23.11.2024
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Dokument-Nr. 28655

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Verwaltungsgericht Berlin Beschluss20.04.2020

Abiturientin hat keinen Anspruch auf Verschiebung der Abiturprüfung wegen erschwerter VorbereitungStress und Ängste im Zusammenhang mit einer Prüfung gehören in den Risikobereich des Prüflings

Eine Berliner Schülerin ist vor dem Verwal­tungs­gericht Berlin mit einem Eilantrag gescheitert, mit dem sie die Verschiebung ihrer unmittelbar bevorstehenden schriftlichen Abiturprüfungen wegen pande­mie­be­dingter Stresssituation erreichen wollte.

Im hier vorliegenden Fall ist die Antragstellerin Schülerin und Abiturientin eines Berliner Gymnasiums. Nach dem Willen des Berliner Senats beginnen dort - wie an allen Berliner Schulen - ab dem 20. April 2020 die schriftlichen Abiturprüfungen; die erste schriftliche Prüfung der Antragstellerin ist für den 24. April 2020 angesetzt. Sie lebt mit ihren Eltern und einem Bruder in einer Zweieinhalb-Zimmerwohnung, wo sich alle Famili­en­mit­glieder seit dem 21. März 2020 überwiegend aufhalten.

Abiturientin begehrt Verschiebung der Abiturprüfung wegen schwierigen häuslichen Bedingungen

Die Antragstellerin verfolgt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes das Ziel der Verschiebung der Prüfung unter Berufung auf schwierige häusliche Bedingungen. Ihre Konzen­tra­ti­o­ns­fä­higkeit sei durch die von ihren Familien­an­ge­hörigen ausgehende Geräu­sch­be­lastung erheblich beeinträchtigt, sie habe sich wegen der coronabedingten Ausgangs­be­schrän­kungen nicht mit Mitschülern austauschen können, sie verfüge über keinen eigenen PC und sie habe sich schließlich nicht - wie ursprünglich geplant - in einer Bibliothek auf die Prüfungen vorbereiten können. Unter diesen Umständen habe sie bei ihrer Abiturprüfung gegenüber anderen Prüflingen keine chancengleichen Voraussetzungen.

VG verneint Anspruch auf Verschiebung der Prüfung

Das Verwal­tungs­gericht Berlin hat den Eilantrag zurückgewiesen. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Verschiebung der Prüfungstermine. Sie könne sich für ihr Begehren nicht auf das Berliner Schulgesetz berufen, wonach jede Schule die Verantwortung dafür trage, dass die Schülerinnen und Schüler, unabhängig von ihren Lernaus­gangslagen, an ihrer Schule zu ihrem bestmöglichen Schulabschluss geführt werden. Denn hieraus folgten keine indivi­du­a­l­recht­lichen Ansprüche.

Kein Anspruch auf Nachholung der Prüfung wegen "pande­mie­be­dingte Stress­si­tua­tionen"

Die Antragstellerin habe nach Ansicht des VG Berlin auch nicht glaubhaft gemacht, einen Anspruch auf die Nachholung eines Prüfungsteils zu einem späteren Zeitpunkt auf der Grundlage der Verordnung über die gymnasiale Oberstufe zu haben. Denn dies setze voraus, dass ein Prüfling aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen an der gesamten Prüfung oder an Teilen der schriftlichen oder mündlichen Prüfung nicht teilnehmen könne. Dies sei hier nicht der Fall. Die Antragstellerin könne nicht aus krank­heits­be­dingten Gründen oder sonstigen persönlichen Umständen nicht an der Prüfung teilnehmen. Der bloße Verweis auf die allgemeine "pande­mie­be­dingte Stresssituation" reiche hierfür nicht aus. Stress und Ängste im Zusammenhang mit einer Prüfung gehörten in den Risikobereich des Prüflings, es sei denn, dass sie erkennbar den Grad einer - durch ein ärztliches Attest nachzuweisenden - psychischen Erkrankung erreichten.

Situation der Antragstellerin stellt trotz Schulschließung und Kontakt­be­schrän­kungen keinen besonderen Ausnahmefall dar

Das verfas­sungs­rechtliche Gebot der Chancengleichheit gebiete schließlich nichts anderes, so das VG Berlin. Auch wenn die Vorbereitung auf die Abiturprüfungen im Jahr 2020 wegen der Schul­schlie­ßungen ab dem 17. März 2020 und aufgrund der auch in den Osterferien geltenden Kontakt­be­schrän­kungen unter erschwerten Bedingungen stattgefunden habe, stelle sich die Situation der Antragstellerin nicht als besonderer Ausnahmefall dar. Vielmehr stellten die strengen Regelungen der Länder zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie viele Familien vor schwierige Heraus­for­de­rungen. Allen Schülerinnen und Schülern seien aber seit dem 17. März 2020 Vorbe­rei­tungs­treffen mit Mitschülerinnen und Mitschülern, die Wahrnehmung von Nachhil­fe­stunden und das Lernen außerhalb der häuslichen Umgebung nicht möglich gewesen. Wie auch in anderen Lebensbereichen könnten im Rahmen der Prüfungs­vor­be­reitung unter Geltung der Einschränkungen wegen des Coronavirus jedoch keine identischen Bedingungen gewährleistet werden. Hierzu gehöre auch die Tatsache, dass Schülerinnen und Schüler, die beispielsweise über ein eigenes Zimmer oder einen eigenen Computer verfügen, bessere Bedingungen zur Prüfungs­vor­be­reitung vorfänden als andere. Die Durchführung der Abiturprüfungen 2020 im Land Berlin insgesamt sei schließlich auch dadurch sachlich gerechtfertigt, dass sich die Länder in der Ständigen Konferenz der Kultusminister darauf bundes­ein­heitlich geeinigt hätten. Dies diene damit letztlich gerade der Wahrung der Chancen­gleichheit des diesjährigen Abiturjahrgangs gegenüber anderen Abitur­jahr­gängen.

Quelle: Verwaltungsgericht Berlin, ra-online (pm/ab)

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