21.11.2024
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Verwaltungsgericht Gießen Urteil01.02.2011

VG Gießen: Besol­dungs­recht­licher Famili­en­zu­schlag in Leben­s­part­ner­schaftenAuch vor Inkrafttreten der Gleichstellung im Land Hessen besteht Anspruch auf Famili­en­zu­schlag

Einer pensionierten, in einer eingetragenen Leben­s­part­ner­schaft lebenden Lehrerin steht auch für den Zeitraum vor dem 1. April 2010 der Famili­en­zu­schlag zu. Dies gebiete die Richtlinie 2000/78/EG zur Gleichstellung und die geänderte Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zur Gleichstellung von Ehe und eingetragener Leben­s­part­ner­schaft. Dies hat das Verwal­tungs­gericht Gießen entschieden.

Seit dem 1. April 2010 hat der hessische Gesetzgeber die eingetragenen Leben­s­part­ner­schaften den ehelichen Lebens­ge­mein­schaften besol­dungs­rechtlich im Hinblick auf den hier streitigen Familienschlag ausdrücklich gleichgestellt.

VG: Anpassung verfas­sungs­rechtlich seit Juli 2009 geboten

Diese Regelung greift aber nach Auffassung des Gerichts zeitlich zu kurz. Europa- und verfas­sungs­rechtlich sei bereits seit Juli 2009 eine Anpassung geboten gewesen. Im Juli 2009 habe nämlich das Bundes­ver­fas­sungs­gericht durch eine Änderung seiner Rechtsprechung der bis dahin anerkannten Rechtfertigung für die Ungleich­be­handlung von verheirateten und in eingetragener Leben­s­part­ner­schaft lebenden Beamten und Beamtinnen bei der Gewährung des Famili­en­zu­schlags der Stufe 1 die Grundlage entzogen.

Unter­schiedliche Behandlung nach Auffassung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts nicht zu rechtfertigen

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht habe im Juli 2009 in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass eine unter­schiedliche Behandlung der beiden Formen des Zusammenlebens mit dem Argument der Betreuung und Erziehung von Kindern und darauf zurück­zu­füh­renden Lücken in der Erwer­bs­bio­grafie nicht mehr zu rechtfertigen sei. Denn nicht in jeder Ehe gebe es Kinder, nicht jede Ehe sei auf Kinder ausgerichtet und eine Rollen­ver­teilung, bei der ein Ehegatte deutlich weniger berufs­o­ri­entiert sei, dürfe nicht unterstellt werden. Vielmehr - so das Bundes­ver­fas­sungs­gericht - entspreche es dem Recht der Ehegatten aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG, über die Art und Weise ihres ehelichen Zusammenlebens in gleich­be­rech­tigter Weise selbst zu entscheiden.

Klägerin hat gemäß geänderter Rechtsprechung Anspruch auf Famili­en­zu­schlag

Diese geänderte Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat nach Auffassung des Verwal­tungs­ge­richts zur Folge, dass seit diesem Zeitpunkt die europa­recht­lichten Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG zur Gleichstellung durch das Land Hessen nicht mehr vollständig umgesetzt seien, so dass bis zur entsprechenden gesetzlichen Neuregelung ab April 2010 die Richtlinie selbst unmittelbare Anwendung finde und der Klägerin den Anspruch auf den Familienzuschlag vermittele.

Vor Juli 2009 keinen Anspruch auf Famili­en­zu­schlag

Für den Zeitraum vor dem Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts im Juli 2009 habe die Klägerin dagegen keinen Anspruch. Denn bis dahin habe das Bundes­ver­fas­sungs­gericht mehrfach festgestellt, dass es rechtfertigende Gründe für eine unter­schiedliche Behandlung von ehelichen und partner­schaft­lichen Lebens­ge­mein­schaften gebe.

Quelle: Verwaltungsgericht Gießen/ra-online

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