21.11.2024
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Dokument-Nr. 30591

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Verwaltungsgericht Göttingen Beschluss22.07.2021

Verwal­tungs­gericht verpflichtet Landkreis zum Nachweis eines Kinder­gar­ten­platzesVG Göttingen setzt konkreten Betreu­ungs­an­spruch auf werktäglich 6 Stunden

Das Verwal­tungs­gericht Göttingen hat den Landkreis Göttingen verpflichtet, einem dreijährigen Kind aus der Gemeinde Staufenberg ab sofort einen wohnortnahen sechsstündigen Betreuungsplatz in einer Kindertages­einrichtung nachzuweisen.

Die Eltern hatten ihr Kind im Dezember 2020 für einen Kinder­gar­tenplatz in der Gemeinde Staufenberg angemeldet. Weil es deutlich mehr Anmeldungen als Plätze gab, erteilte ihnen keine der Tages­ein­rich­tungen eine Zusage. In der Folgezeit bemühten sich die Eltern vergeblich gegenüber dem Landkreis und der Gemeinde um einen Betreuungsplatz. Daraufhin suchten sie bei Gericht um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Ziel nach, der Landkreis möge ihrem Kind einen Kinder­gar­tenplatz verschaffen.

Wegstrecke zur Tages­ein­richtung von über 30 Minuten unzumutbar

Im Gerichts­ver­fahren bot der Landkreis dem Kind einen Betreuungsplatz in den Gemeinden Niemetal und Rosdorf an. Beide Plätze sah das Gericht als ungeeignet an, um den Anspruch des Kindes auf Förderung in einer Tages­ein­richtung zu erfüllen. Zur Begründung führte das Gericht aus: Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, habe bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tages­ein­richtung. Der Anspruch sei auf einen bedarfs­ge­rechten Ganztagsplatz gerichtet (§ 24 SGB VIII). Diesen Anspruch erfüllten die angebotenen Plätze nicht. Beide seien unzumutbar weit vom Wohnsitz der Familie entfernt, da die Wegstrecke mit dem privaten Pkw mindestens 35 Minuten pro Weg betrage. Welche Entfernung zwischen Wohnort und Kindertagesstätte zumutbar sei, hänge von den Besonderheiten des Einzelfalls ab. Eine längere Wegestrecke als 30 Minuten sei aber grundsätzlich - und auch hier - unzumutbar.

Betreu­ungs­an­spruch von mindestens sechs Stunden

Zum Betreu­ungs­umfangs hat das Gericht - soweit ersichtlich bundesweit erstmalig - festgestellt, dass dieser nicht nur bei werktäglich mindestens vier Stunden (Halbtagsplatz), sondern bei mindestens sechs Stunden (Dreivier­tel­tagsplatz) liege. Eine halbtägige Betreuung im Umfang von mindestens vier Stunden, wie sie landesrechtlich im KiTaG geregelt sei, sei nicht ausreichend, um den bundesrechtlich begründeten Anspruch zu erfüllen. Denn Tages­ein­rich­tungen sollten den Eltern dabei helfen, Erwer­b­s­tä­tigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können. Dieser Funktion werde ein Halbtagsplatz nicht gerecht. Andererseits bestehe kein Anspruch auf einen Ganztagsplatz (acht oder neun Stunden), weil der Bundes­ge­setzgeber für die Ganztags­be­treuung eine bloß objektiv-rechtliche Hinwir­kungs­pflicht formuliert habe.

Jugend­hil­fe­träger muss ausreichende Zahl von Betreu­ungs­plätzen selbst schaffen oder durch geeignete Dritte bereitzustellen

Der Anspruch auf Nachweis des Kinder­gar­ten­platzes richte sich gegen den Landkreis Göttingen als örtlich zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Die von ihm mit seinen Gemeinden geschlossene öffentlich-rechtliche Vereinbarung, wonach die Gemeinden den Rechtsanspruch auf Förderung sicherstellten, ändere an der Leistungs­ver­pflichtung des Landkreises im Außenverhältnis zu den Kindern nichts. Ob die vorhandenen Kapazitäten erschöpft seien, spiele keine Rolle. Denn der Jugend­hil­fe­träger sei dazu verpflichtet, eine ausreichende Zahl von Betreu­ungs­plätzen selbst zu schaffen oder durch geeignete Dritte bereitzustellen. Um eine Klärung in einem Haupt­sa­che­ver­fahren zu ermöglichen, hat das Gericht die Antragstellerin verpflichtet, eine entsprechende Klage zu erheben.

Quelle: Verwaltungsgericht Göttingen, ra-online (pm/aw)

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