Dokument-Nr. 31063
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Verwaltungsgericht Hannover Beschluss16.11.2021
Schülerin darf "erdnussfreie" Schule weiterhin besuchenLeben und Gesundheit haben Vorrang vor öffentlichen Belang an Einhaltung der Schulbezirke
Weil sie eine hochgradige Erdnussallergie hat, darf eine Schülerin aus Niedersachsen eine eigentlich nicht für sie zuständige Grundschule besuchen. Das Mädchen hat wegen seiner persönlichen Situation Anspruch auf den Besuch einer »erdnussfreien« Grundschule. Das hat das Verwaltungsgericht Hannover entschieden.
Im hier vorliegendem Fall hatten die vertretungsberechtigten Eltern der 2015 geborenen Klägerin geltend gemacht, dass der Kontakt zu kleinsten Mengen an Erdnuss, zu lebensbedrohlichen anaphylaktischen Reaktionen bei Ihrer Tochter führen können. Bei der Grundschule, die sie gerne besuchen wolle, handele es sich um eine, von dem Nuss-Anaphylaxie-Netzwerk e.V. anerkannte, erdnussfreie Schule. Dort seien insbesondere die Lehrkräfte entsprechend für anaphylaktische Notfälle geschult.
Beklagte: Erdnussallergie stellt keine Ausnahmegenehmigung rechtfertigende Besonderheit dar
Die Beklagte lehnte die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ab. Sie trug vor, dass die Erdnussallergie der Klägerin keine eine Ausnahmegenehmigung rechtfertigende Besonderheit darstelle. Es gäbe inzwischen viele Kinder, die unter allergischen Reaktionen leiden würden und Notfallsets bei sich trügen. Zudem seien alle Lehrkräfte an niedersächsischen Schulen für medizinische Notfälle geschult. Der Zusatz "erdnussfreie Schule" stelle schließlich auch keinen Zusatz dar, der der Schule vom Kultusministerium überreicht worden sei.
VG: Besuch der Pflichtschule unzumutbare Härte
Dem Vortrag der Beklagten ist das Gericht nicht gefolgt. Die Klägerin habe einen Anspruch auf die Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung nach § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG). Hiernach könne ausnahmsweise der Besuch einer anderen Schule gestattet werden, wenn der Besuch der zuständigen Schule (Pflichtschule) für die betroffene Schülerin oder den betroffenen Schüler oder deren Familien eine unzumutbare Härte darstelle. Der Besuch der Pflichtschule anstelle der Wunschschule stelle für die Klägerin eine solch unzumutbare Härte dar.
Risiko einer Anaphylaxie an Wunschschule gleich Null
Bei einem Besuch der Wunschschule sei das Risiko einer Anaphylaxie im Verhältnis zu einem Besuch der Pflichtschule praktisch auf Null reduziert, da es sich um eine sogenannte "Erdnussfreie Schule" mit einem entsprechenden erprobten und in der Praxis bewährten Konzept handele. Von Bedeutung sei hierbei nicht, dass es sich um keinen vom Kultusministerium überreichten Zusatz handele. Entscheidend sei die Tatsache, dass an der Schule eine erdnussfreie Umgebung herrsche. Wäge man diesen erheblichen Vorteil für das Leben und die Gesundheit der Klägerin auf der einen Seite mit dem öffentlichen Belang an der Einhaltung der Schulbezirke auf der anderen ab, so habe der öffentliche Belang im konkreten Einzelfall zurückzutreten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.11.2021
Quelle: Verwaltungsgericht Hannover, ra-online (pm/ab)
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