Verwaltungsgericht Gießen Urteil29.09.2010
VG Gießen: Auch Straftaten ohne Bezug zum Straßenverkehr können Erteilung eines Busführerscheins entgegenstehenGericht zweifelt an erforderlicher besonderer Zuverlässigkeit im Hinblick auf das Vertrauensverhältnis zu Fahrgästen
Einem ehemaligen Häftling kann die Erteilung eines Busführerscheins verwehrt werden. Eignungsbedenken können sich auch aus Straftaten, die nicht im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder der Fahrgastbeförderung stehen, ergeben. Dies entschied das Verwaltungsgericht Gießen.
Im zugrunde liegenden Fall wurde dem Kläger, dessen lebenslange Freiheitsstrafe nach 16 Jahren Haft zur Bewährung ausgesetzt worden war, die begehrte Fahrerlaubnis vom Landrat des Landkreises Marburg Biedenkopf trotz eines positiven medizinisch-psychologischen Eignungsgutachtens verwehrt. Die Behörde war der Ansicht, dass der Kläger der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen nicht gerecht werde.
Eignungsbedenken können sich auch aus Straftaten ohne Zusammenhang mit Straßenverkehr oder Fahrgastbeförderung ergeben
Auch das Verwaltungsgericht Gießen kam nun zu diesem Ergebnis. Die besondere Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen erfordere, dass der Bewerber um die Fahrerlaubnis die Gewähr biete, die besonderen Sorgfaltspflichten, die ihm bei der Beförderung ihm anvertrauter Personen obliegen, zu beachten. Die Fahrerlaubnisverordnung verlange eine persönliche Zuverlässigkeit des Fahrers im Hinblick auf das Vertrauensverhältnis zu seinen Fahrgästen, die über die ordnungsgemäße Beförderung der Fahrgäste und deren Bewahrung vor Verkehrsunfällen hinausgehe. Der Bewerber müsse auch die Gewähr für den korrekten Umgang mit diesen Personen und deren Eigentum für die Zeit der Beförderung bieten. Daher könnten sich Eignungsbedenken auch aus Straftaten, insbesondere Vermögensdelikten, ergeben, die nicht im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder der Fahrgastbeförderung stehen.
Straftaten fanden bei positivem medizinisch-psychologischen Eignungsgutachten keine Berücksichtigung
Die Verurteilung des Klägers wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub sei bei der Beurteilung seiner persönlichen Zuverlässigkeit deshalb ebenso zu berücksichtigen, wie die anderen im Bundeszentralregister (noch) eingetragenen Verurteilungen. Auch eine geringfügige nach der Haftentlassung in der Bewährungszeit erfolgte Verurteilung wegen Diebstahls geringwertiger Sachen erlange dabei Bedeutung, auch wenn sie normalerweise und für sich genommen nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen wäre. Da das für den Kläger positive Gutachten diese Verurteilung nicht berücksichtigt habe, sei es im Hinblick auf die erforderliche besondere Zuverlässigkeit nicht aussagekräftig und nicht geeignet diesem zu der begehrten Fahrerlaubnis zu verhelfen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 04.10.2010
Quelle: Verwaltungsgericht Gießen/ra-online