechts­wid­rigkeit des Versamm­lungs­verbots ab

Ein vom Verbot betroffener Bürger (Kläger) erhob Widerspruch und beantragte beim Verwal­tungs­gericht Karlsruhe erfolglos vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz. Mit seiner späteren Klage begehrte er die Feststellung, dass das Versammlungsverbot rechtswidrig war. Das Verwal­tungs­gericht wies die Klage ab. Die dagegen eingelegte Berufung des Klägers hatte Erfolg.

Kläger hat berechtigtes Interesse an Feststellung der Rechts­wid­rigkeit

Der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg stellte fest, dass die Allge­mein­ver­fügung rechtswidrig war und den Kläger in seinen Rechten verletzte. Der Kläger habe nach Ablauf des Versamm­lungs­verbots ein berechtigtes Interesse an der erstrebten Feststellung. Denn er habe dargelegt, auch bei künftigen Atommüll­trans­porten durch Karlsruhe Versammlungen an der Trans­port­strecke veranstalten zu wollen, und es sei zu erwarten, dass die Beklagte zur Sicherung solcher Transporte vergleichbare Versamm­lungs­verbote erlasse.

Allge­mein­ver­fügung wurde grundsätzlich öffentlich und inhaltlich ordnungsgemäß bekannt gegeben

Die Allge­mein­ver­fügung sei zwar entgegen der Ansicht des Klägers ordnungsgemäß öffentlich bekannt gegeben worden und auch inhaltlich hinreichend bestimmt gewesen. Es spreche auch vieles dafür, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nach den damals erkennbaren Umständen durch Versammlungen unmittelbar gefährdet gewesen sei. Denn die Erfahrungen mit früheren Castor­trans­porten dürften die Annahme gerechtfertigt haben, dass es bei dem Castortransport eine hohe Gefahr für unfriedliche, vom Grundrecht der Versamm­lungs­freiheit nicht geschützte Versammlungen gebe, insbesondere in Form von Sitzblockaden auf den Eisen­bahn­schienen. Das könne aber letztlich offen bleiben.

Umfassendes Verbot auch friedlicher Versammlungen nicht gerechtfertigt

Denn selbst wenn eine solche Gefahr bestanden habe, hätte sie jedenfalls kein umfassendes Verbot sämtlicher, also auch friedlicher Versammlungen gerechtfertigt, wie es die Beklagte verfügt habe. Soweit Rechtsgüter durch Dritte gefährdet würden, habe die Versamm­lungs­behörde zunächst gegen diese vorzugehen. Gegen eine friedliche Versammlung dürfe nur bei einem polizeilichen Notstand eingeschritten werden. Dieser liege vor, wenn die Gefahr nicht anders abgewehrt werden könne und die Versamm­lungs­behörde nicht über ausreichende eigene, eventuell durch Amts- oder Vollzugshilfe ergänzte, Mittel und Kräfte verfüge, um die Rechtsgüter wirksam zu schützen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür liege bei der Versamm­lungs­behörde.

Zahl der voraussichtlich benötigten und der zur Verfügung stehenden Polizeikräfte für Sicherung des Transports nicht belegt

Die Beklagte habe aber bereits nicht dargelegt, in welcher Zahl ihr Polizeikräfte zur Sicherung des Castor­transports zur Verfügung gestanden hätten und wie viele Polizeibeamte voraussichtlich erforderlich gewesen wären, um ohne ein allgemeines Versamm­lungs­verbot Störungen der öffentlichen Sicherheit zu verhindern. Ansatzpunkte für eine weitere gerichtliche Aufklärung des Sachverhalts gebe es nicht, nachdem der Vertreter der Beklagten in der Berufungs­ver­handlung ausdrücklich erklärt habe, dass der Beklagten bei Erlass der Verfügung keine Erkenntnisse zur Zahl der voraussichtlich benötigten und der zur Verfügung stehenden Polizeikräfte vorgelegen hätten.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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