21.11.2024
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Dokument-Nr. 32981

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Verwaltungsgericht Münster Beschluss07.06.2023

Stadt Münster muss trotz fehlender Kapazitäten Kita- oder Tages­pfle­geplatz nachweisenAnspruch auf frühkindliche Förderung ist nicht auf den vorhandenen Vorrat an Plätzen begrenzt, sondern letztlich auch auf die Erweiterung der vorhandenen Kapazitäten gerichtet

Das Verwal­tungs­gericht Münster hat der Stadt Münster im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, einem unter dreijährigen Kind ab dem 1. August 2023 einen Betreuungsplatz zur frühkindlichen Förderung mit dem Umfang von 45 Stunden wöchentlich in einer Kinder­tages­einrichtung oder Kinder­tages­pflegestelle zur Verfügung zu stellen, der in nicht mehr als 30 Minuten von der Wohnung des Kindes erreichbar ist.

Die Eltern des am Stadtrand Münsters wohnenden Kindes hatten im Mai 2022 den Betreu­ungs­bedarf zum 1. August 2023 über den sogenannten Kita-Navigator der Antragsgegnerin angemeldet. Das Kind war jedoch weder bei der im Februar 2023 stattgefundenen Platzvergabe noch im Rahmen des wegen technischer Probleme im März 2023 wiederholten Verga­be­ver­fahrens berücksichtigt worden. Dem daraufhin Ende April gestellten sogenannten Eilantrag hat das Gericht nunmehr im Wesentlichen stattgegeben.

VG: Einklagbaren Anspruch auf Förderung gegeben

Der Antrag sei nicht als verfrüht anzusehen. Nach dem Kinder­bil­dungs­gesetz sei den Eltern zwar ein Betreuungsplatz erst spätestens sechs Wochen vor dem angemeldeten Betreu­ungs­beginn nachzuweisen. Da nach den Verlautbarungen der Antragsgegnerin das Verga­be­ver­fahren für den 1. August 2023 bereits weitgehend abgeschlossen sei und derzeit etwa 1700 vorgemerkte Kinder keinen Betreuungsplatz erhalten hätten, sei es nicht zumutbar, mit Blick auf die vage Möglichkeit eines mehr oder weniger zufällig freiwerdenden Betreu­ungs­platzes mit der Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes zu warten. Der Antrag habe auch in der Sache Erfolg. Das Kind habe gegenüber der Antragsgegnerin einen einklagbaren Anspruch auf Förderung in einer öffentlich geförderten Kinder­ta­ges­ein­richtung oder in Kinder­ta­gespflege. Dem stehe nicht entgegen, dass nach den Angaben der Antragsgegnerin eine Vielzahl der Kinder­ta­ges­ein­rich­tungen in Münster aufgrund der angespannten Perso­nal­si­tuation momentan keine zusätzlichen Plätze anbieten könne. Der Anspruch auf frühkindliche Förderung sei nicht auf den vorhandenen Vorrat an Plätzen begrenzt, sondern letztlich auch auf die Erweiterung der vorhandenen Kapazitäten gerichtet, bis ein dem Bedarf in qualitativer und quantitativer Hinsicht gerecht werdendes Angebot bestehe. Es handele sich um eine unbedingte Bereitstellungs- bzw. Gewährleistungspflicht, der der Jugend­hil­fe­träger nicht mit dem Einwand der Unmöglichkeit begegnen könne. Zwar seien die gegenwärtigen Schwierigkeiten bei der Bereitstellung eines bedarfs­ge­rechten Angebots an Kinder­be­treu­ungs­plätzen nicht zu verkennen. Der vom Gesetzgeber ausdrücklich vorbehaltlos gewährleistete Rechtsanspruch drohte aber leer zu laufen, wenn sich die Träger der Jugendhilfe auf eine fehlende Erfüllbarkeit wegen Kapazi­täts­aus­lastung berufen könnten. Für den Anspruch sei es auch unerheblich, ob die zur Verfügung stehenden Betreu­ungs­plätze im Rahmen eines ordnungsgemäßen Vertei­lungs­ver­fahrens vergeben worden seien. Denn das jeweilige Kind konkurriere nicht mit Gleichaltrigen um die wenigen Betreu­ungs­plätze, sondern habe wie die Gleichaltrigen auch einen unbedingten Anspruch auf Gewährleistung der Förderung.

Gesetzliches Gleich­ran­gig­keits­ver­hältnis zwischen Kinder­ta­ges­ein­richtung und Kinder­ta­gespflege

Ein Anord­nungs­an­spruch sei jedoch zu verneinen, soweit der Antrag auf den Nachweis eines Betreu­ungs­platzes allein in einer Kinder­ta­ges­ein­richtung beschränkt sei. Da die frühkindliche Förderung in einer Kinder­ta­ges­ein­richtung und die Förderung in Kinder­ta­gespflege in einem gesetzlichen Gleich­ran­gig­keits­ver­hältnis stünden, könne der Träger der Jugendhilfe seine Verpflichtung zur Förderung von unter dreijährigen Kindern gleichermaßen mit dem Nachweis eines zumutbaren Platzes in einer Kinder­ta­gesstätte und mit dem Nachweis eines zumutbaren Platzes in der Kinder­ta­gespflege erfüllen. Ein Anord­nungs­an­spruch sei auch nicht glaubhaft gemacht, soweit hier über einen Betreu­ungs­umfang von 45 Stunden wöchentlich hinaus eine nach bestimmten Uhrzeiten bemessene Betreuung erstrebt werde. Der Anspruch auf frühkindliche Förderung sei nicht auf Schaffung von in jeder Hinsicht optimalen Kinder­be­treu­ungs­mög­lich­keiten gerichtet. An einem Anord­nungs­an­spruch fehle es schließlich auch, soweit die Verpflichtung zum Nachweis eines Betreu­ungs­platzes erstrebt werde, der in nicht mehr als 15 Minuten erreichbar sei. Vielmehr könne jedenfalls für das einstweilige Verfahren im Regelfall eine Entfernung von der Wohnung des Kindes von maximal 30 Minuten pro Weg als zumutbar angesehen werden. Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe Beschwerde eingelegt werden.

Quelle: Verwaltungsgericht Münster, ra-online (pm/ab)

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