03.12.2024
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Dokument-Nr. 30078

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Beschluss26.03.2021Verwaltungsgericht Göttingen4 B 48/21
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Verwaltungsgericht Göttingen Beschluss26.03.2021

Verwal­tungs­gericht gibt Antrag auf Höherstufung bei der Impfpri­o­ri­sierung teilweise stattAntragsteller hat keinen Anspruch auf sofortige Impfung aber auf Höherstufung bei der Impfpri­o­ri­sierung

Das Verwal­tungs­gericht Göttingen hat mit Beschluss vom 26.3.2021 einem Antrag teilweise stattgegeben, mit dem ein schwerkranker Antragsteller eine sofortige Impfung gegen das Covidvirus erreichen wollte

Der Antragsteller leidet ausweislich vorgelegter ärztlicher Atteste an forts­chrei­tendem Muskelschwund (Muskel­dys­trophie), einer Muskelschwäche sowie einer schweren Atemin­suf­fizienz. Die Folge davon ist eine fortge­schrittene Lähmung aller vier Extremitäten. Es besteht die Notwendigkeit einer die Spontanatmung unterstützenden künstlichen Beatmung mittels Atemmaske. Zudem benötigt der Antragsteller aufgrund eines schwachen Hustenstoßes einen Husten-Assistenten zur Reinigung der Atemwege. Aus ärztlicher Sicht besteht ein signifikant erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krank­heits­verlauf im Falle einer Infektion mit dem Coronavirus aufgrund der Grunderkrankung. Zudem ist der Antragsteller pflegebedürftig und auf den Kontakt mit Pflegekräften angewiesen ist, wobei es ihm aus gesund­heit­lichen Gründen nicht möglich ist, eine Mund-Nasen-Bedeckung zum Eigenschutz zu tragen. Der Antragsteller kann sich demnach gerade nicht durch die Absonderung von anderen Personen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus selbst schützen. Mit diesem Krankheitsbild gehört der Antragsteller zur Impfgruppe mit hoher Priorität nach der Coronaimpf­ver­ordnung, nicht zur höchsten. Mit seinem bei Gericht gestellten einstweiligen Rechts­schutz­antrag wollte der Antragsteller die Verpflichtung des Nds. Sozial­mi­nis­teriums erreichen, ihn sofort zu impfen bzw. eine solche Impfung sicherzustellen.

Kein Anspruch auf sofortige Impfung

Den auf sofortige Impfung gerichteten Antrag hat das Gericht mangels Anspruchs­grundlage abgelehnt. Es hat dem Antragsteller jedoch einen Anspruch darauf zuerkannt, bei der Vergabe eines Impftermins gleich­be­rechtigt mit den Personen der höchsten Priorität (z.B. über 80-Jährige und bestimmtes medizinisches Personal) berücksichtigt zu werden. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen auf die Regelung abgestellt, die der Impfpriorisierung zugrunde liegt. Dies ist § 20 i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB V, Gesetz über die Gesetzliche Kranken­ver­si­cherung. Danach wird das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­terium ermächtigt zu bestimmen, dass Versicherte Anspruch auf bestimmte Schutzimpfungen oder auf bestimmte andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe haben, im Fall einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus insbesondere dann, wenn sie aufgrund ihres Alters oder Gesund­heits­zu­standes ein signifikant erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krank­heits­verlauf haben, wenn sie solche Personen behandeln, betreuen oder pflegen oder wenn sie in zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge und für die Aufrecht­er­haltung zentraler staatlicher Funktionen eine Schlüs­sel­stellung besitzen.

Gleichsetzung mit höchster Kategorie bei schwerer Grunderkrankung

Die ausnahmslose Zuordnung der Krankheitsfälle, die einen schweren oder tödlichen Krank­heits­verlauf erwarten ließen zu der Impfgruppe mit hoher Priorität verstoße in diesem Einzelfall gegen die gesetz­ge­be­rische Wertung in § 20 i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a) SGB V. Jedenfalls wenn, wie im vorliegenden Fall, die Vorerkrankung so schwer sei, dass bei der Person ein sehr hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krank­heits­verlauf im Fall einer Infektion mit dem Coronavirus bestehe, z.B. weil die Erkrankung besonders weit fortgeschritten ist und die erkrankte Person zudem auf Pflege angewiesen ist, dann müsse eine Gleich­be­handlung mit den über 80-Jährigen erfolgen. Dies erfordere auch die staatliche Fürsorgepflicht nach Art. 2 GG. Sie schließe es aus, in der Impfreihenfolge diejenigen, die aufgrund individueller Umstände ganz konkret am wahrschein­lichsten mit dem Tod bedroht sind, hinter Personen einzuordnen, für die das nur aufgrund abstrakter Annahmen wie beispielsweise ein hohes Alter gelte.

Quelle: Verwaltungsgericht Göttingen, ra-online (pm/aw)

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