18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 32968

Drucken
ergänzende Informationen

Verwaltungsgericht Lüneburg Urteil02.05.2023

Bahnfahren ist ArbeitszeitBahnfahrten eines Speditions­mitarbeiters zu Abholorten der Fahrzeuge sind Arbeitszeit

Das Verwal­tungs­gericht Lüneburg hat entschieden, dass Reisezeiten mit der Bahn, die im Zusammenhang mit der Überführung von neuen Nutzfahrzeugen anfallen, Arbeitszeit im Sinne des Arbeits­zeit­ge­setzes sind.

Die Klägerin in den beiden Verfahren ist ein Spedi­ti­o­ns­un­ter­nehmen, das auf die Überführung von neuen und gebrauchten Nutzfahrzeugen, unter anderem Sattel­zug­ma­schinen, spezialisiert ist. Die für die Überführung eingesetzten Arbeitnehmer fahren mit Taxi und Bahn zum jeweiligen Abholort des Fahrzeugs, übernehmen es dort und fahren das Fahrzeug anschließend auf der eigenen Achse zum Zielort. Von dort reisen sie wiederum mit der Bahn zurück zu ihrem Wohnort. Das zuständige Gewer­be­auf­sichtsamt hatte der Klägerin aufgegeben, die zulässigen Höchst­a­r­beits­zeiten einzuhalten und dabei festgestellt, dass Bahnreisezeiten, die im Zusammenhang mit der Überführung von neuen Nutzfahrzeugen anfielen, als Arbeitszeit im Sinne des Arbeits­zeit­ge­setzes zu berücksichtigen seien. Dagegen wandte sich die Klägerin mit dem Argument, die betroffenen Arbeitnehmer seien während der Bahnfahrt in der Gestaltung ihrer Zeit völlig frei, sodass ihnen nur ein „Freizeitopfer“ abverlangt werde.

VG: Definition des BAG nicht anwendbar

Dieser Argumentation ist das VG nicht gefolgt: Die einschlägigen europa­recht­lichen Grundlagen (Arbeitszeit-Richtlinie) erforderten im vorliegenden Fall eine von der gängigen Definition des Bundes­a­r­beits­ge­richts (BAG) abweichende Bestimmung des Begriffs der Arbeitszeit. Zwar gehe mit dem Bahnfahren nicht zwingend eine dem Gesund­heits­schutz zuwiderlaufende Belastung einher, was nach der sog. Beanspru­chungs­theorie des BAG maßgeblich für die Erfassung einer Tätigkeit als Arbeitszeit sei. Für die europa­rechtliche Begriffs­be­stimmung sei indes allein entscheidend, ob der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung stehe und seine Tätigkeit ausübe oder Aufgaben wahrnehme.

Bahnreise in der Sphäre des Arbeitgebers

Danach zähle die Bahnreisezeit als Arbeitszeit. Denn die regelmäßig mehrstündige An- und Abreise mit der Bahn sei einerseits bereits Teil der Leistungs­er­bringung und beschränke andererseits die Freiheit der Fahrer, über ihre Zeit selbst zu bestimmen. So hänge die Dauer der Bahnreisezeit allein davon ab, an welchen Ort das Fahrzeug überführt werden müsse. Anders als bei der Anreise zu einer festen Betriebsstätte stehe sie somit nicht zur Disposition des Arbeitnehmers, sondern sei der Sphäre des Arbeitgebers zuzurechnen. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus den besonderen Vorschriften des deutschen und des europäischen Rechts zur Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßen­transports ausübten, denn diese fänden im vorliegenden Fall keine Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Quelle: Verwaltungsgericht Lüneburg, ra-online (pm/ab)

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil32968

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI