23.11.2024
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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil01.03.2012

Verweigerung des Schulbesuchs aus religiösen Gründen unzulässigSchulpflicht verletzt weder grundrechtlich geschützte Elternrechte noch Grundrechte der betroffenen Kinder auf Glaubens­freiheit

Eltern können den Schulbesuch ihrer Kinder nicht mit dem Hinweis auf religiöse Gründe verweigern. Die Verpflichtung zur Anmeldung der Kinder an einer öffentlichen Schule oder an einer genehmigten Privatschule unter Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall der Nichtbefolgung durch das Regie­rungs­prä­sidium ist daher gerechtfertigt. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Stuttgart.

Im zugrunde liegenden Streitfall klagten Eltern, die Mitglieder einer freien Bibelgemeinde sind, gegen das vom Regie­rungs­prä­sidium Stuttgart vertretene Land Baden-Württemberg wegen der Durchsetzung der Schulpflicht ihrer drei Kinder.

Regie­rungs­prä­sidium verpflichtet Eltern zur Anmeldung der Kinder an öffentlicher oder genehmigter Privatschule

Die Kinder besuchen aus religiös motivierten Gründen (reformatorisch-baptistisch) keine Schule, sondern werden von ihren Eltern zu Hause unterrichtet. Zuletzt verpflichtete das Regie­rungs­prä­sidium die Eltern mit Bescheid vom 25. Januar 2011, ihre zwischen 1998 und 2001 geborenen Kinder an einer öffentlichen Schule oder an einer genehmigten Privatschule anzumelden und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 300 Euro je Kind für den Fall der Nichtbefolgung an.

Durchsetzung der Schulpflicht rechtmäßig

Die hiergegen von den Eltern erhobene Klage lehnte das Verwal­tungs­gericht Stuttgart ab, da die Durchsetzung der Schulpflicht rechtmäßig ist. Es gebe kein Wahlrecht für die Eltern dahingehend, ihre Kinder, anstatt einer schulischen Erziehung anzuvertrauen, in Heimunterricht zu erziehen (so genanntes Homeschooling), um ihnen ihre Glaubens­über­zeugung zu vermitteln. Die im Schulgesetz normierte Schulpflicht habe ihre Legitimation im staatlichen Erzie­hungs­auftrag und verletze weder die grundrechtlich geschützten Elternrechte noch die Grundrechte der betroffenen Kinder auf Glaubensfreiheit.

Mit Schul­be­suchs­pflicht verbundene Grund­recht­s­ein­griffe stehen in angemessenem Verhältnis zum staatlichen Erzie­hungs­auftrag

Der staatliche Erzie­hungs­auftrag mit der Pflicht zum Besuch einer Schule sei nicht nur auf die Vermittlung von Wissen gerichtet, sondern auch auf die Heranbildung verant­wort­licher Staatsbürger und ihrer Teilhabe an den demokratischen Prozessen in einer pluralistischen Gesellschaft. Soziale Kompetenz, Toleranz, Durch­set­zungs­vermögen und Selbst­be­hauptung könnten nach dem verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstandenden Willen des Gesetzgebers insbesondere mit dem regelmäßigen Schulbesuch eingeübt werden. Soweit die Kläger sich darauf beriefen, ihre Kinder könnten die soziale Kompetenz im Rahmen ihrer Betätigung in Vereinen sowie im Umgang mit ihren Spielkameraden in gleicher Weise erwerben, so stehe dies der Regelmäßigkeit der Einübung im Rahmen eines Schulbesuchs nicht gleich. Gleichfalls nicht von Gewicht sei die Berufung der Kläger auf die Erfahrungen in anderen Ländern. Auch der Einwand, die Erziehung der Jugend u.a. in der Ehrfurcht vor Gott und im Geiste der christlichen Nächstenliebe sei in den öffentlichen Schulen nicht gewährleistet, sei unbeachtlich, denn den Klägern stehe es frei, ihre Kinder auf eine staatlich anerkannte christliche Schule zu schicken. Nichts anderes gelte, soweit die Kläger die in der Schule aus ihrer Sicht vorherrschende Gendererziehung bzw. die Erziehung im Sinne der Emanzipation sowie eine von christlicher Sexualethik freie Sexualerziehung bemängelten. Die mit der Schul­be­suchs­pflicht verbundenen Grund­recht­s­ein­griffe stünden in angemessenem Verhältnis zum staatlichen Erzie­hungs­auftrag, denn hinter diesem stehe das Interesse der Allgemeinheit, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten „Paral­lel­ge­sell­schaften“ entge­gen­zu­wirken und Minderheiten auf diesem Gebiet zu integrieren.

Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart/ra-online

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