15.11.2024
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Dokument-Nr. 6767

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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Beschluss29.09.2008

Streit um Nachttanzdemo "Deutschland den Schlaf rauben! - die Verhältnisse zum Tanzen bringen!"VG Frankfurt ändert Auflagen für die sog. Nachttanzdemo am 02./03.10.2008

Das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main hat die mit Verfügung der Stadt Frankfurt am Main vom 28.08.2008 angeordneten Auflagen für eine vom ASTA der Fachhochschule Frankfurt am Main am 02./03.10.2008 geplante Veranstaltung teilweise abgeändert.

Nach Anhörung des ASTA der Fachhochschule Frankfurt am Main, Antragsteller, erließ die Oberbür­ger­meisterin der Stadt Frankfurt am Main, Antragsgegnerin, am 28.08.2008 eine Aufla­gen­ver­fügung zu der für den 02./03.10.2008 angemeldeten Veranstaltung: „Deutschland den Schlaf rauben!“ - die Verhältnisse zum Tanzen bringen!“. Die angemeldete Demon­s­tra­ti­o­nsroute wird in Nr. 1 b der Verfügung wie folgt festgelegt: Diesterwegplatz - Elisa­bethen­straße - Mainkai - Untermainkai - Elbestraße (Zwischen­kund­gebung Ecke Kaiserstraße) - Friedrich-Ebert-Anlage - Bockenheimer Landstraße (Abschluss­kund­gebung vor der Univer­si­täts­bi­bliothek). In Nr. 1 c der vorgenannten Verfügung ist das Veran­stal­tungsende auf 1.00 Uhr festgesetzt. Der Antragsteller haben am 23.09.2008 Widerspruch u.a. gegen Nr. 1 b und c der Verfügung eingelegt und gerichtlichen Eilrechtsschutz beantragt. Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entge­gen­ge­treten.

Das Verwal­tungs­gericht Frankfurt am Main hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Verfügung der Antragsgegnerin hinsichtlich Nr. 1 b (Wegstrecke) wieder­her­ge­stellt und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Zur Begründung hat die für das Versamm­lungsrecht zuständige 5. Kammer des Verwal­tungs­ge­richts Frankfurt am Main ausgeführt, dass sich der Antragsteller auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit berufen könne. Zwar sei es nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts nicht ausreichend, wenn bei Gelegenheit einer Musik- und Tanzver­an­staltung auch eine Meinungs­kundgabe erfolge. Abzustellen sei darauf, ob eine Veranstaltung nach ihrem Gesamtgepräge eine Versammlung sei oder ob Spaß-, Tanz- und Unter­hal­tungszweck im Vordergrund stünden. Blieben Zweifel so bewirke der hohe Rang der Versamm­lungs­freiheit, dass die Veranstaltung - wie vorliegend - wie eine Versammlung zu behandeln sei. Hierfür spreche, dass drei Kundgebungen beabsichtigt seien und der Aufruf zu der Veranstaltung auch Elemente enthalte, die auf eine Kundgabe der Meinung mit dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielten. So enthalte der Aufruf kultur­po­li­tische Forderungen und richte sich gegen Nationalismus und Deutschtümmelei.

Veranstalter legt grundsätzlich die Aufzugsroute fest

Die in der Auflage Nr. 1 b festgelegte Route des Aufzugs verletze das sich aus dem Versamm­lungs­grundrecht (Art. 8 GG) ergebende Selbst­be­stim­mungsrecht des Veranstalters über den Ort der Veranstaltung. Hiernach sei es Sache des Veranstalters, die Route eines Aufzuges zu wählen. Eingeschränkt werde dieses Versamm­lungsrecht nur durch kollidierende Rechte Dritter oder gewichtige öffentliche Sicher­heits­belange. Auf solche gewichtigen Gründe könne die Abänderung der beantragten Route aber nicht gestützt werden. Im Streit stehe lediglich der Streckenverlauf nach Überquerung des Mains bis zur Gutleutstraße. Während der Antragsteller über die Kurt-Schumacher-Straße, Battonstraße und die Berliner Straße durch den Theatertunnel marschieren wolle, setzte die Auflage Nr. 1 b die Route über den Mainkai und Untermainkai fest. Die für diese Änderung der Route in der Verfügung genannten Gründe sei es nicht von einem solchen Gewicht, dass dahinter das Selbst­be­stim­mungsrecht des Veranstalters zurücktreten müsse. Soweit Sicher­heits­be­denken geltend gemacht würden, fehle jede nähere Erläuterung, welche konkreten Gefahren gemeint seien und warum sie im Theatertunnel durch die Einsatzkräfte der Polizei nicht beherrschbar sein sollten. Der Tunnel solle nur zügig durchquert werden und sei nach der Renovierung sicher­heits­technisch auf dem neuesten Stand. Befürchtete Sachbe­schä­di­gungen oder Schmierereien an dem frisch­re­no­vierten Tunnel könnten die Auflage nicht rechtfertigen. Es sei bereits nicht ersichtlich, warum der Tunnel gegenüber derartigen Handlungen schutzwürdiger sein solle als andere Gebäude oder Anlagen, die z. B. unter Denkmalschutz stünden und an denen der Aufzug auch vorbeiführe, die Gebäude des Hauptbahnhofes, der Sencken­ber­g­anlage oder der Bockenheimer Warte. Im Übrigen sei der Tunnel videoüberwacht. Berechtigte Lärmbeschwerden der Anwohner der Berliner Straße aus den vergangenen Jahren rechtfertigten ebenfalls keine andere Betrachtung. Die Anwohner der Bereichs Untermainkai seien nicht weniger schutzwürdig. Zudem sei zu berücksichtigen, dass auch am Untermainkai diverse öffentliche Veranstaltungen stattfänden, die die Anwohner in ihrer Nachtruhe störten.

Versammlung muss spätestens um 1.00 Uhr enden

Soweit der Antragsteller die Festsetzung des Endes der Veranstaltung auf 1.00 Uhr in Auflage Nr. 1 c angreife, habe der Antrag keinen Erfolg. Dem Versamm­lungsrecht komme grundsätzlich kein Vorrang vor der schutzwürdigen Nachtruhe der Anwohner zu. Lasse die Antragsgegnerin zugunsten des Antragstellers eine Lautstärke von 70 dB (A) zu, dürfe jedenfalls das Ende dieser erheblichen Störung der Nachtruhe nicht länger als 1.00 Uhr hinausgeschoben werden. Jede weitere Verlagerung dieses Zeitpunkts in die Nacht hinein könne nicht mehr als vertretbarer Ausgleich der betroffenen Grundrechte betrachtet werden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 20/08 des VG Frankfurt am Main vom 29.09.2008

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