24.11.2024
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Verwaltungsgericht Kassel Beschluss28.06.2010

Produkt mit Bezeichnung "Vorderschinken" muss auch Vorderschinken enthaltenGewerbsmäßig Vertrieb von Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung verboten

Nach dem Lebens­mit­telrecht ist es verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen. Die Bezeichnung "Deutsches Erzeugnis aus Vorder­schin­ken­teilen" eines Produkts stellt eine solche irreführende Kennzeichnung dar, da - auch bedingt dadurch, dass auf dem Etikett, der Wortbestandteil "-teile" in deutlich kleinerer Schrift erscheint - der Eindruck erweckt wird, es handle sich bei dem Produkt um ein Erzeugnis aus reinem Vorderschinken. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Kassel.

Im zugrunde liegenden Fall führte die Lebens­mit­tel­kon­trolle der Stadt Kassel am 16. Februar 2010 eine Betriebsprüfung bei zwei Kasseler Lebens­mit­tel­be­trieben - einem Lebensmittel-Import Groß- und Einzelhandel sowie einem Italienischen Feinkost, Wein und Partyservice - durch, die von einem Lebens­mit­tel­lie­fe­ranten aus Norderstedt u.a. mit dem Produkt "Spalla Cotta, Deutsches Erzeugnis aus Vorder­schin­ken­teilen …." beliefert wurden. Nachdem die Lebens­mit­tel­kon­trolle die beiden Kasseler Firmen damit konfrontiert hatte, dass das Produkt "Spalla Cotta …" irreführend gekennzeichnet und es nach dem Lebens­mit­telrecht verboten sei , Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen, stellten die beiden Firmen den Verkauf des Produktes ein.

Lieferanten wehren sich gegen Behauptung irreführender Bezeichnung und Einstellung des Vertriebs

Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung versuchte der Lieferant zu erreichen, dass die Stadt Kassel ihre Behauptung gegenüber den belieferten Firmen widerruft, das Erzeugnis "Spalla Cotta, Deutsches Erzeugnis aus Vorder­schin­ken­teilen…" sei irreführend gekennzeichnet, ferner der Stadt Kassel zu untersagen, dass die belieferten Firmen durch Verbote oder in sonstiger Weise den Vertrieb des Produktes unterlassen.

Etikettierung des Erzeugnisses zur Täuschung der Verbraucher geeignet

Dem Ansinnen folgte das Verwal­tungs­gericht Kassel nicht: Nach § 11 des Lebens- und Futter­mit­tel­ge­setz­buches sei es unter anderem verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen, was insbesondere dann der Fall sei, wenn bei einem Lebensmittel zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Angaben über Eigenschaften, insbesondere Art, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung, Herkunft oder Art der Herstellung verwendet würden. Bei der Anwendung des Irrefüh­rungs­verbots sei darauf abzustellen, wie ein durch­schnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durch­schnitts­ver­braucher eine Aussage oder Aufmachung wahrscheinlich auffassen werde. Hier sei die Etikettierung des in Rede stehenden Erzeugnisses zur Täuschung der Verbraucher geeignet. Dies gelte einmal für die Trennung des Wortes "Vorder­schin­kenteile", wobei der Wortbestandteil "-teile" in deutlich kleinerer Schrift erscheine. Dadurch werde der Eindruck erweckt, es handle sich bei dem in Rede stehenden Erzeugnis um Vorderschinken, was es nach den Feststellungen des Hessischen Landeslabors eindeutig nicht sei.

Beschreibende Verkehrs­be­zeichnung muss in gleich­blei­bender Schriftgröße erfolgen

Zum Schutz des Verbrauchers vor Täuschung sei nach Ansicht des Gerichts zu fordern, dass die beschreibende Verkehrs­be­zeichnung in gleich­blei­bender Schriftgröße zu erfolgen habe. Der Gedanke, dass eine gleichbleibende Schriftgröße zur Vermeidung einer Verwechslung zu fordern sei, habe im Übrigen auch in Nr. 2.19 der Leitsätze für Fleisch und Fleisch­er­zeugnisse seinen Niederschlag gefunden, soweit es darin heiße:

Zur Vermeidung einer Verwechslung von Formflei­sch­er­zeug­nissen mit vergleichbaren Erzeugnissen aus gewachsenem Fleisch wird in der Verkehrs­be­zeichnung das Wort "Formfleisch-" vorangestellt und außerdem in unmittelbarer Verbindung mit der Verkehrs­be­zeichnung und in gleicher Schriftgröße darauf hingewiesen, dass die Fleischstücke zusammengesetzt sind (z. B. Formfleisch-Schinken, aus Schinkenstücken zusammengefügt, Formfleisch-Roulade, aus Fleischstücken zusammengefügt, Formfleisch-Gulasch, aus Fleischstücken zusammengefügt.

Verkehrs­be­zeichnung weckt falschen Eindruck bei Verbraucher

Ungeachtet dessen, dass das in Rede stehende Erzeugnis noch nicht einmal die Qualität eines Formflei­sch­er­zeug­nisses erreiche, sei zum anderen aber auch die Verwendung des Wortes "Vorder­schin­kenteile" in der beschreibenden Verkehrs­be­zeichnung des fraglichen Erzeugnisses irreführend. Für den verständigen und interessierten Verbraucher werde dadurch der Eindruck erweckt, das genannte Erzeugnis bestehe aus natürlich gewachsenen Teilen Vorderschinken, wohingegen das Erzeugnis einge­stan­de­nermaßen lediglich einen Fleischanteil von 54 % aufweise.

Quelle: ra-online, Verwaltungsgericht Kassel

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