14.11.2024
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Verwaltungsgericht Kassel Beschluss11.09.2008

An die Geeignetheit einer Verbrau­che­r­in­sol­venz­be­ra­tungs­stelle sind hohe Anforderungen zu stellen

Das Verwal­tungs­gericht Kassel hat einen Eilantrag einer Schuld­ner­be­ratungs- GmbH gegen das Regie­rungs­prä­sidium Kassel abgelehnt. Das Regie­rungs­prä­sidium hatte deren Antrag auf Verlängerung der Anerkennung als geeignete Schuld­ner­be­ra­tungs­stelle im Sinne der Insol­ven­z­ordnung abgelehnt. Das Verwal­tungs­gericht gab dem Regie­rungs­prä­sidium Recht. Die Antragstellerin sei als Verbrau­che­r­in­sol­venz­be­raterin nicht geeignet.

An die Geeignetheit einer Verbrau­che­r­in­sol­venz­be­ra­tungs­stelle seien hohe Anforderungen zu stellen. Die Berater stünden in einem besonderen Vertrau­ens­ver­hältnis zu ihren Kunden, die wegen ihrer finanziellen Notlage besonderer Beratung bedürften. Deshalb müssten die Berater zuverlässig sein. Zuverlässigkeit in diesem Sinne bedeute, dass sowohl der Träger der Stelle als auch die leitenden und mitarbeitenden Personen nach dem Gesamtbild ihres Verhaltens die Gewähr dafür böten, dass sie die Aufgaben der Schuld­ner­be­ratung ordnungsgemäß wahrnehmen würden.

Die danach erforderliche Zuverlässigkeit des Geschäfts­führers der Antragstellerin sei nicht gegeben. Dazu gehöre, dass wahrheitsgemäße Angaben in Bezug auf geschäftliche Angelegenheiten gemacht würden. Das sei im vorliegenden Verfahren nicht der Fall gewesen. So habe er vorgetragen, dass eine Firma "Schuldnerhilfe aktiv" nie existiert habe. Dies aber stehe im Widerspruch zu einem Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 12.03.2008, das den Geschäftsführer der Antragstellerin in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der "Schuldnerhilfe aktiv" GbR zur Rückzahlung eines Beratungs­ho­norars verurteilt habe. Aus dem Urteil folge auch, dass diese Gesellschaft sogar werbend tätig gewesen sei. Auch andere Umstände belegten, dass die Gesellschaft aktiv gewesen sei.

Darüber hinaus habe der Geschäftsführer der Antragstellerin in einem Interview für das Fernsehmagazin WISO, ausgestrahlt am 26.11.2007, wahrheitswidrig behauptet, dass sie nach den Vorgaben des Regie­rungs­prä­sidiums die Beratungs­ge­bühren zu erheben hätten. Diese unwahre Äußerung in dem Fernse­h­in­terview erwecke den Anschein, als seien die Beratungs­ho­norare von einer staatlichen Behörde festgesetzt worden. Diese Äußerung sei vor dem Hintergrund zu sehen sei, dass es in dem Fernsehbeitrag um die nicht unerheblichen Honorare gewerblicher Schuld­ner­berater gegangen sei.

Nach allem ist die Zuverlässigkeit des Geschäfts­führers der Antragstellerin nicht gegeben, weshalb diese nicht als geeignete Schuld­ner­be­ra­tungs­stelle i.S.d. Insol­ven­z­ordnung angesehen werden könne.

Insolvenzordnung

§ 305 Eröff­nungs­antrag des Schuldners

(1) Mit dem schriftlich einzureichenden Antrag auf Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrens (§ 311) oder unverzüglich nach diesem Antrag hat der Schuldner vorzulegen:

1. eine Bescheinigung, die von einer geeigneten Person oder Stelle ausgestellt ist und aus der sich ergibt, daß eine außer­ge­richtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schul­den­be­rei­nigung auf der Grundlage eines Plans innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eröff­nungs­antrag erfolglos versucht worden ist; der Plan ist beizufügen und die wesentlichen Gründe für sein Scheitern sind darzulegen; die Länder können bestimmen, welche Personen oder Stellen als geeignet anzusehen sind;

Hessisches Ausfüh­rungs­gesetz zur Insol­ven­z­ordnung (AGInsO)

§ 1 Geeignete Stellen im Verbrau­che­r­in­sol­venz­ver­fahren

Geeignet im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. 1 der Insol­ven­z­ordnung sind nur solche Stellen, die von der nach § 5 Abs. 1 zuständigen Behörde als geeignet anerkannt worden sind.

§ 2 Aufgaben

(1) Aufgabe der Stelle ist die Beratung und Vertretung von Schuldnerinnen und Schuldnern bei der Schul­den­be­rei­nigung, insbesondere bei der außer­ge­richt­lichen Einigung mit den Gläubigerinnen und Gläubigern auf der Grundlage eines Planes nach den Vorschriften über das Verbrau­che­r­in­sol­venz­ver­fahren nach dem Neunten Teil der Insol­ven­z­ordnung.

(2) Scheitert eine außer­ge­richtliche Einigung, hat die Stelle die Schuldnerin oder den Schuldner über die Voraussetzungen des Verbrau­che­r­in­sol­venz­ver­fahrens und des Restschuld­be­frei­ungs­ver­fahrens zu unterrichten und eine Bescheinigung über den erfolglosen Einigungs­versuch auszustellen.

(3) Die Stelle leistet Unterstützung bei dem Ausfüllen des Vordrucks sowie dem Zusammenstellen aller Unterlagen, die mit dem Antrag auf Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrens vorzulegen sind. Sie ist befugt, die Schuldnerin und den Schuldner in dem anschließenden Verfahren vor dem Insol­venz­gericht zu beraten und schriftlich zu vertreten. Die Vorschriften des Rechts­be­ra­tungs­ge­setzes bleiben unberührt.

§ 3 Anerkennung

(1) Eine Stelle wird als geeignet anerkannt, wenn1. sie von einer zuverlässigen Person geleitet wird, die auch die Zuverlässigkeit der einzelnen Mitar­bei­te­rinnen und Mitarbeiter gewährleistet,

2. sie auf Dauer angelegt ist,

3. in ihr mindestens eine Person mit ausreichender praktischer Erfahrung in der Schuld­ner­be­ratung tätig ist,

4. die erforderliche Rechtsberatung sichergestellt ist und

5. sie über zeitgemäße technische, organi­sa­to­rische und räumliche Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Schuld­ner­be­ratung verfügt.

Ausreichende praktische Erfahrung nach Satz 1 Nr. 3 liegt in der Regel bei dreijähriger Tätigkeit in der Schuld­ner­be­ratung vor. Eine in der Stelle tätige Person soll über eine Ausbildung als Diplom-Sozia­l­a­r­beiterin oder Diplom-Sozialarbeiter, als Diplom-Sozialpädagogin oder Diplom-Sozialpädagoge, als Bankkauffrau oder Bankkaufmann, als Betriebswirtin oder Betriebswirt, als Steuer­fach­an­ge­stellte oder Steuer­fach­an­ge­stellter, als Ökonomin oder Ökonom, als Ökotrophologin oder Ökotrophologe oder eine Ausbildung im gehobenen Verwaltungs- oder Justizdienst oder eine zur Ausübung des Anwaltsberufs befähigende Ausbildung oder eine vergleichbare Ausbildung verfügen. Sofern in der Stelle keine Person mit einer Ausbildung tätig ist, die zur Ausübung des Anwaltsberufs befähigt, muß die nach Satz 1 Nr. 4 erforderliche Rechtsberatung auf andere Weise sichergestellt sein, insbesondere durch die Justitiarin oder den Justitiar des Trägers der Stelle oder eine niedergelassene Rechtsanwältin oder einen nieder­ge­lassenen Rechtsanwalt.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 09/08 des VG Kassel vom 15.09.2008

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