21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss04.05.2010

BVerfG: Luftsi­cher­heits­gesetz bedurfte nicht der Zustimmung des BundesratesGesetz zur Neuregelung von Luftsi­cher­heits­aufgaben beinhaltet keine grundlegende Umgestaltung der übertragenen Aufgaben der Länder

Der Widerruf von Lizenzen von Privat­luft­fahr­zeug­führern wegen Verweigerung einer erforderlichen Zuver­läs­sig­keits­über­prüfung nach dem Luftsi­cher­heits­gesetz ist verfas­sungs­rechtlich zulässig. Das Gesetz zur Neuregelung von Luftsi­cher­heits­aufgaben bedurfte keiner Zustimmung des Bundesrates. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Das Verwal­tungs­gericht Darmstadt hat in zwei Verfahren dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht gesetzliche Regelungen im Wege der Normenkontrolle vorgelegt, die die Überprüfung der Zuverlässigkeit von Luftfahrern betreffen (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 Luftsi­cher­heits­gesetz in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Luftver­kehrs­gesetz). Das Luftsi­cher­heits­gesetz wurde im Januar 2005 als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsi­cher­heits­aufgaben erlassen. Den Vorla­ge­be­schlüssen liegen Klagen von Privatpiloten zugrunde, die sich gegen den Widerruf von Luftfah­rer­scheinen für das Führen von Privat­flug­zeugen und Segelflugzeugen wenden. Die Fluglizenzen waren widerrufen worden, weil die Kläger sich nicht der nach dem Luftsi­cher­heits­gesetz erforderlichen Zuver­läs­sig­keits­über­prüfung unterzogen beziehungsweise die erforderlichen Nachweise nicht erbracht hatten. Das Verwal­tungs­gericht ist der Auffassung, die Regelungen, nach denen die Kläger der Ausgangs­ver­fahren dem Erfordernis einer Zuver­läs­sig­keits­über­prüfung unterliegen, seien verfas­sungs­widrig, weil das Luftsi­cher­heits­gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedurft hätte.

Bestimmungen sind verfas­sungsmäßig

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat entschieden, dass die zur Prüfung gestellten Bestimmungen verfas­sungsmäßig sind.

Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Das Gesetz zur Neuregelung von Luftsi­cher­heits­aufgaben, als dessen Bestandteil das Luftsi­cher­heits­gesetz erlassen wurde, bedurfte nicht der Zustimmung des Bundesrates.

Luftsi­cher­heits­gesetz verpflichtet Länder nicht zur Schaffung neuer Behörden

Eine Zustim­mungs­be­dürf­tigkeit ergibt sich nicht daraus, dass das Gesetz Regelungen zur Einrichtung der Behörden (Art. 85 Abs. 1 Satz 1 GG) enthielte. Das Luftsi­cher­heits­gesetz verwendet zwar den Begriff der Luftsi­cher­heits­be­hörden, verpflichtet die Länder aber nicht zur Schaffung neuer Behörden und berührt auch nicht in sonstiger Weise die Befugnis der Länder zur Organisation ihrer Behörden.

Gesetz war in keiner Weise zustim­mungs­be­dürftig

Das Gesetz war nicht wegen darin enthaltener Regelungen zum Verwal­tungs­ver­fahren zustim­mungs­be­dürftig. Art. 85 Abs. 1 Satz 1 GG begründet nach seinem Wortlaut kein Zustim­mungs­er­for­dernis für Regelungen des Verwal­tungs­ver­fahrens. Das Gesetz bedurfte nicht der Zustimmung gemäß Art. 87d Abs. 2 GG. Nach dieser Vorschrift können Aufgaben der Luftver­kehrs­ver­waltung den Ländern (nur) mit Zustimmung des Bundesrates als Auftrags­ver­waltung übertragen werden.

„Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs“ war Ländern bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes übertragen

Eine gesetzliche Regelung „überträgt“ den Ländern Aufgaben, soweit sie ihnen Aufgaben zuweist, die ihnen zuvor nicht oblagen. Danach kommt es zunächst auf einen Vergleich der den Ländern übertragenen Aufgaben vor und nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsi­cher­heits­aufgaben an. Dieser Vergleich ergibt, dass das Gesetz keine zusätzlichen Aufgaben übertragen hat. Bereits vor seinem Inkrafttreten war den Ländern durch das Luftver­kehrs­gesetz der „Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs“ übertragen. Das Gesetz zur Neuregelung von Luftsi­cher­heits­aufgaben hat den Ländern keine Aufgaben zugewiesen, die aus dem Rahmen dieser bereits früher zugewiesenen Aufgabe fallen.

Zustim­mungs­be­dürf­tigkeit besteht nur bei strukturellen oder schwerwiegenden Veränderungen der übertragenen Aufgaben

Allerdings können auch bloße Veränderungen in der Ausgestaltung einer bereits übertragenen Aufgabe ausnahmsweise der Sache nach eine Übertragung neuer Aufgaben darstellen und daher der Zustimmung bedürfen, wenn sie der übertragenen Aufgabe eine wesentlich andere Bedeutung und Tragweite verleihen. Die bloß quantitative Erhöhung der Aufgabenlast genügt dazu aber grundsätzlich nicht. Sie stellt jedenfalls dann keine wesentliche Veränderung der Bedeutung und Tragweite einer gemäß Art. 87d Abs. 2 GG übertragenen Aufgabe dar, wenn die Wahrnehmung der übertragenen Aufgabe dadurch nicht strukturell oder in anderer Weise schwerwiegend verändert wird. Eine derart grundlegende Umgestaltung der übertragenen Aufgabe ist mit dem Gesetz zur Neuregelung von Luftsi­cher­heits­aufgaben nicht erfolgt.

Keine Zustim­mungs­er­for­dernis bei Rücknahme von Aufgaben

Die Bestimmungen, die es dem Bund ermöglichen, zuvor den Ländern übertragene Aufgaben der Luftsi­cher­heits­be­hörden wieder an sich zu ziehen (§ 16 Abs. 3 Satz 2 und 3 LuftSiG), lösen ebenfalls kein Zustim­mungs­er­for­dernis aus. Sie regeln nicht die nach dem Wortlaut des Art. 87d Abs. 2 GG allein zustim­mungs­be­dürftige Übertragung von Aufgaben an die Länder. Zwingende Gründe, die ein vom Wortlaut abweichendes Verständnis rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. An der besonders gewichtigen Berührung der förderalen Ordnung und des Inter­es­sen­be­reichs der Länder, der die grund­ge­setz­lichen Erfordernisse einer Zustimmung des Bundesrates Rechnung tragen, fehlt es, wenn den Ländern ein Aufgabenbereich entzogen wird, der ihnen nach der primären grund­ge­setz­lichen Aufga­ben­zu­ordnung (vgl. Art. 87d Abs. 1 Satz 1 GG) ohnehin nicht zugewiesen ist.

Normen verstoßen weder gegen Grundrechte noch gegen Rechts­s­taats­prinzip

Die Normen, nach denen die Kläger der Ausgangs­ver­fahren der Zuver­läs­sig­keits­über­prüfung unterliegen, sind auch materiell verfas­sungsgemäß. Sie verstoßen weder gegen Grundrechte noch gegen das Rechts­s­taats­prinzip.

Quelle: ra-online, Bundesverfassungsgericht

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