21.11.2024
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Dokument-Nr. 30146

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Verwaltungsgericht Wiesbaden Beschluss15.04.2021

Schülerin der Jahrgangsstufe 9 erreicht im Eilverfahren vorläufige Beschulung an weiterführender Schule im Untertaunus im Wege des Wechsel­un­ter­richtsCorona-Einrich­tungs­schutz­verordnung verstößt gegen den Gleich­behandlungs­grundsatz

Das Verwal­tungs­gericht Wiesbaden hat mit Beschluss dem Eilantrag einer Neuntklässlerin stattgegeben. Schüler der Mittelstufe haben einen Anspruch auf Präsen­z­un­terricht zumindest in der Form des Wechsel­un­ter­richts.

Die antragstellende Schülerin besucht die 9. Klasse. Schüler der Mittelstufe werden momentan ausschließlich im Distan­z­un­terricht beschult. Von einer zunächst vorgesehenen Beschulung auch der Mittelstufe im Wege des Wechsel­un­ter­richts ab dem 22.03.2021 wurde wieder Abstand genommen, bevor die Öffnung in Kraft trat. Zur Begründung wurde die aktuellen Entwicklung der Pandemie und der inzwischen gestiegenen Infek­ti­o­ns­zahlen angeführt. Mit ihrem Eilantrag begehrt die Antragstellerin einen Präsenzunterricht zumindest in der Form des Wechsel­un­ter­richtes.

Fehlende Differenzierung zwischen Jahrgangsstufen 1-6 und 7-10

Das Verwal­tungs­gericht Wiesbaden gab diesem Eilantrag durch Beschluss vom 15.04.2021 statt. Das Hessische Schulgesetz gewähre grundsätzlich einen Anspruch der Schüler auf einen Schulbesuch – hierunter sei die körperliche Anwesenheit zu verstehen – im Wege des Präsen­z­un­ter­richts, zumindest aber im Wechsel­un­terricht. Die nach derzeitiger Verordnungslage gegebene Ausgestaltung des Schulbetriebes – in Form von Distan­z­un­terricht für die Jahrgangsstufen 7-10 – genüge diesem Anspruch auf Präsenz­be­schulung nicht. Die Corona-Einrich­tungs­schutz­ver­ordnung verstoße im Fall der Antragstellerin gegen den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz, mit der Folge, dass der Antragstellerin diese Verordnung nicht entge­gen­ge­halten werden könne. Eine Begründung, welche belege, dass der Verord­nungsgeber eine angemessene Abwägung zwischen den Jahrgangsstufen 1 - 6 und ab 7 vorgenommen habe, fehle bereits. Nachvoll­ziehbare Ausführungen zu Diffe­ren­zie­rungen lägen nicht vor. Wenn von der beabsichtigten Durchführung des Wechsel­un­ter­richts auch für die Mittelstufe wieder Abstand genommen werde, bevor der Wechsel­un­terricht in zeitlicher Hinsicht hätte wieder aufgenommen werden sollen, so müsste nachvollziehbar begründet werden, warum die höheren Jahrgangsstufen ab dem 22.03.2021 auch weiterhin nicht am Wechsel­un­terricht teilnehmen könnten. Hieran fehle es vollständig.

Behördlicher Einschät­zungs­spielraum nur mit nachvoll­ziehbarer Begründung

Aus dem Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz folge die Ermächtigung, durch Rechts­ver­ord­nungen entsprechende Ge- und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Eine notwendige Schutzmaßnahme zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 könne auch die Schließung von Schulen sein. Zwar bestehe ein behördlicher Einschät­zungs­spielraum, dieser bedürfe jedoch einer nachvoll­ziehbaren Begründung, warum bei verschiedenen Jahrgangsstufen verschiedene Maßnahmen getroffen würden. Eine allgemeine Berufung auf die Pandemielage komme als sachlicher Grund nicht (mehr) in Betracht. Spätestens seit dem Schul­jah­res­beginn des Schuljahres 2020/2021 hätte – so die 6. Kammer – allen Beteiligten klar gewesen sein müssen, dass man in der nächsten Zeit mit der Pandemie „leben müsse“ und dies die „neue Normalität“ sein werde.

Zeitliche Befristung der Verordnung nicht geeignet, den Grund­recht­s­eingriff abzumildern

Die zeitliche Befristung der Verordnung sei nicht geeignet, den Grund­recht­s­eingriff auf Dauer abzumildern. Die Gültig­keitsdauer der Verordnung sei regelmäßig verlängert worden. Hierdurch entstehe ein Dauerzustand. Die Befristung diene gerade der Evaluierung, ob die Voraussetzung zur Aufrecht­er­haltung jedweden Grund­recht­s­ein­griffs und deren Beschränkung weiter Bestand haben könnten. Dies werde vom Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz ausdrücklich gefordert. Für den weiteren Ausschluss der Jahrgangsstufen 7 -10 bedürfe es eines erhöhten Begrün­dungs­auf­wandes. Die im Präsen­z­un­terricht beschulten Schüler würden zulasten der Mittelstufe seit einem längeren Zeitraum bevorzugt. Es ließe sich nicht länger nachvollziehen, warum ausschließlich die Jahrgänge der Mittelstufe dergestalt belastet würden, dass ihnen keine Form der Präsenz­be­schulung, auch nicht in Form des Wechsel­un­ter­richts, zuteilwerden solle. Gründe, wie fehlende vorhandene Raumkapazitäten einer Schule, reichten zur Begründung dieses Sonderopfers nicht länger aus. Gegebenenfalls müsse ein Schicht­un­terricht erfolgen.

Gleich­heits­widrige Benachteiligung durch neue Regen zu beenden

Der Antragsgegner habe daher eine neue Regelung zu treffen, die die gleich­heits­widrige Benachteiligung der Antragstellerin beende. Neben einem Hygienekonzept und den nunmehr gesetzlich vorgesehenen Schnell- bzw. Selbsttests für Schüler kämen weitere Maßnahmen, wie die Verwendung von Luftfil­ter­geräten, in Betracht. Die Eilbe­dürf­tigkeit der begehrten einstweiligen Anordnung ergebe sich aus der bereits langanhaltenden Beein­träch­tigung der Antragstellerin bei gleichzeitig ungewisser Abhilfe in der Zukunft.

Quelle: Verwaltungsgericht Wiesbaden, ra-online (pm/aw)

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