15.11.2024
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Dokument-Nr. 18607

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Urteil30.07.2014Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg1 S 1352/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • ZD 2014, 579Zeitschrift für Datenschutz (ZD), Jahrgang: 2014, Seite: 579
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil30.07.2014

Früherer Minis­ter­prä­sident Stefan Mappus hat Anspruch auf Löschung von E-Mail-Dateien"Arbeitskopien" des Outlook-Postfachs dürfen jedoch zunächst dem Landesarchiv zur Übernahme als Archivgut angeboten werden

Der frühere Minis­ter­prä­sident Stefan Mappus kann vom Land Baden-Württemberg verlangen, dass das Land drei Dateien mit "Arbeitskopien" des Outlook-Postfachs sowie sämtliche Kopien dieser Dateien löscht, nachdem die Dateien zuvor dem Landesarchiv zur Übernahme als Archivgut angeboten worden sind. Dies entschied der Verwaltungs­gerichts­hof Baden-Württemberg im Streit um die Kopien von E-Mails aus dem Herbst 2010.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Herbst 2010 erstellte ein Mitarbeiter des IT-Bereichs des Staats­mi­nis­teriums eine Kopie des auf dem Server dieses Ministeriums liegenden und Stefan Mappus zugewiesenen Original-Outlook-Postfachs. Dies geschah, weil technische Probleme bezüglich des elektronischen Terminkalenders dieses Postfachs aufgetreten waren. Nachdem der Fehler nicht hatte gefunden werden können, blieben die kopierten Postfach-Daten gespeichert. Demgegenüber wurden die Original-E-Mail-Accounts von Stefan Mappus nach dem Regie­rungs­wechsel auf dem Server des Staats­mi­nis­teriums endgültig gelöscht. Erst im Sommer 2012 wurde das Staats­mi­nis­terium auf die nach seinen Angaben zwischen­zeitlich in Vergessenheit geratenen kopierten Dateien wieder aufmerksam.

Stefan Mappus verlangt Löschung der E-Mail-Daten

Im Oktober 2012 erhob Stefan Mappus Klage auf Löschung der Dateien mit der Begründung, die Dateien mit "Arbeitskopien" seines früheren Outlook-Postfachs seien perso­nen­be­zogene Daten nach dem Landes­da­ten­schutz­gesetz (LDSG) und daher zu löschen, weil ihre Kenntnis für das Staats­mi­nis­terium zur Erfüllung seiner Aufgaben nicht mehr erforderlich sei. Das beklagte Land wandte hiergegen ein, sowohl die Speicherung der Dateien als auch deren Nutzung seien zur Erfüllung staatlicher Aufgaben erforderlich, da Stefan Mappus seine dienstliche E-Mail-Korrespondenz pflichtwidrig nicht vollständig zu den Sachakten genommen habe.

VG bejaht Anspruch auf Löschung der vom damaligen Outlook-Postfach gefertigten "Arbeitskopien"

Das Verwal­tungs­gericht gab der Klage mit Urteil vom 27. Mai 2013 überwiegend statt und ließ die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu. Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG habe Stefan Mappus Anspruch auf Löschung der Daten in den von seinem damaligen Outlook-Postfach gefertigten "Arbeitskopien". Die Siche­rungs­kopien seien ausschließlich zum Zweck der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs einer Daten­ver­a­r­bei­tungs­anlage erstellt worden. Sie dürften daher gemäß § 15 Abs. 4 LDSG nur für diesen Zweck verwendet werden. Vor der Löschung der Dateien seien diese jedoch gemäß § 23 Abs. 3 LDSG dem Landesarchiv zur Übernahme als Archivgut nach Maßgabe des § 3 Landes­a­r­chiv­gesetz anzubieten. Der in diesen Vorschriften zum Ausdruck kommende "Vorrang des Archivrechts" vor dem allgemeinen Daten­schutzrecht begegne keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken.

Mappus beantragt Löschung der Dateien ohne vorheriges Angebot der Dateien an das Landesarchiv als Archivgut

Gegen das Urteil des Verwal­tungs­ge­richts hat das Land Berufung eingelegt mit dem Ziel, dass die Klage auf Löschung der Dateien vollständig abgewiesen wird. Zur Begründung hat es geltend gemacht, das Verwal­tungs­gericht habe die Zweckbindung der angelegten Siche­rungs­kopien zu eng verstanden. Stefan Mappus hat seinerseits Berufung eingelegt; er ist der Ansicht, er habe einen Anspruch auf Löschung der Dateien, ohne dass diese zuvor dem Landesarchiv als Archivgut angeboten würden.

Dateien sind perso­nen­be­zogene Daten und zur Erfüllung der Aufgaben des Staats­mi­nis­teriums nicht mehr erforderlich

Der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg wies beide Berufungen zurück. Stefan Mappus habe einen Anspruch auf Löschung der drei Dateien mit "Arbeitskopien" des Outlook-Postfachs sowie sämtlicher Kopien dieser Dateien, nachdem diese dem Landesarchiv zur Übernahme als Archivgut angeboten worden sind. Die Dateien seien perso­nen­be­zogene Daten und zur Erfüllung der Aufgaben des Staats­mi­nis­teriums nicht mehr erforderlich. Hierfür komme es auf den daten­schutz­recht­lichen Zweck der Siche­rungs­kopien an, den diese bei ihrer Erstellung gehabt hätten. Der habe darin bestanden, technischen Problemen im Outlook-Terminkalender von Stefan Mappus zu begegnen. An diese Zweckbestimmung sei der Beklagte gebunden. Der Löschungs­an­spruch bestehe selbst dann, wenn man zugunsten des Landes unterstelle, es habe ein allgemeiner Zweck der Datensicherung bestanden. Denn eine Wieder­her­stellung der Originaldateien aus der Sicherungskopie sei unzulässig, wenn der Zweck, zu dem die Originaldateien gespeichert worden seien, inzwischen weggefallen sei. Dies sei hier der Fall. Im Staats­mi­nis­terium habe keine Regelung zur Speicherung von E-Mails bestanden. Die Speicherung von Postfa­ch­in­halten habe nach der allgemeinen Praxis im Staats­mi­nis­terium den persönlichen Belangen des Postfa­ch­in­habers gedient; dieser Zweck könne nach dem Ausscheiden von Stefan Mappus aus dem Amt nicht mehr erreicht werden.

Rechts­miss­bräuch­liches Verhalten seitens Stefan Mappus nicht erkennbar

Dem daten­schutz­recht­lichen Löschungs­an­spruch könne im Einzelfall der Einwand des Rechts­miss­brauch entgegenstehen, wenn der Betroffene seinerseits offenkundig und schwerwiegend gegen eine gegenüber der die Daten speichernden Stelle bestehenden Pflicht oder Obliegenheit verstoßen habe, die im sachlichen Zusammenhang mit den zu löschenden Daten stehe. Dies sei hier jedoch nicht festzustellen. Zwar habe Stefan Mappus möglicherweise gegen seine Pflichten, vollständige Akten zu führen, verstoßen. Jedoch fehle es an einem offenkundigen und schwerwiegenden Verstoß. Denn es habe bereits eine eindeutige und klare Regelung zur Aktenführung gefehlt.

Anbieten der Daten an das Landesarchiv als Archivgut nicht zu beanstanden

Der Löschungs­an­spruch sei jedoch dadurch beschränkt, dass die Dateien zuvor dem Landesarchiv als Archivgut anzubieten seien. Es handele sich entgegen der Auffassung von Stefan Mappus nicht um Archivgut eines Privaten, das nur mit dessen Einvernehmen dem Landesarchiv angeboten werden könne. Die Anbie­tungs­pflicht ergebe sich aus § 23 Abs. 3 LDSG. Die Regelungen des Archivrechts genügten dem Recht des Betroffenen auf informationelle Selbst­be­stimmung und seien verfas­sungsgemäß.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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