18.10.2024
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Verwaltungsgericht Hannover Beschluss03.05.2013

Verbots­ver­fügung gegen Versammlung der Partei "Die Rechte" in Weyhe rechtswidrigVersamm­lungs­verbot bei hoher Wahrschein­lichkeit von beabsichtigten Gewalt­tä­tig­keiten gerechtfertigt

Dem Eileintrag der Partei "Die Rechte" ist insoweit stattzugeben, als er sich gegen die von der Gemeinde Weyhe erlassene Verbots­ver­fügung richtet. Für die Annahme einer "kollektiven Unfriedlichkeit" gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Dennoch kann die Versamm­lungs­behörde Beschränkungen hinsichtlich der Versamm­lungszeit oder des Versamm­lungsorts anordnen. Dies hat das Verwal­tungs­gericht Hannover entschieden.

Dem vorzuliegenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Partei „Die Rechte" meldete am 20. April 2013 bei der Gemeinde Weyhe für Samstag, den 11. Mai 2013 von 12.00 bis 19.00 Uhr eine Versammlung nebst Aufzug unter dem Motto „Für die Umbenennung des Bahnhofs­vor­platzes in Daniel-Siefert-Platz" an. Die Versammlung soll mit einer Auftakt­kund­gebung am Bahnhof im Ortsteil Kirchweyhe beginnen und dann als Aufzug über die Straßen Bahnhofstraße, Am Bahndamm und Hauptstraße und zurück zum Bahnhof führen.

Stimmung aufgeheizt und hasserfüllt

Die Gemeinde Weyhe hat die von dem Antragsteller angemeldete Versammlung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verboten. Es sei zu mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit zu erwarten, dass Teilnehmer der Versammlung des Antragstellers oder unbekannte Dritte die Versammlung zur Ausübung von Straftaten nutzten. Bei Perso­nen­kon­trollen im Zusammenhang mit verbotenen Versammlungen am 16. und 17. März seien Waffen und gefährliche Gegenstände sichergestellt worden. In sozialen Netzwerken werde aufgrund des Vorfalls am 9./10. März 2013 offen zur Lynchjustiz und im Gegenzug zu weiteren Angriffen aufgerufen. Die Stimmung sei aufgeheizt und hasserfüllt. Der Bürgermeister habe zahllose anonyme Hassmails erhalten, die vorwiegend dem rechten Spektrum zuzurechnen seien. Der Antragsteller habe sich von den Gewaltaufrufen zu keinem Zeitpunkt distanziert.

Beschränkung der Versammlung ausgeschlossen

Berücksichtigt werden müsse auch, dass die Mutter des zu Tode gekommenen Jugendlichen keine Umbenennung des Bahnhofsplatzes in den Namen ihres Sohnes wünsche. Eine örtliche Beschränkung der Versammlung sei ausgeschlossen, weil der Bahnhofs­vorplatz als Versammlungsort bereits durch eine Mahnwache beansprucht werde, die aufgrund der früheren Anmeldung Vorrang genieße. Ein anderer Versammlungsort scheide aus, weil nicht gewährleistet werden könne, dass die Teilnehmer der Versammlung des Antragstellers vom Bahnhof als Anreiseort sicher dorthin geleitet werden könnten. Die Gefah­ren­prognose gelte im Übrigen für jede vergleichbare Versamm­lungs­stätte im Gemeindegebiet gleichermaßen.

Der Antragsteller hält die Verbotsverfügung für rechtswidrig. Ein unfriedlicher Verlauf der Versammlung sei nicht zu erwarten.

Versamm­lungs­verbot nicht gerechtfertigt

Das Gericht sieht die Voraussetzungen für den Erlass einer Verbots­ver­fügung, die sich aus § 8 Abs. 2 und 3 des Nds. Versamm­lungs­ge­setzes ergeben, als nicht gegeben an. Die Anordnung eines Versamm­lungs­verbotes sei nicht zu beanstanden, wenn die Prognose mit hoher Wahrschein­lichkeit ergebe, dass der Veranstalter und sein Anhang Gewalt­tä­tig­keiten beabsichtigen oder ein solches Verhalten anderer zumindest billigen werden. Eine solche Demonstration wird als unfriedlich von der Gewährleistung des Art. 8 GG überhaupt nicht erfasst. Sei dagegen „kollektive Unfriedlichkeit" nicht zu befürchten, müsse für die friedlichen Teilnehmer der Schutz der Versamm­lungs­­freiheit auch dann erhalten bleiben, wenn einzelne andere Demonstranten oder eine Minderheit Ausschreitungen begehen.

Fehlende Anhaltspunkte für "kollektive Unfriedlichkeit"

Für die Annahme einer solchen „kollektiven Unfriedlichkeit" gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Soweit die Antragsgegnerin diese Annahme auf die anonymen Aufrufe im Internet stütze, fehle es schon an hinreichenden Anhaltspunkten, dass die Urheber dieser Äußerungen überhaupt an der Veranstaltung teilnehmen wollten.

Gefahr von Gewalt­be­reit­schaft rechtfertigt Versamm­lungs­verbot nicht

Die auf der vom Antragsteller verantworteten Internetseite veröf­fent­lichten Einträge und die am letzten Wochenende durchgeführten Perso­nen­kon­trollen gäben zwar Anlass zur Besorgnis, dass Teilnehmer der Versammlung gewaltbereit seien. Diese Gefahr rechtfertige jedoch nicht das Verbot der Versammlung, weil ihr durch mildere Mittel Rechnung getragen werden könne. Komme der Versamm­lungs­leiter seiner Pflicht, auf einen friedlichen Verlauf der Versammlung hinzuwirken, nicht nach, könne die Polizei Maßnahmen bis hin zur Auflösung der Versammlung ergreifen.

Einschreitung gegen Versammlung nur unter Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes

Auch die von der Antragsgegnerin erwarteten Störungen durch Teilnehmer der Mahnwache seien keine Grundlage für ein Verbot der Versammlung. Der Staat sei durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gehalten, die Grund­rechts­ausübung möglichst vor Störungen und Ausschreitungen Dritter zu schützen und behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten, um die Durchführung der Versammlung zu ermöglichen. Gegen die Versammlung selbst dürfe in solchen Fällen nur ausnahmsweise, und zwar nur unter den besonderen Voraussetzungen des so genannten polizeilichen Notstandes eingeschritten werden. Diese Voraussetzungen lägen schon deswegen nicht vor, weil die Polizei selbst davon ausgehe, zumindest bei einer Strecken­ver­legung der vom Antragsteller angezeigten Versammlung gewalttätige Ausein­an­der­set­zungen verhindern zu können.

Zeitliche und örtliche Vorgaben gegenüber beiden Versammlungen

Auch die zeitliche und örtliche Überschneidung mit den anderen Veranstaltungen rechtfertige kein Verbot. Die Versammlungsbehörde müsse diese Kollision durch einen schonenden Ausgleich der wider­strei­tenden Interessen auflösen, indem gegenüber beiden Versammlungen zeitliche und örtliche Vorgaben erlassen würden.

Fehlender erforderlicher Anordnungsgrund

Mit seinem Begehren, der Versamm­lungs­behörde zu untersagen, Beschränkungen hinsichtlich der Versamm­lungszeit oder des Versamm­lungsortes zu verfügen, könne der Antragsteller schon deswegen keinen Erfolg haben, weil es am erforderlichen Anordnungsgrund fehle. Die Gemeinde Weyhe habe zugesagt, eine beschränkende Verfügung so rechtzeitig zu erlassen und dem Antragsteller zu übermitteln, dass dieser die Gelegenheit habe, vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

Quelle: Verwaltungsgericht Hannover/ra-online

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