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Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss17.01.2013

Stellen­be­setzung am Bundes­ge­richtshof erneut vorläufig gestopptDem Auswahl­ver­fahren zugrunde gelegte dienstliche Beurteilung des Antragstellers bildet keine taugliche Auswahl­grundlage

Das Verwal­tungs­gericht Karlsruhe hat die beabsichtigte Ernennung einer Richterin am Bundes­ge­richtshof zur Vorsitzenden Richterin am Bundes­ge­richtshof vorläufig gestoppt. Nach Auffassung des Gerichts stellte die dem Auswahl­ver­fahren zugrunde gelegte dienstliche Beurteilung des Antragstellers, der sich ebenfalls auf die frei gewordene Vorsit­zen­den­stelle am Bundes­ge­richtshof beworben hatte, keine taugliche Auswahl­grundlage dar, da die Bewertung offenbar an recht­s­er­heb­lichen Fehlern leidet.

Antragsteller des vorliegenden Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ist ein Richter am Bundes­ge­richtshof, der sich, ebenso wie eine vom Gericht zum Verfahren beigeladene Richterin am Bundes­ge­richtshof, auf eine Mitte letzten Jahres - nach Eintritt des Vorsitzenden des 4. Strafsenats in den Ruhestand - frei gewordene Vorsit­zen­den­stelle an diesem Gericht beworben hatte. Nach Einholung dienstlicher Beurteilungen aller Bewerber beabsichtigte die Bundes­mi­nisterin der Justiz, dem für die Ernennung zuständigen Bundes­prä­si­denten die Ernennung der Beigeladenen zur Vorsitzenden Richterin am Bundes­ge­richtshof vorzuschlagen. Der Antragsteller machte geltend, die über ihn vom Präsidenten des Bundes­ge­richtshofs erstellte dienstliche Beurteilung sei rechts­feh­lerhaft, weshalb auch die Auswahlentscheidung zu Gunsten der Beigeladenen keinen rechtlichen Bestand haben könne. Zur Verhinderung der Ernennung der Beigeladenen sei ihm vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren.

Antragsteller macht Konkur­ren­ten­streit­ver­fahren bereits bei Wiederbesetzung des Vorsitzenden des 2. Strafsenats beim VG Karlsruhe anhängig

Ein gleichartiges so genanntes Konkur­ren­ten­streit­ver­fahren hatte der Antragsteller bereits im Jahr 2011 beim Verwal­tungs­gericht Karlsruhe anhängig gemacht, als es um die Wiederbesetzung der Stelle des Vorsitzenden des 2. Strafsenats ging. Auch damals sollte der Antragsteller nicht zum Zuge kommen. Mit Beschluss vom 24. Oktober 2011 (Az. 4 K 2146/11) hatte die damals zuständige 4. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts auf Antrag des Antragstellers die Stellenbesetzung vorläufig gestoppt. Eine neue Auswah­l­ent­scheidung ist in Bezug auf dieses Auswahlverfahren noch nicht ergangen.

VG untersagt Bundesrepublik Beigeladene zur Vorsitzenden Richterin am Bundes­ge­richtshof zu ernennen

Die für den neuerlichen Eilantrag zuständige 1. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts hat diesem Antrag entsprochen und eine einstweilige Anordnung erlassen, mit welcher der Bundesrepublik Deutschland untersagt wird, die Beigeladene zur Vorsitzenden Richterin am Bundes­ge­richtshof zu ernennen, bevor über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechts­auf­fassung des Gerichts eine neue Auswah­l­ent­scheidung getroffen worden ist.

Beurteilung des Antragstellers zu unbestimmt und widersprüchlich

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die dem Auswahl­ver­fahren zugrunde gelegte dienstliche Beurteilung des Antragstellers vom 31. Mai 2012 keine taugliche Auswahl­grundlage bilde, da sie nach derzeitigem Sach- und Streitstand an recht­s­er­heb­lichen Fehlern leide. So sei diese Beurteilung bereits zu unbestimmt und letztlich widersprüchlich. Der Antragsteller werde darin für das Amt eines Vorsitzenden Richters am Bundes­ge­richtshof "nach wie vor für (noch) sehr gut geeignet" erachtet. Der einschränkende Zusatz "(noch)" sei mit Blick auf die Formulierung "nach wie vor" widersprüchlich; denn in einer nur wenige Monate zurückliegenden Beurteilung, an die die aktuelle Beurteilung im Übrigen anknüpfe, werde dem Antragsteller noch ein unein­ge­schränktes "sehr gut geeignet" bescheinigt.

Geänderte Einschätzung des Präsidenten des Bundes­ge­richtshofs ausschlaggebend für Herabstufung der Bewertung des Antragstellers

Abgesehen davon dürften sowohl die aktuelle Beurteilung als auch die vorherige Beurteilung an erheblichen Defiziten in der Sachver­halt­s­er­mittlung und -darlegung sowie daraus folgend auch ihrer Nachvoll­zieh­barkeit leiden. Noch im Jahr 2010 und so auch bereits im Jahr 2008 sei der Antragsteller im Gesamturteil als "besonders geeignet" (also mit der höchsten Bewertungsstufe) beurteilt worden. Ausschlag­ge­bender Grund für die Herabstufung auf "sehr gut geeignet" sei ausweislich der vom Präsidenten des Bundes­ge­richtshofs in der Beurteilung hierfür gegebenen Begründung allein seine geänderte Einschätzung der für eine erfolgreiche Wahrnehmung des Vorsit­zen­de­namtes erforderlichen persönlichen Eigenschaften des Antragstellers, insbesondere mit Blick auf dessen soziale Kompetenz für einen Senatsvorsitz. Der Antragsteller neige dazu, andere seine intellektuelle Überlegenheit spüren zu lassen, in Einzelfällen auch dadurch, dass er dem Gegenüber schlicht die Kompetenz abspreche. Dies ergebe sich zur Überzeugung des Präsidenten aus der ihm inzwischen mitgeteilten Sichtweise von Senatskollegen des Antragstellers und werde dadurch belegt, dass sich drei der früheren Mitglieder des Senats eine weitere Zusammenarbeit mit dem Antragsteller - zumal als Vorsitzendem - nicht hätten vorstellen können und vom Präsidium auf ihren Wunsch anderen Senaten zugewiesen worden seien.

Erheblich geänderte Einschätzung persönlicher Charak­te­r­ei­gen­schaften des Antragstellers nicht ausreichend nachvollziehbar dargebracht

Nach Auffassung des Verwal­tungs­ge­richts hat der Präsident des Bundes­ge­richtshofs diese gegenüber früheren Bewertungen In Anbetracht dessen, dass dem Antragsteller in seinem Berufsleben zuvor durchgängig eine ausgeprägte und außergewöhnlich hohe soziale Kompetenz im kollegialen Umgang bescheinigt worden sei, bleibe die aktuelle und vorangegangene Beurteilung die für eine solche Verschlech­terung erforderliche eingehende und nachvoll­ziehbare Begründung schuldig, zumal der Präsident des Bundes­ge­richtshofs auch von Stellungnahmen der damaligen Vorsitzenden des Antragstellers aus dem Jahr 2010 diametral abweiche. Es fehle an Darlegung belastbarer Tatsachen, auf deren Grundlage eine solche (nicht auszu­schließende) negative Entwicklung - im vorliegenden Fall quasi aus heiterem Himmel - angenommen werden könnte. Der Präsident des Bundes­ge­richtshofs berufe sich auf von ihm angestellte Ermittlungen durch (vertrauliche) Gespräche und die Einholung von zum Teil schriftlichen Auskünften bei Kolleginnen und Kollegen des Antragstellers. Der genaue Inhalt der erhaltenen mündlichen oder schriftlichen Auskünfte und ihr jeweiliger Urheber seien aber weder in der dienstlichen Beurteilung noch als sonstiger Bestandteil der Personalakte offen gelegt. Dies dürfte nicht ausreichend sein.

Antragstellers hat Anspruch auf rechts­feh­lerfreie Auswah­l­ent­scheidung

Spreche danach nach derzeitigem Erkenntnisstand vieles dafür, dass die dienstliche Beurteilung des Antragstellers keinen Bestand haben werde, sei auch der Ausgang des vorliegenden Beset­zungs­ver­fahrens als offen anzusehen und die begehrte einstweilige Anordnung zur Sicherung des Anspruchs des Antragstellers auf eine rechts­feh­lerfreie Auswah­l­ent­scheidung zu erlassen.

Quelle: Verwaltungsgericht Karlsruhe/ra-online

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