15.11.2024
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Dokument-Nr. 7934

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Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil27.04.2009

Ruhestands­beamte, die vor dem 31.12.1991 im Beamten­ver­hältnis standen und die teilzeit­be­schäftigt waren, können Neuberechnung ihrer Versor­gungs­bezüge verlangenLand darf nicht an ursprünglich fehlerhaft festgesetzten Versor­gungs­re­gelung festhalten

Ruhestands­beamte, die vor dem 31.12.1991 im Beamten­ver­hältnis standen und teilzeit­be­schäftigt waren und die bei ihrer Zurruhesetzung den Versor­gungs­ab­schlag für teilzeit­be­schäftigte Beamte nicht angefochten hatten, können nachträglich - trotz der Bestandskraft der Festsetzung der Versor­gungs­bezüge - eine Neuberechnung ihrer Versor­gungs­bezüge ohne Versor­gungs­ab­schlag verlangen. Dies hat das Verwal­tungs­gericht Karlsruhe entschieden.

Die Klägerin, eine Lehrerin, war 2003 in den Ruhestand getreten. Bei der Festsetzung ihrer Versorgungsbezüge war ihr Ruhegehalt um einen Versorgungsabschlag für teilzeit­be­schäftigte Beamte in Höhe von etwa 240 EUR monatlich gekürzt worden. Ein solcher Versor­gungs­ab­schlag wurde bis vor kurzem bei allen Beamten berücksichtigt, die vor dem 31.12.1991 im Beamten­ver­hältnis standen. Für später in den Dienst getretene Beamte galt dieser Abzug wegen geänderter Grundsätze der Berechnung des Ruhegehalts nicht mehr.

Versor­gungs­ab­schlag für teilzeit­be­schäftigte Beamte verstößt gegen EG-Vertrag

Im Jahr 2003 hatte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschieden, dass ein Versor­gungs­ab­schlag für teilzeit­be­schäftigte Beamte gegen den EG-Vertrag verstoße, in dem der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen garantiert ist. Durch den Versor­gungs­ab­schlag würden Frauen mittelbar diskriminiert, weil sie mehrheitlich in Teilzeit arbeiteten. Aus Gründen der Rechts­si­cherheit hatte der Europäische Gerichtshof die Wirkung seines Urteils allerdings auf Leistungen beschränkt, die nach dem 17.05.1990 geschuldet waren.

Versor­gungs­ab­schlag für Beamte verstößt gegen Verbot der Geschlech­ter­dis­kri­mi­nierung

Im Juni 2008 hatte das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden, dass der Versor­gungs­ab­schlag für Beamte, die vor dem 31.12.1991 im Beamten­ver­hältnis standen, gegen das Verbot der Geschlech­ter­dis­kri­mi­nierung gemäß Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes verstößt. Sachliche, die Ungleich­be­handlung rechtfertigende Gründe gebe es nicht.

Festsetzung des Ruhegehalts wurde von der Klägerin bei Antritt des Ruhestandes nicht angefochten

Diese Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hatte die Klägerin zum Anlass genommen, eine Neuberechnung ihrer Versor­gungs­bezüge für die Zukunft zu beantragen. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung hatte dies für das beklagte Land Baden-Württemberg abgelehnt und entgegnet: Es sei zwar richtig, dass sich der Versor­gungs­ab­schlag für teilzeit­be­schäftigte Beamte als rechtswidrig erwiesen habe. Die Klägerin habe die Festsetzung ihres Ruhegehalts im Jahr 2003 aber nicht angefochten. Würde dem Anliegen der Klägerin nun entsprochen, müsste eine Vielzahl von gleichartigen Verfahren wieder aufgegriffen werden. Dass der Bund als Dienstherr und andere Länder in entsprechenden Fällen die Versor­gungs­bezüge neu berechnen würde, binde das Land Baden-Württemberg nicht.

Beamten steht Anspruch auf rechtmäßige Versorgung zu

Das Verwal­tungs­gericht ist der Rechts­auf­fassung der Klägerin gefolgt. Es führt in den Entschei­dungs­gründen seines Urteils aus: Die Festsetzung der Versor­gungs­bezüge der Klägerin sei unstreitig rechtswidrig. Das beklagte Land habe bei bestands­kräftigen rechtswidrigen Verwal­tungsakten zwar ein Ermessen, ob es dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung oder aber dem öffentlichen Interesse an der Bestandskraft von Verwal­tungsakten den Vorrang gebe. Hier müssten aber fachliche Besonderheiten des Beamten­ver­sor­gungs­rechts berücksichtigt werden. So stehe einem Beamten ein Anspruch auf eine gesetzmäßige Versorgung zu. Darauf könne er nicht einmal verzichten. Auch stelle die Festsetzung der Versor­gungs­bezüge einen Dauer­ver­wal­tungsakt dar, der sich womöglich über mehrere Jahrzehnte hinweg monatlich mit der Auszahlung der Bezüge aktualisiere. Schließlich sei das Beamten­ver­hältnis als gegenseitiges Treueverhältnis angelegt. Das Land verstoße als Dienstherr gegen Treu und Glauben, wenn es an der ursprünglich fehlerhaft festgesetzten Versor­gungs­re­gelung auch für die Zukunft festhalte. Dies gelte umso mehr, als der Rechtsverstoß besonders schwer wiege, weil der Versor­gungs­ab­schlag mit deutschem Verfas­sungsrecht und europäischem Gemein­schaftsrecht nicht vereinbar sei.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Karlsruhe vom 29.05.2009

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