Im zugrunde liegenden Fall brachte die Eigentümerin eines mehrstöckigen Bürogebäudes im Jahr 2010 in den Treppenhäusern Videokameras an. Hintergrund dessen war, dass aus dem Büro einer Steuerberatungsgesellschaft Notebooks gestohlen wurden. Die Kameras aktivierten sich bei Bewegung im Treppenhaus. Die Aufnahmen wurden gespeichert und spätestens nach 10 Tagen gelöscht. Nachdem die Datenschutzbehörde davon erfuhr, erließ sie einen Bescheid, in dem die Videoüberwachung untersagt und die Beseitigung der Kameras angeordnet wurde. Gegen diesen Bescheid erhob die Hauseigentümerin Klage.
Das Verwaltungsgericht Oldenburg hielt den Bescheid für rechtswidrig und hob ihn daher auf. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) habe keine Rechtsgrundlage für die in dem Bescheid getroffenen Anordnungen hergegeben.
Das Verwaltungsgericht führte zunächst aus, dass die fehlende Genehmigung zur Videoüberwachung keine Grundlage zum behördlichen Eingreifen begründete. Zwar sei die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von personenbezogenen Daten nach dem BDSG nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Dabei handele es sich aber nicht um ein sogenanntes "Verbot mit Erlaubnisvorbehalt". Ein formalisiertes Erlaubnisverfahren sehe das BDSG nicht vor.
Der von der Behörde als Rechtsgrundlage angegebene § 38 Abs. 5 BDSG habe nach Ansicht des Verwaltungsgerichts eine Beseitigungsanordnung nicht gerechtfertigt. Zwar sehe Satz 1 der Norm die "Beseitigung" als eine mögliche Maßnahme vor. Gegenstand der Beseitigung seien aber Verstöße bei der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten sowie technische oder organisatorische Mängel. Die auf Satz 1 gestützten Maßnahmen seien auf Veränderung, aber grundsätzlich auf Erhaltung der Einrichtungen gerichtet. Die Entfernung der Technik zur Datenerhebung könne daher nicht verlangt werden.
Nach Auffassung der Verwaltungsrichter habe ebenfalls die Ermächtigungsgrundlage des § 38 Abs. 5 Satz 2 BDSG nicht gegriffen. Denn die Vorschrift ziele nicht auf eine Beseitigung, sondern auf eine Untersagung ab. Auch Satz 2 richte sich gegen ein Verfahren der Erhebung, Speicherung oder Verarbeitung von Daten. Es könne daher lediglich die Datenerhebung bzw. die Verarbeitung und Verbreitung untersagt werden, nicht aber die Beseitigung der Kameras.
Weiterhin sei die vollständige Untersagung der Kameraüberwachung ohne zeitliche Beschränkung rechtswidrig gewesen, so das Verwaltungsgericht. Zwar seien die Treppenaufgänge im Bürogebäude der Klägerin öffentliche Räume gewesen und haben daher den Einschränkungen des § 6 b BDSG unterlegen. Dabei sei es nicht darauf angekommen, ob die Eingangstüren verschlossen waren und nur nach Meldung bei dem aufzusuchenden Büro geöffnet wurden. Denn entscheidend sei gewesen, dass der Zugang einem unbegrenzten Personenkreis ermöglicht wurde und ermöglicht werden sollte. Die Treppenhäuser seien aber nur zeitlich beschränkt öffentlich zugänglich gewesen.
Die Verwaltungsrichter führten weiter aus, dass Treppenhäuser in gewerblich oder freiberuflich genutzten Bürogebäuden nur während der Öffnungszeiten öffentlich zugängliche Räume im Sinne des § 6 b BDSG seien. Denn nur in dieser Zeit seien sie dazu bestimmt, von der Allgemeinheit betreten zu werden. Außerhalb der Öffnungs- und Sprechzeiten bestehe demgegenüber keinen Anlass, den Eigentümer am Schutz seines Eigentums durch Videoüberwachung zu hindern. Halte sich jemand während dieser Zeit gegen den ersichtlichen Willen des Berechtigten aus freier Entscheidung im Treppenhaus auf, so liege in der Regel ein Hausfriedensbruch vor. Eine solche Person unterfalle daher nicht dem Schutz des § 6 b BDSG.
Außerdem sei zu beachten gewesen, so das Verwaltungsgericht, dass die Behörde auch nicht die Beseitigung von abgeschalteten Kameras verlangen kann. Abgeschaltete Kameras seien nach dem BDSG nicht rechtswidrig, da durch sie keine Daten erhoben werden. Kameraatrappen werden vor allem nicht von § 6 b BDSG erfasst. Denn ein "Beobachten" sei mit nicht eingeschalteten oder nicht mit einem Beobachtungsgerät verbundenen Kameras nicht möglich. Ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung liege daher nicht vor. Mögliche Abwehransprüche wegen des von den abgeschalteten Kameras ausgehenden Überwachungsdrucks müssen durch ein zivilgerichtliches Verfahren durchgesetzt werden. Das BDSG biete jedenfalls keine Grundlage für ein behördliches Einschreiten gegen die bloße Existenz von Kameras.
Die Verwaltungsrichter betonten, dass die Datenschutzbehörde nicht daran gehindert war, sich unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut mit der Videoüberwachung zu befassen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 05.07.2013
Quelle: Verwaltungsgericht Oldenburg, ra-online (vt/rb)