Die Klägerin, eine Lehrerin, war 2003 in den Ruhestand getreten. Bei der Festsetzung ihrer Versorgungsbezüge war ihr Ruhegehalt um einen Versorgungsabschlag für teilzeitbeschäftigte Beamte in Höhe von etwa 240 EUR monatlich gekürzt worden. Ein solcher Versorgungsabschlag wurde bis vor kurzem bei allen Beamten berücksichtigt, die vor dem 31.12.1991 im Beamtenverhältnis standen. Für später in den Dienst getretene Beamte galt dieser Abzug wegen geänderter Grundsätze der Berechnung des Ruhegehalts nicht mehr.
Im Jahr 2003 hatte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschieden, dass ein Versorgungsabschlag für teilzeitbeschäftigte Beamte gegen den EG-Vertrag verstoße, in dem der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen garantiert ist. Durch den Versorgungsabschlag würden Frauen mittelbar diskriminiert, weil sie mehrheitlich in Teilzeit arbeiteten. Aus Gründen der Rechtssicherheit hatte der Europäische Gerichtshof die Wirkung seines Urteils allerdings auf Leistungen beschränkt, die nach dem 17.05.1990 geschuldet waren.
Im Juni 2008 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Versorgungsabschlag für Beamte, die vor dem 31.12.1991 im Beamtenverhältnis standen, gegen das Verbot der Geschlechterdiskriminierung gemäß Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes verstößt. Sachliche, die Ungleichbehandlung rechtfertigende Gründe gebe es nicht.
Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hatte die Klägerin zum Anlass genommen, eine Neuberechnung ihrer Versorgungsbezüge für die Zukunft zu beantragen. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung hatte dies für das beklagte Land Baden-Württemberg abgelehnt und entgegnet: Es sei zwar richtig, dass sich der Versorgungsabschlag für teilzeitbeschäftigte Beamte als rechtswidrig erwiesen habe. Die Klägerin habe die Festsetzung ihres Ruhegehalts im Jahr 2003 aber nicht angefochten. Würde dem Anliegen der Klägerin nun entsprochen, müsste eine Vielzahl von gleichartigen Verfahren wieder aufgegriffen werden. Dass der Bund als Dienstherr und andere Länder in entsprechenden Fällen die Versorgungsbezüge neu berechnen würde, binde das Land Baden-Württemberg nicht.
Das Verwaltungsgericht ist der Rechtsauffassung der Klägerin gefolgt. Es führt in den Entscheidungsgründen seines Urteils aus: Die Festsetzung der Versorgungsbezüge der Klägerin sei unstreitig rechtswidrig. Das beklagte Land habe bei bestandskräftigen rechtswidrigen Verwaltungsakten zwar ein Ermessen, ob es dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung oder aber dem öffentlichen Interesse an der Bestandskraft von Verwaltungsakten den Vorrang gebe. Hier müssten aber fachliche Besonderheiten des Beamtenversorgungsrechts berücksichtigt werden. So stehe einem Beamten ein Anspruch auf eine gesetzmäßige Versorgung zu. Darauf könne er nicht einmal verzichten. Auch stelle die Festsetzung der Versorgungsbezüge einen Dauerverwaltungsakt dar, der sich womöglich über mehrere Jahrzehnte hinweg monatlich mit der Auszahlung der Bezüge aktualisiere. Schließlich sei das Beamtenverhältnis als gegenseitiges Treueverhältnis angelegt. Das Land verstoße als Dienstherr gegen Treu und Glauben, wenn es an der ursprünglich fehlerhaft festgesetzten Versorgungsregelung auch für die Zukunft festhalte. Dies gelte umso mehr, als der Rechtsverstoß besonders schwer wiege, weil der Versorgungsabschlag mit deutschem Verfassungsrecht und europäischem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar sei.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.05.2009
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Karlsruhe vom 29.05.2009