18.10.2024
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Dokument-Nr. 31444

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Verwaltungsgericht Mainz Urteil28.01.2022

Schwer­be­hinderte Bewerber dürfen bei Stellenvergabe nicht benachteiligt werdenNichteinladung eines Schwer­be­hin­derten begründet Anspruch auf Entschädigung nach AGG

Einer schwer­be­hin­derten Bewerberin, der die fachliche Eignung für eine von einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle nicht evident fehlt, ist in der Regel eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleich­behandlungs­gesetz zu zahlen, wenn sie nicht zu einem Vor­stellungs­gespräch eingeladen worden ist. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Mainz.

Die Klägerin, bei der ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 vorliegt, bewarb sich auf eine von einer Verwal­tungs­behörde für einen Bürosach­be­a­r­beiter ausgeschriebene Stelle. Sie verfügt u.a. über die Fachhoch­schulreife und eine dreijährige Ausbildung zur Fachfrau für System­ga­s­tronomie. Die Beklagte teilte ihr mit, dass ihre Bewerbung nicht berücksichtigt werde, und wies den geltend gemachten Anspruch auf Entschädigung wegen Nichteinladung zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch zurück. Zur Begründung führte sie an, dass die in der Ausschreibung verlangte Berufs­aus­bildung zur Kauffrau/zum Kaufmann (alle Fachrichtungen) bei dem Ausbil­dungsberuf der Fachfrau für System­ga­s­tronomie nicht gegeben sei. Ein relevanter Anteil an kaufmännischen Inhalten werde in der dem Bereich des Gastgewerbes zuzuordnenden Ausbildung nicht vermittelt.

VG: Anspruch auf Entschädigung nach AGG

Das Verwal­tungs­gericht verurteilte die Beklagte auf die Klage der abgelehnten schwer­be­hin­derten Bewerberin zur Zahlung eines monatlichen Brutto­a­r­beits­ver­dienstes der für die ausgeschriebene Stelle geltenden Besol­dungs­gruppe (2.417,74 €) als Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleich­be­hand­lungs­gesetz. Ein Entschä­di­gungs­an­spruch nach diesem Gesetz setze einen Verstoß gegen ein Benach­tei­li­gungs­verbot voraus. Die Klägerin habe eine Benachteiligung dadurch erfahren, dass sie nicht zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch eingeladen worden sei. Von einer Einladung dürfe nach den geltenden Rechts­vor­schriften abgesehen werden, wenn dem schwer­be­hin­derten Bewerber für die ausgeschriebene Stelle die fachliche Eignung offensichtlich fehle. Eine ersichtliche Nichteignung für die ausgeschriebene Stelle könne mit Blick auf die Vorbildung der Klägerin als Fachfrau für System­ga­s­tronomie hier indes nicht angenommen werden.

Ausbildung zur System­ga­s­tronomin als kaufmännisch zu betrachten

Zwar laute diese Berufs­be­zeichnung nicht auf Kauffrau. Dieser formale Aspekt trete jedoch hinter dem Umstand zurück, dass die Ausbildung nach Auskünften von Industrie- und Handelskammern und in den einschlägigen Berufskreisen als kaufmännische Ausbildung angesehen werde. Unstreitig weise auch die betreffende Ausbil­dungs­ordnung kaufmännische Inhalte auf. Handele es sich demnach bei der von der Klägerin absolvierten Berufs­aus­bildung zur Fachfrau für System­ga­s­tronomie um eine kaufmännische Ausbildung und seien auch die sonstigen Einstel­lungs­vor­aus­set­zungen fachlicher Art gegeben, fehle es der schwer­be­hin­derten Klägerin nicht evident an der fachlichen Eignung für die ausgeschriebene Stelle.

Vermutung für Diskriminierung wegen Behinderung naheliegend

Ihre Einladung zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch sei daher gesetzeswidrig unterlassen worden. Dieser Pflich­ten­verstoß begründe auch die (von der Beklagten hier nicht widerlegte) Vermutung, dass die Klägerin nicht aus anderen Gründen als die Behinderung oder die fachliche Eignung von dem weiteren Bewer­bungs­ver­fahren ausgeschlossen worden sei.

Quelle: Verwaltungsgericht Mainz, ra-online (pm/ab)

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