Mit ihren gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten Klagen hatten die Klägerinnen die Feststellung begehrt, dass sie nicht verpflichtet sind, auf ihre in Einwegverpackungen in Verkehr gebrachten Getränke ein Pfand zu erheben, die gebrauchten Verpackungen gegen Erstattung des Pfandes unentgeltlich zurückzunehmen und mit Nachweis zu verwerten. Zur Begründung hatten sie geltend gemacht, die Pflichtpfandregelung hindere sie beim Export ihrer Produkte nach Deutschland. Die Regelung verzerre den Wettbewerb und verstoße gegen die europarechtliche Garantie des freien Warenverkehrs, der Vorrang vor den Regelungen der Verpackungsverordnung zukomme.
Das Gericht führte zur Begründung der Urteile im Wesentlichen aus: Die Klagen seien zulässig. Sie seien zu Recht gegen das Land Baden-Württemberg gerichtet, da dieses als für die Durchführung der Verpackungsverordnung zuständige Körperschaft verpflichtet sei, bei Nichtbeachtung der Rechtspflichten aus der Verpackungsverordnung gegen die Klägerinnen einzuschreiten.
Die Klagen seien jedoch unbegründet. Die vom Europäischen Gerichtshof - EuGH - in seinem Urteil vom 14.12.2004 aufgestellten Anforderungen an ein arbeitsfähiges Pfand- und Rücknahmesystem seien erfüllt. Für die Beurteilung des vom EuGH geforderten bruchlosen Übergangs vom bisherigen System der Sammlung von Verpackungsabfällen auf ein arbeitsfähiges und allgemein zugängliches Pfandsystem komme es auf die Situation am 1.10.2003 an, da in der Übergangszeit vom 1.1.2003 bis zum 30.9.2003 die Pfanderhebungspflicht ausschließlich für den Einzelhandel gegenüber den Endverbrauchern, nicht aber für die Getränkehersteller bestanden habe. Zum 1.10.2003 habe es unterschiedliche Systeme gegeben, die jedem Getränkehersteller zur Teilnahme offen gestanden hätten und die zusammen genommen einen beträchtlichen Teil des Getränkemarktes abgedeckt hätten.
Der EuGH habe nicht gefordert, ein Pfandsystem müsse den gesamten Getränkemarkt erreichen und sicherstellen, dass Getränkehersteller aus anderen Staaten der Gemeinschaft ihre Waren problemlos über den gesamten Getränkehandel vertreiben könnten. Die Reduzierung von Einwegverpackungen zu Gunsten von Mehrwegverpackungen sei vom EuGH als umweltpolitisches Ziel anerkannt worden, welches gewisse Handelshemmnisse rechtfertigen könne. Dies bedeute zwingend, dass der Gerichtshof die durch die Pfandregelungen verursachte Verschiebung der Marktverhältnisse zu Gunsten von Mehrwegverpackungen akzeptiere. Den Klägerinnen habe auch eine hinreichend lange Übergangsfrist zur Einstellung auf das neue System zur Verfügung gestanden.
Auf entsprechenden Antrag der Klägerinnen im Verfahren 9 K 4986/04 wurden die europarechtlichen Fragen im Wege der Vorabanfrage dem EuGH vorgelegt. Dieser hat im Urteil vom 14.12.2004 im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
- Die Pflichtpfandregelungen auf Einwegverpackungen berühren die Regelung des Art. 28 EG-Vertrag, der den Mitgliedstaaten untereinander mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung verbietet.
- Die Maßnahme kann aber durch zwingende Gründe des Umweltschutzes gerechtfertigt sein, wenn sie verhältnismäßig ist.
- Die Verhältnismäßigkeit setzt voraus, dass sichergestellt ist, dass sich die Hersteller und Vertreiber von Getränken im Zeitpunkt der Umstellung tatsächlich an einem arbeitsfähigen System (gemeint ist ein Pfand- und Rücknahmesystem) beteiligen können und dass es eine angemessene Übergangsfrist für die Hersteller und Vertreiber gibt, um sich auf ein solches System einzustellen.
Der EuGH stellte weiter ausdrücklich klar, dass es Sache des Verwaltungsgerichts Stuttgart sei, zu entscheiden, ob diese Bedingungen erfüllt sind.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.06.2005
Quelle: ra-online, Pressemitteilungen des VG Stuttgart