Verwaltungsgericht Osnabrück Urteil09.09.2025
Verwaltungsgericht weist Klage einer Pflegehelferin gegen Tätigkeitsverbot auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes abErmächtigungsgrundlage für das Tätigkeitsverbot war zum damaligen Zeitpunkt verfassungsgemäß
Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat die Klage einer Pflegehelferin gegen ein vom Landkreis Osnabrück 2022 mangels Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises ausgesprochenes Betretungs- und Tätigkeitsverbot auf der Grundlage des mittlerweile außer Kraft getretenen § 20 a Abs. 5 S. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG, in der Fassung vom 18. März 2022) abgewiesen.
Die Klägerin war im Jahr 2022 als Pflegehelferin im Christlichen Krankenhaus Quakenbrück beschäftigt. Der beklagte Landkreis Osnabrück forderte die Klägerin auf der Grundlage des § 20 a Abs. 5 S. 1 IfSG auf, einen Immunitätsnachweis vorzulegen, und zwar entweder einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sie nicht gegen das Coronavirus SARS-COV 2 geimpft werden könne. Da die Klägerin hierauf nicht reagierte, untersagte der Beklagte ihr mit Bescheid vom 7. November 2022, als Pflegehilfe tätig zu sein. Die Regelung wurde bis zum 31. Dezember 2022 befristet.
Verwaltungsgericht rief auch das Bundesverfassungsgericht an
Die hiergegen erhobene Klage wurde zunächst am 3. September 2024 mündlich verhandelt. Die Kammer hat dabei Beweis erhoben durch die Einvernahme des Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, Prof. Dr. Lars Schaade, als Zeugen. In der mündlichen Verhandlung hat die Kammer beschlossen, das Verfahren gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG auszusetzen, um dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 20 a IfSG in der Fassung vom 18. März 2022 mit Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar gewesen ist, weil mittlerweile aufgrund der geleakten Protokolle des Krisenstabs des RKI-Instituts feststehe, dass die seinerzeitigen Feststellungen des Robert-Koch-Instituts nicht hinreichend wissenschaftlich valide bzw. politisch vom Bundesgesundheitsministerium beeinflusst und damit nicht unabhängig gewesen seien. Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorlage mit Beschluss vom 29. Januar 2025 (1 BvL 9/24) als unzulässig verworfen, ohne in eine erneute Prüfung in der Sache einzusteigen.
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Tätigkeitsverbot war zum damaligen Zeitpunkt rechtmäßig
Die 3. Kammer hat die Fortsetzungsfeststellungsklage der Klägerin nunmehr als zulässig, aber unbegründet abgewiesen. Die Ermächtigungsgrundlage für das Tätigkeitsverbot sei im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses und auch bis zum Auslauf ihrer Geltungsdauer mit dem 31. Dezember 2022 nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts verfassungsgemäß. Dabei hat die Kammer auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 2022 (1 BvR 2649/21) sowie vom 29. Januar 2025 (1 BvL 9/24) verwiesen; diese Entscheidungen seien für die Kammer prozessual bindend; damit sei der Kammer auch eine hiervon abweichende Bewertung aufgrund neuer, besserer Erkenntnisse verwehrt. Der demnach anzuwendende § 20 a Abs. 5 S. 3 IfSG a.F. sei von dem beklagten Landkreis auch im Einzelfall rechtsfehlerfrei zu Grunde gelegt. Die Klägerin habe innerhalb einer angemessenen Frist keinen Impf- oder Genesenennachweis erbracht. Die Anordnung, nach der die Klägerin die Einrichtung bis 31. Dezember 2022 nicht mehr betreten und dort nicht tätig werden durfte, sei von der Rechtsfolge der Vorschrift gedeckt. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. In Anbetracht des Schutzzwecks des § 20 a IfSG sei auch die Anordnung eines entsprechenden Verbots für einen kurzen Zeitraum verhältnismäßig und damit ermessensgerecht.
Das Urteil (Az. 3 A 224/22) ist noch nicht rechtskräftig und kann innerhalb von einem Monat nach Zustellung mit der Zulassung der Berufung vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht angefochten werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 10.09.2025
Quelle: Verwaltungsgericht Osnabrück, ra-online (pm/pt)