03.12.2024
03.12.2024  
Sie sehen eine Reihe mit gelben Aktenordnern, die mit Barcodes markiert sind.
ergänzende Informationen

Verwaltungsgericht Oldenburg Urteil12.03.2013

Video­über­wachung des Treppenhauses eines Bürogebäudes: Ordnungsbehörde kann keine Beseitigung der Kameras aus Daten­schutz­gründen verlangenZudem ist keine unein­ge­schränkte Untersagung der Kamera­über­wachung zulässig

Installiert der Eigentümer eines Bürogebäudes im Treppenhaus Kameras, so kann die Daten­schutz­behörde nicht die Beseitigung der Kameras verlangen. Zudem ist es unzulässig, die Video­über­wachung eines nur zeitlich beschränkt zugänglichen Treppenhauses, vollständig zu untersagen. Dies geht aus einer Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts Oldenburg hervor.

Im zugrunde liegenden Fall brachte die Eigentümerin eines mehrstöckigen Bürogebäudes im Jahr 2010 in den Treppenhäusern Videokameras an. Hintergrund dessen war, dass aus dem Büro einer Steuer­be­ra­tungs­ge­sell­schaft Notebooks gestohlen wurden. Die Kameras aktivierten sich bei Bewegung im Treppenhaus. Die Aufnahmen wurden gespeichert und spätestens nach 10 Tagen gelöscht. Nachdem die Daten­schutz­behörde davon erfuhr, erließ sie einen Bescheid, in dem die Videoüberwachung untersagt und die Beseitigung der Kameras angeordnet wurde. Gegen diesen Bescheid erhob die Hausei­gen­tümerin Klage.

Bescheid der Daten­schutz­behörde war rechtswidrig

Das Verwal­tungs­gericht Oldenburg hielt den Bescheid für rechtswidrig und hob ihn daher auf. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) habe keine Rechtsgrundlage für die in dem Bescheid getroffenen Anordnungen hergegeben.

Fehlende Genehmigung zur Video­über­wachung unerheblich

Das Verwal­tungs­gericht führte zunächst aus, dass die fehlende Genehmigung zur Video­über­wachung keine Grundlage zum behördlichen Eingreifen begründete. Zwar sei die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von perso­nen­be­zogenen Daten nach dem BDSG nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Dabei handele es sich aber nicht um ein sogenanntes "Verbot mit Erlaub­nis­vor­behalt". Ein formalisiertes Erlaub­nis­ver­fahren sehe das BDSG nicht vor.

Entfernung der Kameras durfte nicht verlangt werden

Der von der Behörde als Rechtsgrundlage angegebene § 38 Abs. 5 BDSG habe nach Ansicht des Verwal­tungs­ge­richts eine Beseitigungsanordnung nicht gerechtfertigt. Zwar sehe Satz 1 der Norm die "Beseitigung" als eine mögliche Maßnahme vor. Gegenstand der Beseitigung seien aber Verstöße bei der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung perso­nen­be­zogener Daten sowie technische oder organi­sa­to­rische Mängel. Die auf Satz 1 gestützten Maßnahmen seien auf Veränderung, aber grundsätzlich auf Erhaltung der Einrichtungen gerichtet. Die Entfernung der Technik zur Datenerhebung könne daher nicht verlangt werden.

Ermäch­ti­gungs­grundlage des § 38 Abs. 5 Satz 2 BDSG war ebenfalls unzureichend

Nach Auffassung der Verwal­tungs­richter habe ebenfalls die Ermäch­ti­gungs­grundlage des § 38 Abs. 5 Satz 2 BDSG nicht gegriffen. Denn die Vorschrift ziele nicht auf eine Beseitigung, sondern auf eine Untersagung ab. Auch Satz 2 richte sich gegen ein Verfahren der Erhebung, Speicherung oder Verarbeitung von Daten. Es könne daher lediglich die Datenerhebung bzw. die Verarbeitung und Verbreitung untersagt werden, nicht aber die Beseitigung der Kameras.

Untersagung der Kamera­über­wachung war rechtswidrig

Weiterhin sei die vollständige Untersagung der Kameraüberwachung ohne zeitliche Beschränkung rechtswidrig gewesen, so das Verwal­tungs­gericht. Zwar seien die Treppenaufgänge im Bürogebäude der Klägerin öffentliche Räume gewesen und haben daher den Einschränkungen des § 6 b BDSG unterlegen. Dabei sei es nicht darauf angekommen, ob die Eingangstüren verschlossen waren und nur nach Meldung bei dem aufzusuchenden Büro geöffnet wurden. Denn entscheidend sei gewesen, dass der Zugang einem unbegrenzten Personenkreis ermöglicht wurde und ermöglicht werden sollte. Die Treppenhäuser seien aber nur zeitlich beschränkt öffentlich zugänglich gewesen.

Treppenhäuser in Bürogebäuden nur zu Öffnungszeiten öffentlich zugänglich

Die Verwal­tungs­richter führten weiter aus, dass Treppenhäuser in gewerblich oder freiberuflich genutzten Bürogebäuden nur während der Öffnungszeiten öffentlich zugängliche Räume im Sinne des § 6 b BDSG seien. Denn nur in dieser Zeit seien sie dazu bestimmt, von der Allgemeinheit betreten zu werden. Außerhalb der Öffnungs- und Sprechzeiten bestehe demgegenüber keinen Anlass, den Eigentümer am Schutz seines Eigentums durch Video­über­wachung zu hindern. Halte sich jemand während dieser Zeit gegen den ersichtlichen Willen des Berechtigten aus freier Entscheidung im Treppenhaus auf, so liege in der Regel ein Hausfrie­densbruch vor. Eine solche Person unterfalle daher nicht dem Schutz des § 6 b BDSG.

Keine Beseitigung von Kamera-Dummies

Außerdem sei zu beachten gewesen, so das Verwal­tungs­gericht, dass die Behörde auch nicht die Beseitigung von abgeschalteten Kameras verlangen kann. Abgeschaltete Kameras seien nach dem BDSG nicht rechtswidrig, da durch sie keine Daten erhoben werden. Kameraatrappen werden vor allem nicht von § 6 b BDSG erfasst. Denn ein "Beobachten" sei mit nicht eingeschalteten oder nicht mit einem Beobach­tungsgerät verbundenen Kameras nicht möglich. Ein Eingriff in die informationelle Selbst­be­stimmung liege daher nicht vor. Mögliche Abwehransprüche wegen des von den abgeschalteten Kameras ausgehenden Überwa­chungs­drucks müssen durch ein zivil­ge­richt­liches Verfahren durchgesetzt werden. Das BDSG biete jedenfalls keine Grundlage für ein behördliches Einschreiten gegen die bloße Existenz von Kameras.

Daten­schutz­behörde war an Neubefassung der Video­über­wachung nicht gehindert

Die Verwal­tungs­richter betonten, dass die Daten­schutz­behörde nicht daran gehindert war, sich unter Beachtung der Rechts­auf­fassung des Gerichts erneut mit der Video­über­wachung zu befassen.

Quelle: Verwaltungsgericht Oldenburg, ra-online (vt/rb)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil16217

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI