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Thüringer Verfassungsgerichtshof Urteil25.09.2018

AfD scheitert mit Normen­kontroll­antrag gegen Absenkung des Wahlalters bei KommunalwahlenAuch Teilnahmerecht ausländischer Unionsbürger an kommunalen Bürgerbegehren und Teilnahmerecht von 14- bis 17-Jährigen und Ausländern an Einwoh­ne­ran­trägen verfas­sungsgemäß

Der Thüringer Verfassungs­gerichts­hof hat entschieden, dass die Absenkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre für Kommunalwahlen nicht gegen die Thüringer Verfassung verstößt. Weiterhin entschied der Verfas­sungs­ge­richthof, dass das Teilnahmerecht ausländischer Unionsbürger an kommunalen Bürgerbegehren und Bürge­r­ent­scheiden sowie das Teilnahmerecht der 14- bis 17-Jährigen und von Ausländern an Einwoh­ne­ran­trägen verfas­sungsgemäß ist.

Das Gericht verwies in seiner Entscheidung darauf, dass das Homoge­ni­tätsgebot des Art. 28 Abs. 1 GG - wonach die verfas­sungs­mäßige Ordnung in den Ländern bestimmten Vorgaben des Grundgesetzes entsprechen müsse - einen Rahmen ziehe, innerhalb dessen es den Ländern freisteht, Regelungen zum Wahlalter zu treffen.

Kommu­ni­ka­ti­o­ns­funktion der Wahl setzt Mindestmaß an Reife und Einsichts­fä­higkeit der Wahlbe­rech­tigten voraus

Eine bestimmte Altersgrenze werde damit nicht vorgegeben. Absenkungen des Mindest­wahl­alters fänden ihre Begrenzung allerdings in der Funktion der Wahlen als zentrale politische Integra­ti­o­ns­vorgänge der Demokratie. Die Kommu­ni­ka­ti­o­ns­funktion der Wahl setze ein Mindestmaß an Reife und Einsichts­fä­higkeit der Wahlbe­rech­tigten voraus und erfordere deshalb auch bei Kommunalwahlen die Regelung eines Mindest­wahl­alters, bei dem in typisierender Weise von einer solchen Reife und Einsichts­fä­higkeit ausgegangen werden könne. Aufgrund des dem Gesetzgeber zukommenden Spielraums beschränke sich die verfas­sungs­ge­richtliche Prüfung lediglich darauf, ob die Grenzen dieses Spielraums überschritten sein, erstrecke sich aber nicht darauf, ob er zweckmäßige oder rechtspolitisch erwünschte Lösungen gefunden habe.

Einsichts­fä­higkeit und Verständnis für Bedeutung von Wahlen bei 16- und 17-Jährigen nicht offenkundig zu verneinen

Bei einer typisierenden Betrachtung habe der Gesetzgeber mit der Absenkung des Wahlalters den ihm zukommenden Beurtei­lungs­spielraum nicht überschritten. Das Vorhandensein politischer Einsichts­fä­higkeit in kommunale Belange und ein Verständnis für die Bedeutung von Wahlen lasse sich bei 16- und 17-Jährigen nicht offenkundig verneinen. Außerdem verstoße es nicht gegen den Grundsatz der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl, dass nur bei volljährigen Wahlbe­rech­tigten der Verlust des Wahlrechts aufgrund der Anordnung der Betreuung zur Besorgung aller Angelegenheiten eintrete. Der Absenkung des Wahlalters stünden schließlich keine Minder­jäh­ri­gen­schutz­vor­schriften entgegen. Die Rechtsordnung kenne keinen auf allen Gebieten des privaten und des öffentlichen Rechts gleich­ge­stalteten Minder­jäh­ri­gen­schutz. Überdies sei nicht ersichtlich, dass die Teilnahme an kommunalen Wahlen das Wohl von 16- und 17-Jährigen gefährden könnte.

Auch Teilnahmerecht ausländischer Unionsbürger an kommunalen Bürgerbegehren und Bürge­r­ent­scheiden verfas­sungsgemäß

Das Teilnahmerecht ausländischer Unionsbürger an kommunalen Bürgerbegehren und Bürge­r­ent­scheiden verstoß nicht gegen Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG. Diese Vorschrift bestimme, dass bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden auch Personen, die die Staats­an­ge­hö­rigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar sind. Durch die Einräumung der Möglichkeit für diese Personen, im Wege von Bürgerbegehren und Bürge­r­ent­scheiden auch über einzelne Sachfragen entscheiden zu können, würden Wertungs­wi­der­sprüche zu ihrem Wahlrecht vermieden.

Teilnahmerecht von Ausländern an Einwoh­ne­ran­trägen nicht zu beanstanden

Das Teilnahmerecht von Ausländern an Einwoh­ne­ran­trägen verstoße nicht gegen das Demokra­tie­prinzip und den Grundsatz der Volks­sou­ve­ränität. Im Unterschied zu Bürgerbegehren und Bürge­r­ent­scheiden sei der Einwohnerantrag nicht mit der Ausübung von Staatsgewalt verbunden. Der erfolgreiche Einwohnerantrag verpflichte den Gemeinderat (bzw. Ortsteilrat, Ortschaftsrat oder Kreistag) lediglich dazu, über die entsprechende gemeindliche Angelegenheit bzw. Kreisan­ge­le­genheit zu beraten und zu entscheiden. Vorgaben über den Inhalt der zu treffenden Entscheidung seien damit nicht verbunden. Mangels Ausübung von Staatsgewalt sei deshalb auch das Teilnahmerecht der 14- bis 17- Jährigen verfas­sungs­rechtlich unbedenklich.

Quelle: Thüringer Verfassungsgerichtshof/ra-online

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