18.10.2024
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Dokument-Nr. 32163

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Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil25.08.2022

Vorab­in­for­mation über Urteils­ver­kündung am Vorabend nur für ausgewählte Journalisten - Pressearbeit des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts verletzt keine Parteienrechte der AfDAfD kann sich nicht auf die Presse- und Rundfunk­freiheit berufen

Wenn das Bundes­ver­fas­sungs­gericht bereits am Vorabend von wichtigen Urteils­ver­kün­dungen einem kleinen berechtigten Kreis von Journalistinnen und Journalisten die Presse­mit­teilung zukommen lässt, dann verletzt es damit keine Rechte der AfD. Dies hat das Verwal­tungs­gericht Karlsruhe entschieden. Die AfD hatte gegen die Pressearbeit des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts geklagt. Ihrer Ansicht nach seien Verfah­rens­be­teiligte, die den Ausgang des Verfahrens erst am Tag der Verkündung erfahren, gegenüber Journalisten im Nachteil.

Für die Klage, mit dessen Hauptantrag die AfD gerichtlich feststellen lassen wollte, dass das Bundes­ver­fas­sungs­gericht durch die vorgezogene Mitteilung und Herausgabe seiner Presseerklärung zur Entscheidung in dem von der AfD geführten Organ­streit­ver­fahren am Vorabend des Verkün­dungs­termins an die Mitglieder des Vereins „Justiz­pres­se­kon­ferenz Karlsruhe e. V.“ verfas­sungs­mäßige Rechte der AfD verletzt habe, sei teilweise schon der Rechtsweg zu den Verwal­tungs­ge­richten nicht eröffnet. Dies gelte für die Durchsetzung von Rechten, die in den Bereich der Tätigkeit des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts als Recht­spre­chungsorgan fielen, wie insbesondere des Rechts auf ein faires Verfahren. Die Verwal­tungs­ge­richte seien nicht berufen, die Entscheidungen höherer Gerichte auf ihre inhaltliche Richtigkeit hin zu überprüfen. Vielmehr seien die sogenannten Prozess­grund­rechte, wozu das Recht auf ein faires Verfahren gehöre, innerhalb des zulässigen Rechtswegs zu verwirklichen. Dies sei für Organ­streit­ver­fahren der Rechtsweg zum Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

AfD ist nicht klagebefugt

Soweit der Rechtsweg zu den Verwal­tungs­ge­richten eröffnet sei, weil das Bundes­ver­fas­sungs­gericht durch die Veröf­fent­lichung von Presse­mit­tei­lungen – vergleichbar mit einer Behörde – auch vollziehende Gewalt ausübe, sei die Klage unzulässig, weil der AfD die Klagebefugnis fehle. Klagebefugt sei nur, wer geltend machen könne, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Die AfD könne sich aber nicht mit Erfolg auf die Verletzung der Presse- und Rundfunk­freiheit aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz berufen, weil sie als politische Partei schon selbst kein Presseorgan sei. Sie stehe auch nicht in einem beruflichen Wettbewerb mit den in der Justiz­pres­se­kon­ferenz zusam­men­ge­schlossenen Presse­ver­tretern, weshalb eine Verletzung des allgemeinen Gleich­be­hand­lungs­grund­satzes aus Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz offensichtlich ausscheide.

AfD kann sich nicht auf das allgemeine Persön­lich­keitsrecht berufen

Darüber hinaus könne sich die AfD als politische Partei nicht auf eine Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts berufen. Sie sei insoweit auch nicht berechtigt, das allgemeine Persön­lich­keitsrecht ihrer Vertreter „stellvertretend“ geltend zu machen; die Vertreter der Partei könnten selbst Klage erheben. Ungeachtet dessen schütze das allgemeine Persön­lich­keitsrecht ohnehin nur vor Äußerungen, die geeignet seien, sich abträglich auf das Bild der AfD in der Öffentlichkeit auszuwirken. Nicht dagegen reiche der Schutz dieses Grundrechts so weit, dass es dem Einzelnen einen Anspruch darauf verleihe, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sehe oder von anderen gesehen werden möchte. Die Kammer habe außerdem nicht erkennen können, dass es zu einer medialen Darstellung der AfD gekommen wäre, die sich in ehrenrühriger Weise abträglich auf ihr Bild in der Öffentlichkeit ausgewirkt hätte.

Soweit die AfD schließlich einen Verstoß gegen § 32 Absatz 1 der Geschäfts­ordnung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts geltend gemacht habe, sei festzustellen, dass diese Vorschrift ihr kein einklagbares subjektives Recht verleihe. Vielmehr handelte es sich, worauf die Kammer bereits in ihrer Eilentscheidung hingewiesen habe (siehe Presse­mit­teilung vom 8. Juni 2020), um reines Binnenrecht, das einzig die Aufgabe habe, das regelgeleitete Funktionieren des Gerichts sicherzustellen.

Die Klage bleibe auch mit ihrem Hilfsantrag ohne Erfolg. Der Hilfsantrag, der auf die gerichtliche Feststellung ziele, dass das Bundes­ver­fas­sungs­gericht die verfas­sungs­mäßigen Rechte der AfD dadurch verletzt habe, ihr nicht zeitgleich mit der entsprechenden Mitteilung an die Mitglieder des Vereins „Justiz­pres­se­kon­ferenz Karlsruhe e. V.“ ebenfalls die Presseerklärung zu überlassen, sei ebenfalls unzulässig. Denn die AfD habe beim Bundes­ver­fas­sungs­gericht schon gar keinen Antrag auf Überlassung der Presse­mit­teilung vor Verkündung des Urteils in dem von ihr angestrengten Organ­streit­ver­fahren gestellt. Im Übrigen sei eine rechtliche Grundlage für den Anspruch auf gleichzeitige Überlassung der Presse­mit­teilung vor der Verkündung nicht ersichtlich und eine Verletzung der Grundrechte der AfD nicht dargelegt.

§ 32 Absatz 1 der Geschäfts­ordnung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts lautet: „Amtliche Informationen über ergangene Entscheidungen bedürfen der Billigung des berich­t­er­stat­tenden Mitglieds des Senats und des oder der Vorsitzenden und dürfen erst veröffentlicht werden, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung den Prozess­be­tei­ligten zugegangen ist.“

Quelle: Verwaltungsgericht Karlsruhe, ra-online (pm/pt)

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