03.12.2024
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Dokument-Nr. 33213

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Urteil20.07.2023Verwaltungsgericht Göttingen4 A 150/21, 4 A 151/21 und 4 A 152/21
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Verwaltungsgericht Göttingen Urteil20.07.2023

Keine Erstattung des Corona-Verdien­st­ausfalls für ArbeitgeberKein Entschädigungs­anspruch nach dem Infektions­schutzgesetz

Das Verwal­tungs­gericht Göttingen hat entschieden, dass ein Arbeitgeber, der seinen Beschäftigten eine Verdienst­ausfall­entschädigung aufgrund von Corona-Maßnahmen gezahlt hat, keine Erstattung von den anordnenden Behörden verlangen kann.

Die Klägerin ist Betreiberin eines Krankenhauses und begehrte auf Grundlage des Infek­ti­o­ns­schutz­ge­setzes die Erstattung einer mehreren Beschäftigten gewährten Verdien­st­aus­fa­l­l­ent­schä­digung. Hintergrund war, dass sich die Beschäftigten im Frühjahr 2020 jeweils urlaubsbedingt in Risikogebieten aufgehalten hatten. Sie unterfielen damit der im März.2020 vom Landkreis Northeim erlassenen "Allge­mein­ver­fügung für Reiserückkehrer aus Risikogebieten und besonders von der Ausbereitung des Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 betroffenen Gebieten". Dort war für Reiserückkehrer aus den vorgenannten Gebieten u.a. ein Betre­tungs­verbot für Krankenhäuser geregelt und für die Träger von Krankenhäusern die Verpflichtung, die betreffenden Personen für 14 Tage nicht zu beschäftigen. Dementsprechend begaben sich die betroffenen Beschäftigten nach ihrer Urlaubsrückkehr in häusliche Quarantäne und gingen ihrer Tätigkeit bei der Klägerin nicht nach. Die Klägerin zahlte den Beschäftigten einen Verdienstausfall, den sie von den zuständigen Behörden ersetzt haben wollte. Insgesamt ging es um eine Summe im niedrigen fünfstelligen Bereich. Sie machte geltend, dass sich das Betre­tungs­verbot für Krankenhäuser bei den betroffenen Beschäftigten wie ein Tätig­keits­verbot ausgewirkt habe. Dies habe einen Anspruch ihrer Beschäftigten auf Verdien­st­ausfall nach dem Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz (§ 56 Abs. 1 IfSG) zur Folge. Da sie (die Klägerin) diesen Verdien­st­ausfall kompensiert habe, habe sie selbst einen Erstat­tungs­an­spruch gegen die Behörde nach dem Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz (§ 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG). Die beklagte Behörde hielt dagegen: Wer aus einem Risikogebiet nach Deutschland einreise, wisse, dass er sich einem erhöhten Anste­ckungs­risiko ausgesetzt habe, dessen zwingende Folge eine Quarantäne/Absonderung sei. Wer dies bewusst in Kauf nehme, habe keinen Anspruch auf Entschädigung nach dem Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz, so dass auch die Klägerin keine Erstattung der von ihr gezahlten Entschädigung verlangen könne.

VG verneint Verdien­st­ausfall

Das VG gelangte zu der Überzeugung, dass den Beschäftigten schon gar kein Verdien­st­ausfall entstanden sei, ohne den auch kein Entschä­di­gungs­an­spruch nach dem Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz bestehen könne. Dies folge aus einer Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 616 BGB), die bestimme, dass Arbeitgeber ohnehin zur Zahlung des Arbeitsentgelts verpflichtet blieben, wenn Beschäftigte ohne Verschulden durch einen in ihrer Person liegenden Grund für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit an der Dienstleistung gehindert seien. Die amtlich angeordnete Absonderung sei personenbedingt und stelle ein subjektives Leistungs­hin­dernis dar. Die Beschäftigten hätten die Verhinderung ihrer Arbeitsleistung nicht zu verschulden, da ihr jeweiliges Reiseziel zum Zeitpunkt des Reiseantritts noch gar nicht als Risikogebiet benannt worden sei. Zudem habe auch nach Ausweisung der Risikogebiete keine Verpflichtung bestanden, dort zu bleiben, so dass allein die Rückkehr nach Deutschland nicht zu einem Verschulden führen könne.

14-tägige Corona-Quarantäne stellt keinen unver­hält­nis­mäßigen Zeitraum dar

Schließlich handele es sich bei insgesamt 15 Arbeitstagen um einen verhältnismäßig nicht erheblichen Zeitraum. Dies gelte jedenfalls dann, wenn ein bereits seit mehreren Jahren bestehendes Arbeits­ver­hältnis vorliege. Eine Abson­de­rungszeit von zwei Wochen erscheine nicht atypisch lang, sondern habe den zum damaligen Zeitpunkt der Anfangsphase der Pandemie vorliegenden wissen­schaft­lichen Erkenntnissen zur Inkubationszeit entsprochen, zumal Testmög­lich­keiten allenfalls rudimentär bestanden hätten. Die im Bürgerlichen Gesetzbuch enthaltene Regelung werde nicht durch das Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz verdrängt, weil dies nicht etwa zum Ziel habe, Arbeitgeber zu entlasten, die aufgrund anderer Vorschriften ohnehin zur Entgelt­fort­zahlung verpflichtet seien. Gegen die Entscheidungen kann innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Nds. Oberver­wal­tungs­gericht in Lüneburg ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden.

Quelle: Verwaltungsgericht Göttingen, ra-online (pm/ab)

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