Dokument-Nr. 15750
Permalink https://urteile.news/
- Geringwertige "Apotheken-Taler" für rezeptpflichtige Arzneimittel zulässigVerwaltungsgericht Braunschweig, Urteil23.05.2012, 5 A 34/11
- Apotheken-Werbegaben bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln teilweise unzulässigNiedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss08.07.2011, 13 ME 94/11, 13 ME 95/11 und 13 ME 111/11
- BGH: Apotheken-Rabatte und -Zugaben von mehr als einem Euro für preisgebundene Arzneimittel unzulässigBundesgerichtshof, Urteil09.09.2010, I ZR 193/07, I ZR 37/08, I ZR 72/08, I ZR 98/08, I ZR 125/08, I ZR 26/09
Verwaltungsgericht Gießen Urteil29.04.2013
Apotheke darf Kunden bei Rezepteinlösung keine Rabatte auf verschreibungspflichtige Medikamente gewährenGericht rügt Verstoß gegen die Vorschriften der Arzneimittelpreisbindung
Das Berufsgericht für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Gießen hat eine Apothekerin wegen Verstoßes gegen die Vorschriften der Arzneimittelpreisbindung zu einer Geldbuße von 750 Euro verurteilt. Das Gericht hielt die von der Apothekerin für ihre Kunden ausgelobten Vergünstigungen bei Einlösung von Rezepten für unzulässig.
Die beschuldigte Apothekerin des zugrunde liegenden Falls hatte im Zeitraum ab November 2010 Zeitungsannoncen und Flyer im Einzugsbereich ihrer Apotheke geschaltet bzw. in Haushalten verteilen lassen, die folgenden Inhalt aufwiesen:
"easyRezept-Prämie bis 3,00 EUR geschenkt!
Für die Einlösung eines Rezeptes bekommen Sie pro verschreibungspflichtigem Arzneimittel einen 1,00 EURO Einkaufsgutschein geschenkt – sofort einlösbar!
Pro Rezept erhalten Sie für maximal drei Arzneimittel einen Einkaufsgutschein. Einkaufsgutscheine können nur beim Kauf von nicht-rezeptpflichtigen Artikeln eingelöst werden. Eine Barauszahlung des Gutscheinbetrags und eine Auszahlung von Restbeträgen ist nicht möglich."
Vergünstigungen für Kunden dienen Umgehung der strikten Preisbindung für apotheken- bzw. verschreibungspflichtige Arzneimittel
Die Landesapothekerkammer Hessen ist der Auffassung, dass diese Auslobung eine Vergünstigung für Kunden der Apotheke darstelle, die der Umgehung der strikten Preisbindung für apotheken- bzw. verschreibungspflichtige Arzneimittel nach dem Arzneimittelgesetz (§ 78) und der Arzneimittelpreisverordnung (§ 3) dienen soll.
Beschuldigte hält Werbemaßnahmen zur Kundenbindung für rechtlich möglich
Die Beschuldigte meint dem gegenüber, sie habe ihre Apotheke, eine Zweigstelle ihrer Hauptapotheke, damals neu eröffnet und Werbemaßnahmen zur Kundenbindung müssten ihr zur Erreichung eines auskömmlichen Betriebsergebnisses rechtlich möglich sein. Ein Preiswettbewerb unter Apothekern sei im Hinblick auf die im Grundgesetz verankerte Freiheit der Berufsausübung zuzulassen. Ob dies zur Gefährdung der von der Kammer gewünschten Sicherung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Apotheken führe, sei zweifelhaft.
BGH: Geringfügigkeitsschwelle wird bei Auslobung von 1 Euro-Gutscheinen pro Medikament nicht überschritten
Die vorliegende Rechtsfrage stellt sich bundesweit nach zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs auf der Grundlage des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), der in § 3 Abs.1 unlautere geschäftliche Handlungen (nur dann) für unzulässig erklärt, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern "spürbar" zu beeinträchtigen. Es wird teilweise die Auffassung vertreten, im Hinblick auf das Postulat der "Einheit der Rechtsordnung" oder den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müsse diese "Spürbarkeitsschwelle" auch im öffentlichen Recht (z.B. Untersagungsverfügungen) oder im disziplinarähnlichen Berufsrecht (wie vorliegend) zur Anwendung gelangen. Bei der Auslobung von 1 Euro pro Medikament (sowie der Begrenzung auf 3 Euro pro Rezept) sei diese Geringfügigkeitsschwelle nicht überschritten (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil v. 09.09.2010 - I ZR 193/07 u.a.).
Gericht verhängt Geldbuße in Höhe von 750 Euro gegen Apothekerin
Das entscheidende hessische Berufsgericht folgt dieser Auffassung - jedenfalls für die Rechtslage in Hessen - nicht. Daher wurde der Beschuldigten unter Erteilung eines Verweises eine Geldbuße von 750 Euro auferlegt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 30.04.2013
Quelle: Verwaltungsgericht Gießen/ra-online
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil15750
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.