23.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 32022

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Verwaltungsgericht Neustadt Urteil22.06.2022

Ehemaliger Bürgermeister kann für Verstöße gegen das Vergaberecht nicht persönlich gemäß § 48 BeamtStG in Haftung genommen werdenEhemaliger Bürgermeister der Verbands­ge­meinde Waldfischbach-Burgalben muss keinen Schadensersatz leisten - Voraussetzung für Haftung nicht gegeben

Das Verwal­tungs­gericht Neustadt hat entschieden, dass der frühere Bürgermeister der Verbands­ge­meinde Waldfischbach-Burgalben dieser gegenüber nicht zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet ist, und hat deshalb einen entsprechenden Heran­ziehungs­bescheid der Verbands­ge­meinde aufgehoben.

Die verband­s­an­ge­hörige Ortsgemeinde Heltersberg hatte im Jahr 2003 ein Bauprojekt zur Erneuerung und Umgestaltung des "Hensel`schen Anwesens" beschlossen. Das Anwesen mit drei Gebäudeteilen und dazugehörigen Außenanlagen sollte im Rahmen eines Dorfer­neu­e­rungs­pro­gramms erhalten und einer neuen Nutzung zugeführt werden. Die Kosten hierfür wurden ursprünglich auf 1,2 Millionen Euro veranschlagt, stiegen im Laufe der Zeit aber auf mehr als 4 Millionen Euro. Im Mai 2005 schloss der damalige Ortsbür­ger­meister auf der Grundlage von Beschlüssen des Ortsge­mein­derates vom 12. Juni 2003 sowie vom 6. April 2005 ohne vorherige öffentliche Ausschreibung und ohne Beteiligung der Verbands­ge­meinde einen Ingenieur- und Archi­tek­ten­vertrag mit einer ortsansässigen Ingeni­eu­r­ge­mein­schaft. Der Ortsgemeinderat stimmte anschließend in seiner Sitzung vom 28. Juli 2005 einer Gesamt­kos­ten­schätzung für die Maßnahmen in Höhe von 1.200.000 € zu. Auf Antrag der Ortsgemeinde bewilligte das Ministerium des Innern und für Sport 2006 und 2008 Fördermittel des Landes für den 1. Bauabschnitt in Höhe von insgesamt 371.750 Euro. Im März 2010 stellte das Rechnungs- und Gemein­de­prü­fungsamt der Kreisverwaltung Südwestpfalz verga­be­rechtliche Ungereimtheiten betreffend den 1. Bauabschnitt fest. Die Aufsichts- und Dienst­leis­tungs­di­rektion - ADD - erstellte am 14. Februar 2011 einen Prüfbericht, in dem Verstöße gegen Verga­be­vor­schriften bemängelt wurden. Nach Anhörung der Ortsgemeinde widerrief die ADD mit Bescheid vom 13. Januar 2012 die Bewil­li­gungs­be­scheide über die Fördermittel für den 1. Bauabschnitt und forderte die Rückzahlung der bereits geleisteten Beträge zuzüglich Zinsen in Höhe von 58.497,28 Euro. Zur Begründung des Widerrufs wurden die fehlerhafte Vergabe des Ingenieur- und Archi­tek­ten­vertrags ohne öffentliche Ausschreibung und unter Umgehung der Verbands­ge­meinde sowie der teils vergabewidrige Inhalt dieses Vertrags (u.a. überhöhte Nebenkosten und Zuschläge) angeführt. Die ADD wies in dem Wider­rufs­be­scheid außerdem "deklaratorisch" auf weitere Vergabeverstöße und eine mangelhafte Information des Ortsge­mein­derats hin.

Verbands­ge­meinde fordert Schadensersatz vom ehemaligem Verbands­ge­mein­de­bür­ger­meister

Die Ortsgemeinde Heltersberg verzichtete zu Beginn des Jahres 2012 auf Rechtsmittel gegen den Wider­rufs­be­scheid. Ihr Gemeinderat beschloss - nahezu vier Jahre danach - in der Sitzung vom 17. November 2015, den erlittenen Schaden durch den Verlust der Fördermittel und durch überhöhte Zahlungen an das Ingenieurbüro bei ihrem ehemaligen Ortsbür­ger­meister, der beauftragten Ingeni­eu­r­ge­mein­schaft und dem Kläger als ehemaligem Verbands­ge­mein­de­bür­ger­meister geltend zu machen. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2015 forderte die Verbands­ge­meinde als ehemalige Dienstherrin vom Kläger den Ersatz des Schadens der Ortsgemeinde nach der beamten­recht­lichen Haftungsnorm des § 48 Beamten­sta­tus­gesetz in Höhe von 471.573,20 € für verlorene Fördermittel, Zinszahlungen und die angeblich überhöhten Honor­a­r­zah­lungen an das Ingenieurbüro. Der Kläger habe die Vergabeverstöße nicht durch sein Einschreiten als Verbands­ge­mein­de­bür­ger­meister verhindert und damit den Widerruf der Fördermittel mitverursacht. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Wider­spruchs­be­scheid vom 19. März 2018 zurück.

Klageverfahren des ehemaligen Bürgermeister der Verbands­ge­meinde wieder­auf­ge­nommen

Die hiergegen erhobene Klage wurde zunächst auf überein­stim­menden Antrag der Beteiligten im Hinblick auf das gegen den ehemaligen Ortsbür­ger­meister geführte verwal­tungs­ge­richtliche Verfahren zum Ruhen gebracht. In diesem Verfahren entschied das Verwal­tungs­gericht Neustadt, dass der frühere Ortsbür­ger­meister zum Schadensersatz verpflichtet sei. Nach dem rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens ist das Klageverfahren gegen den ehemaligen Bürgermeister der Verbands­ge­meinde durch das Gericht wieder­auf­ge­nommen worden. In dem parallel von der Ortsgemeinde Heltersberg und der Ingeni­eu­r­ge­mein­schaft beim Landgericht Zweibrücken geführten zivil­ge­richt­lichen Verfahren schlossen die dortigen Beteiligten im Jahr 2020 einen Vergleich, durch den wechselseitig alle Ansprüche gegenstandslos wurden und in dem teilweise eine Wirkung zugunsten Dritter vereinbart wurde.

Keine grob fahrlässige Verletzung der Dienstpflichten

Das Verwal­tungs­gericht Neustadt hat nun entschieden, dass der Kläger für den Schaden der Ortsgemeinde nicht von der Verbands­ge­meinde gemäß § 48 BeamtStG in Haftung genommen werden könne. Voraussetzung für einen solchen beamten­recht­lichen Schaden­s­er­satz­an­spruch der ehemaligen Dienstherrin, der Verbands­ge­meinde, gegen ihren früheren Bürgermeister wäre, dass dieser in seiner Amtszeit als Verbands­ge­mein­de­bür­ger­meister, also in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2014, vorsätzlich oder grob fahrlässig seine Dienstpflichten verletzt hätte und dies ursächlich zum Widerruf der Fördermittel und damit zum Eintritt des Schadens bei der Ortsgemeinde geführt hätte. Diese Voraussetzungen liegen nach Überzeugung des Verwal­tungs­ge­richts nicht vor. Der Kläger könne für die Verstöße gegen die Vorschriften des Vergaberechts, die ausweislich des Wider­rufs­be­scheids der ADD vom 13. Februar 2012 entscheidend zum Widerruf der Fördermittel geführt haben, nicht persönlich verantwortlich gemacht werden. Zum Zeitpunkt der von der ADD beanstandeten Vergabe des Ingenieur- und Archi­tek­ten­vertrags an ein ortsansässiges Ingenieurbüro ohne vorherige öffentliche Ausschreibung im Mai 2005 sei der Kläger als Verbands­ge­mein­de­bür­ger­meister nämlich noch nicht im Amt gewesen. Weitere im Wider­rufs­be­scheid lediglich "deklaratorisch" angeführte (spätere) Verstöße gegen das Verga­be­ver­fahren seien für den Widerruf der Fördermittel nicht ursächlich gewesen und könnten dementsprechend auch keine Schaden­s­er­satz­ansprüche gegen den früheren Verbands­ge­mein­de­bür­ger­meister begründen. Auch seien im Übrigen keine vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Dienst­pflicht­ver­let­zungen des Klägers im Verfahren feststellbar gewesen.

Vergleich mit Ingenieursbüro hätte berücksichtigt werden müssen

Unabhängig davon müsse sich der inzwischen vor dem Landgericht Zweibrücken abgeschlossene Vergleich der Ortsgemeinde Heltersberg mit dem von ihr ebenfalls als Gesamtschuldner für denselben Schaden in Anspruch genommenen Ingenieurbüro auf etwaige Ansprüche gegen den Kläger und damit auf die streit­ge­gen­ständ­lichen Bescheide auswirken, da die Ortsgemeinde in dem Vergleich auch gegenüber möglichen sonstigen Gesamt­s­chuldnern (dem früheren Ortsbür­ger­meister und dem Kläger) auf ihre Forderung teilweise verzichtet habe. Auch aus diesem Grund erweise sich der streit­ge­gen­ständliche Haftungs­be­scheid der Verbands­ge­meinde als rechtswidrig und unterliege der gerichtlichen Aufhebung.

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt, ra-online (pm/ab)

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