18.10.2024
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Dokument-Nr. 22963

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Verwaltungsgericht Hannover Beschluss26.07.2016

Ehemaliger Richter darf nicht als Rechtsanwalt vor seinem früheren Gericht auftretenAuftreten als Rechtsanwalt vor Gericht führt zur Beein­träch­tigung dienstlicher Interessen

Das Verwal­tungs­gericht Hannover hat entschieden, dass ein ehemaliger Richter für Strafsachen nach seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand nicht in seinem früheren Gericht als Rechtsanwalt auftreten darf, da das Auftreten als Rechtsanwalt vor Gericht zur Beein­träch­tigung dienstlicher Interessen führen könnte.

Der 1954 geborene Antragsteller des zugrunde liegenden Falls war seit 1983 als Richter am Amtsgericht Burgwedel tätig. Er war dort vornehmlich für Strafsachen zuständig. Ende Mai 2015 wurde er auf seinen Antrag in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Nach seiner Zulassung als Rechtsanwalt trat er in einer vor dem Amtsgericht Burgwedel anhängigen Strafsache als Verteidiger auf. Mit Verfügung vom 14. April 2016 untersagte der Präsident des Landgerichts Hannover dem Antragsteller unter Berufung auf §§ 71 DRiG, 41 Satz 2 und 3 BeamtStG i.V.m. § 2 Nds.RiG, vor seinem früheren Dienstgericht als Rechtsanwalt aufzutreten, und zwar rückwirkend ab Beginn seines vorzeitigen Ruhestands für die Dauer von fünf Jahren, d. h. bis zum 31. Mai 2020. Zur Begründung führte der Präsident des Landgerichts aus, dass die Tätigkeit des Antragstellers als Rechtsanwalt im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit als Richter beim Amtsgericht Burgwedel stehe. Ein Auftreten als Rechtsanwalt vor dem Amtsgericht beeinträchtige dienstliche Interessen.

Anwalt verneint Beein­träch­tigung dienstlicher Interessen

Der Antragsteller erhob Klage gegen die Unter­sa­gungs­ver­fügung, über die das Gericht noch nicht entschieden hat. Nachdem der Präsident des Landgerichts Hannover nachträglich die sofortige Vollziehung seines Verbotes angeordnet hatte, hat der Antragsteller zusätzlich um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Nach seiner Auffassung beeinträchtigt eine Anwalt­stä­tigkeit vor seinem früheren Gericht keine dienstlichen Interessen. Er hält die Unter­sa­gungs­ver­fügung auch aus formalen Gründen für rechtswidrig und weist darauf hin, dass in der Vergangenheit im Gerichtsbezirk des Landgerichts viele Richter nach Eintritt in den Ruhestand als Rechtsanwälte tätig geworden seien, ohne dass es in irgendeinem Falle eine Einschränkung der Berufszulassung gegeben habe.

Vermutung des Nutzens kollegialer Kontakte zu noch aktiven Bediensteten der früheren Dienststelle naheliegend

Das Verwal­tungs­gericht Hannover folgte im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Einschätzung des Präsidenten des Landgerichts. Die angegriffene Verfügung und die Anordnung ihrer sofortigen Vollziehung seien in formaler Hinsicht nicht zu beanstanden; insbesondere sei die zunächst unterbliebene Anhörung des Antragstellers in zulässiger Weise nachgeholt worden. In der Sache spreche Überwiegendes dafür, dass durch die Tätigkeit des Antragstellers als Rechtsanwalt vor dem Gericht, an dem er jahrelang tätig gewesen sei, dienstliche Interessen beeinträchtigt werden können. Eine Beein­träch­tigung dienstlicher Interessen liege hier darin, dass das Auftreten des Antragstellers vor dem Gericht seiner früheren richterlichen Dienstausübung geeignet sei, aus Sicht eines Bürgers den Anschein zu erwecken, dass durch die persönlichen Beziehungen des früheren Richters zu aktiven Richtern und nicht­rich­ter­lichen Dienstkräften dieses Gerichts eine dort anhängige Rechtssache in einer nicht sachgerechten Weise gefördert werden könnte. Dabei komme es nur auf die Eignung an, diesen Anschein zu erzeugen. Der Antragsteller sei über 30 Jahre am Amtsgericht Burgwedel tätig und in dieser Zeit fast durchgehend allein für das Straf- und Ordnungs­wid­rig­kei­tenrecht zuständig gewesen. Wenn der Antragsteller sich nun ca. sechs Monate nach seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand als Rechtsanwalt am Sitz seines früheren Dienstgerichts niedergelassen habe, um dort insbesondere in Strafsachen aufzutreten, dann könne bei einem vernünftigen Bürger der Eindruck entstehen, dass der Antragsteller kollegiale Kontakte zu noch aktiven Bediensteten seiner früheren Dienststelle nutze. Dies würde das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der Justiz erschüttern und deshalb dienstliche Interessen beeinträchtigen.

Ehemalige Kollegen könnten in Loyali­täts­konflikt geraten

Außerdem sei nicht auszuschließen, dass sich Mitarbeiter des Amtsgerichts, die viele Jahre mit dem Antragsteller zusam­men­ge­ar­beitet haben, einem Loyali­täts­konflikt ausgesetzt sähen, wenn dieser nun auf Anwaltsseite vor dem Amtsgericht auftrete. Auch aus diesem Grund sei zu besorgen, dass durch die Tätigkeit des Antragstellers dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Bei der Untersagung der Tätigkeit nach § 41 BeamtStG handele es sich im Übrigen um eine sogenannte "gebundene" Entscheidung. Wenn eine Beein­träch­tigung dienstlicher Interessen zu besorgen sei, sei die Beschäftigung zu untersagen. Es komme deshalb nicht darauf an, ob dies in der Verwal­tung­s­praxis des Antragsgegners bisher auch so gehandhabt worden sei.

Quelle: Verwaltungsgericht Hannover/ra-online

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