21.11.2024
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Dokument-Nr. 32155

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Verwaltungsgericht Mainz Urteil12.08.2022

Inanspruchnahme der deutschen Sozialsysteme durch einen EU-AusländerVG Mainz lehnt Klage eines polnischen Mannes ab

Zur Verhinderung einer dauerhaften Inanspruchnahme der Sozia­l­hil­fe­systeme kann das Recht auf Einreise und Aufenthalt eines EU-Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland auch unter Berück­sich­tigung familiärer Bindungen verloren gehen. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Mainz.

Der über 70 Jahre alte Kläger ist polnischer Staats­an­ge­höriger. Er reiste 2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seither lebt er bei seiner Tochter, die ihn nach seinem Vortrag wegen verschiedener Erkrankungen pflegt. Der Kläger bezieht seit Mitte 2020 Leistungen zur Grundsicherung im Alter. Der beklagte Landkreis stellte mit einem Bescheid den Verlust des Rechts des Klägers auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern - Freizü­gig­keits­gesetz - fest; zugleich wurde ihm eine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt und für den Fall der Fristversäumung die Abschiebung angedroht. Nach erfolglosem Wider­spruchs­ver­fahren erhob der Kläger Klage. Er machte geltend, die auslän­der­rechtliche Verfügung lasse seine schwere Erkrankung und die deshalb notwendige Pflege durch die in Deutschland lebende Tochter außen vor. Mangels weiterer Bezugspersonen in Polen bestehe nur noch eine soziale Verwurzelung zu seiner Tochter.

Kein Freizü­gig­keitsrecht bei dauerhafter Arbeits­lo­sigkeit

Das Verwal­tungs­gericht wies die Klage ab. Der Kläger sei als polnischer Staats­an­ge­höriger zwar Unionsbürger und damit der Anwen­dungs­bereich des Freizü­gig­keits­ge­setzes gegeben. Ein nach diesem Gesetz für Unionsbürger eröffnetes Freizü­gig­keitsrecht könne der Kläger für sich jedoch nicht in Anspruch nehmen, weshalb der Beklagte berechtigt gewesen sei, den Verlust seines Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet festzustellen. Der Kläger halte sich nicht als Arbeitnehmer im Bundesgebiet auf. Als Nicht­er­wer­b­s­tätiger sei er weder ausreichend kranken­ver­sichert noch stünden ihm aufgrund des Bezugs von Grundsicherung ausreichende Existenzmittel zur Verfügung. Mit Blick auf sein Lebensalter und die geltend gemachte Pflegebedürftigkeit könne auch nicht von einer nur vorübergehenden Inanspruchnahme von Sozia­l­leis­tungen ausgegangen werden. Ein Freizü­gig­keitsrecht des Klägers bestehe aber auch nicht als Familien­an­ge­höriger seiner in Deutschland lebenden Tochter. Nach dem Klagevorbringen sei nicht ersichtlich, dass diese den Kläger regelmäßig (zu einem beachtlichen Teil) bei den Kosten zum Lebensunterhalt unterstütze. Denn der Kläger erhalte Sozia­l­leis­tungen auch für Unterkunft und Heizung, also auch für ihm von der Tochter zur Verfügung gestellten Wohnraum. Nicht näher dargelegt sei zudem, welche tatsächlichen Pflege­leis­tungen die Tochter ihm gegenüber erbringe, zumal eine weitere Tochter in Deutschland wohnhaft sei.

Rechtmäßige Ablehnung eines Aufent­halts­rechts wegen Schutzes des Sozia­l­hil­fe­systems vor Überlastung

Der Kläger verfüge ferner nicht über ein Dauer­auf­ent­haltsrecht nach dem Freizü­gig­keits­gesetz, weil er sich noch nicht fünf Jahre ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Der Beklagte habe schließlich ermes­sens­feh­lerfrei den Verlust des Freizü­gig­keits­rechts des Klägers festgestellt. Unter Berück­sich­tigung unions­recht­licher Regelungen führe der Bezug von Sozia­l­leis­tungen durch einen EU-Ausländer nicht automatisch zu einem Verlust seines Aufent­halts­rechts im Aufnah­me­mit­gliedstaat. Erforderlich sei vielmehr eine "unangemessene" Inanspruchnahme von Sozia­l­leis­tungen, um eine Überlastung des nationalen Sozia­l­hil­fe­systems in seiner Gesamtheit zu verhindern. Diesem hier gegebenen Belang habe der Beklagte den Vorzug vor den familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet geben dürfen, ohne dass insoweit ein unver­hält­nis­mäßiges Vorgehen anzunehmen wäre. Die behauptete Entwurzelung des Klägers in seinem Heimatland, in dem er ebenfalls medizinisch und pflegerisch betreut werden könne, werde angesichts der dort verbrachten Jahrzehnte und der nur kurzen Aufent­haltsdauer in der Bundesrepublik ohne Kenntnis der deutschen Sprache als fernliegend angesehen. Demgegenüber bestehe auch in Zukunft weiterhin ein Sozia­l­hil­fe­bedarf für die gesamten Lebens­hal­tungs­kosten des Klägers, der angesichts seiner zunehmenden Pflege­be­dürf­tigkeit erwartungsgemäß zu einer anwachsenden Belastung des hiesigen Sozialsystems führen werde.

Quelle: Verwaltungsgericht Mainz, ra-online (pm/aw)

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