21.11.2024
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Verwaltungsgericht Darmstadt Beschluss27.06.2007

Luftsi­cher­heits­gesetz wird dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht zur Prüfung der Verfas­sungs­mä­ßigkeit vorgelegtPiloten wehren sich gegen charakterliche Eignungsprüfung

Das Verwal­tungs­gericht Darmstadt hat zwei anhängige Verwal­tungs­streit­ver­fahren über den Widerruf von Lizenzen von Privat­luft­fahr­zeug­führern ausgesetzt und dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 7 Abs. 1 Nr. 4 Luftsi­cher­heits­gesetz (LuftSiG) i. V. mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Luftver­kehrs­gesetz (LuftVG) verfas­sungsgemäß ist.

Streit­ge­genstand in beiden Ausgangs­ver­fahren ist der Widerruf von erteilten Luftfah­rer­scheinen für Privat­luft­fahr­zeug­führer (PPL) durch das Regie­rungs­prä­sidium Darmstadt. Die Behörde hatte beide Lizenzinhaber aufgefordert, sich einer Zuver­läs­sig­keits­über­prüfung nach dem seit Januar 2005 geltenden LuftSiG zu unterziehen. Diese kamen der Aufforderung nicht nach.

Das Luftsi­cher­heits­gesetz wurde in Folge der Ereignisse vom 11.09.2001 und vom Januar 2003, als ein geistig verwirrter Mensch drohte, einen entführten Motorsegler in Frankfurt am Main zum Absturz zu bringen, erlassen. Es verfolgt nach seinem § 1 den Zweck, vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeu­g­ent­füh­rungen, Sabotageakten und terroristischen Anschlägen zu schützen. Das Gesetz sieht erstmals eine Zuver­läs­sig­keits­über­prüfung aller etwa 45.000 Piloten in Deutschland, die nicht nur Segelflugzeuge oder Heißluftballone steuern, vor. Die Sicher­heits­über­prüfung dient dabei weniger dem Ziel, die fliegerische Eignung festzustellen - dies war schon immer Voraussetzung für eine Privat­luft­fahr­zeug­füh­rer­lizenz -, sondern vor allem der charakterlichen Überprüfung des Betroffenen.

Beide Piloten lehnten eine solche Überprüfung mit der Begründung ab, ihre charakterliche Eignung sei bereits bei der Erteilung ihrer Lizenzen überprüft und positiv festgestellt worden und bedürfe keiner erneuten Überprüfung. Sie wenden sich vor allem gegen die durch das LuftSiG eingeführte ungewöhnlich weit gehende Abfrage von Erkenntnissen über ihre Person bei den Polizeivollzugs- und den Verfas­sungs­schutz­be­hörden der Länder, dem Bundes­kri­mi­nalamt, dem Zollkriminalamt, dem Bundesamt für Verfas­sungs­schutz, dem Bundes­nach­rich­ten­dienst, dem Militärischen Abschirmdienst, bei der Bundes­be­auf­tragten für die Unterlagen des Staats­si­cher­heits­dienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, beim Bundes­zen­tra­l­re­gister, beim Auslän­der­zen­tra­l­re­gister, bei der Auslän­der­behörde, bei den Flugplatz­be­treibern und Luftfahrt­un­ter­nehmen, bei den gegenwärtigen Arbeitgebern der Betroffenen und bei den Straf­ver­fol­gungs­be­hörden.

Beide Kläger rügen, die Überprüfungen erfolgten grundlos und ohne jeden Anlass, da sie sich seit Jahren beanstan­dungsfrei als Luftfahrer betätigt hätten. Das Überprü­fungs­programm verletze den aus dem Rechts­s­taats­prinzip herzuleitenden Verhält­nis­mä­ßig­keits­grundsatz und das Übermaßverbot (Art. 20 Abs. 3 GG), ihr Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) und den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), weil nur Luftfahrer, nicht aber andere potentielle Gefährder - wie etwa Fahrer von Tanklastwagen - einer Zuver­läs­sig­keits­über­prüfung unterlägen. Das LuftSiG sei überdies ungeeignet, sein Ziel zu erreichen, da sich Terroristen von Rechts­vor­schriften nicht abhalten ließen, Anschläge zu verüben und überdies im Luftraum der Bundesrepublik Deutschland jedermann mit einer von einer ausländischen Behörde erteilten Lizenz fliegen könne, ohne dass er einer Sicher­heits­über­prüfung nach dem LuftSiG unterläge und ohne dass deutsche Behörden die Möglichkeit hätten, die Geltung der ausländischen Lizenz für den Bereich des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland zu beschränken. Letztlich rügen die Kläger, dass der Bundesrat dem LuftSiG nicht zugestimmt habe, obwohl Art. 87 d Abs. 2 GG dies verlange.

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat mit Urteil vom 15.02.2006 die sog. Abschus­ser­mäch­tigung (§ 14 Abs. 3 LuftSiG) für verfas­sungs­widrig erklärt. Es befand, dass die Ermächtigung der Streitkräfte, durch unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ein Luftfahrzeug abzuschießen, das gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll, mit dem Recht auf Leben nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG im Verbindung mit der Menschen­wür­de­ga­rantie des Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar sei, soweit davon tatunbeteiligte Menschen an Bord des Luftfahrzeugs betroffen werden. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hatte keine Gelegenheit, die sonstigen Bestimmungen auf ihre Verfas­sungs­mä­ßigkeit zu überprüfen. Ein sog. abstraktes Normen­kon­troll­ver­fahren, das die Länder Bayern und Hessen beim Bundes­ver­fas­sungs­gericht anhängig gemacht haben, ruht derzeit. Die jetzigen Beschlüsse der Verwal­tungs­ge­richts Darmstadt, mit denen ein sog. konkretes Normen­kon­troll­ver­fahren (= aus Anlass eines konkreten Streitfalls) eingeleitet wird, wird Anlass bieten, die Überprüfung der Verfas­sungs­mä­ßigkeit des Gesetzes wieder aufzunehmen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Darmstadt vom 28.06.2007

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