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Dokument-Nr. 16110

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Staatsgerichtshof Bremen Urteil12.04.2013

Normen­kontroll­antrag gegen das Gesetz zur Änderung des Bremischen Hafen­betriebs­gesetzes unzulässigStaats­ge­richtshof Bremen zum landes­ge­setz­lichen Umschlagverbot für Kernbrennstoffe

Der Staats­ge­richtshof Bremen hat den Normen­kontroll­antrag der Abgeordneten der CDU-Fraktion der Bremischen Bürgerschaft gegen das Gesetz zur Änderung des Bremischen Hafen­betriebs­gesetzes als unzulässig zurückgewiesen. Das am 31. Januar 2012 verkündete Landesgesetz schließt den Umschlag von Kernbrenn­stoffen im Sinne des § 2 Abs. 1 des Atomgesetzes über die bremischen Häfen grundsätzlich aus, und zwar, wie es in dem Gesetz heißt, im Interesse einer auf Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien ausgerichteten Gesamt­wirt­schaft.

Die Antragsteller des zugrunde liegenden Falls sind der Ansicht, bei dem Änderungsgesetz handele es sich um eine atomrechtliche Regelung. Für das Atomrecht sei aber nach der Kompe­ten­z­ordnung des Grundgesetzes ausschließlich der Bund zuständig (Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG). Der Landes­ge­setzgeber habe mit dem Änderungsgesetz seine Befugnisse überschritten.

Staats­ge­richtshof weist Normen­kon­trol­lantrag als unzulässig zurück

Der Staats­ge­richtshof hat den Normen­kon­trol­lantrag als unzulässig zurückgewiesen, weil ihm die Prüfkompetenz in Bezug auf die mit dem Normen­kon­trol­lantrag aufgeworfene Frage, ob das Änderungsgesetz gegen die Kompe­ten­z­ordnung des Grundgesetzes und den ungeschriebenen Grundsatz der Bundestreue verstoße, fehle. Der Staats­ge­richtshof messe die Gültigkeit bremischen Landesrechts vielmehr allein an der Bremischen Landes­ver­fassung. In dieser Beschränkung auf die Entscheidung über landes­ver­fas­sungs­rechtliche Fragen komme aus Ausdruck, dass die Verfas­sungsräume von Bund und Ländern nach der föderativen Ordnung des Grundgesetzes prinzipiell selbstständig nebeneinander stünden.

Bestand­teils­wirkung nur für bestimmte Normen des Grundgesetzes anerkannt

Die Vorschriften des Grundgesetzes über die Gesetz­ge­bungs­zu­stän­dig­keiten (Art. 70 ff.) seien nicht ungeschriebener Bestandteil der Landes­ver­fassung. Eine solche Bestand­teils­wirkung sei für bestimmte Normen des Grundgesetzes anerkannt, für die Normen, die die Gesetz­ge­bungs­zu­stän­digkeit von Bund und Ländern abgrenzten, könne sie aber nicht angenommen werden.

Glied­s­taats­klausel nicht als landes­ver­fas­sungs­rechtliche Selbst­ver­pflichtung zu verstehen

Die Landes­ver­fassung habe sich auch nicht mit Art. 64 BremLV, wonach der bremische Staat ein Glied der deutschen Republik sei, gegenüber den bundess­taat­lichen Kompe­tenz­vor­schriften geöffnet. Diese Glied­s­taats­klausel sei nicht als landes­ver­fas­sungs­rechtliche Selbst­ver­pflichtung zu verstehen, die Vorschriften des Grundgesetzes über die Abgrenzung der Gesetz­ge­bungs­zu­stän­dig­keiten kraft Landes­ver­fas­sungs­rechts zu beachten. Weder der Wortlaut noch die systematische Stellung der Norm legten ein solches Verständnis nahe. Die Auslegung von Art. 64 BremLV als Öffnungsnorm hätte überdies äußerst problematische Folgewirkungen, weil nicht klar sei, auf welche der verschiedenen grund­ge­setz­lichen Bestimmungen, die das Verhältnis zwischen Bund und Ländern beträfen, sich die Öffnung beziehe. Außerdem sei nicht ausgeschlossen, dass es zu einer divergierenden Auslegung des Grundgesetzes komme, wenn sowohl Bundes­ver­fas­sungs­gericht als auch Landes­ver­fas­sungs­ge­richte die Einhaltung der bundess­taat­lichen Kompe­ten­z­ordnung kontrollierten.

Bundes­ver­fas­sungs­gericht für Überprüfung von Verstößen zuständig

Der Staats­ge­richtshof hebt in seiner Entscheidung hervor, dass die Vorschriften über die Gesetz­ge­bungs­zu­stän­digkeit in Art. 70 ff. GG selbst­ver­ständlich kraft Bundes­ver­fas­sungs­rechts für die Bundesländer gelten würden und von diesen zu beachten seien. Für eine Überprüfung etwaiger Verstöße gegen diese Regelungen sei aber allein das Bundes­ver­fas­sungs­gericht zuständig.

Die Entscheidung des Staats­ge­richtshofs ist mit vier gegen drei Stimmen ergangen. Die überstimmte Minderheit des Staats­ge­richtshofs hat ihre abweichende Meinung in einem Sondervotum niedergelegt, das dem Urteil beigefügt ist.

Verletzung des Landes­ver­fas­sungs­rechts durch Missachtung der Kompe­ten­z­ordnung

In dem Sondervotum wird ausgeführt, dass der Normen­kon­trol­lantrag zulässig sei. Die Verteilung der Kompetenzen auf dem Gebiet der Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern betreffe ein Kernelement der föderalen Ordnung. Die Bremische Landes­ver­fassung sei gegenüber einer Verletzung dieser Kompe­tenz­re­ge­lungen nicht „neutral“. Mit Art. 64 BremLV bekenne die Landes­ver­fassung sich vielmehr zur Glied­s­taat­lichkeit Bremens. Glied­s­taat­lichkeit bedeute Selbstbindung und -beschränkung. Zu den rechtlichen Bindungen, denen Bremen sich damit unterwerfe, zählten maßgeblich die bundess­taat­lichen Kompe­tenz­re­ge­lungen in Art. 70 ff. GG, die die Gesetz­ge­bungs­be­fugnis des Landes­ge­setz­gebers beschränkten. Wenn der bremische Landes­ge­setzgeber diese Kompe­ten­z­ordnung missachte, verletze er nicht nur Bundes­ver­fassungs-, sondern auch Landes­ver­fas­sungsrecht.

Grundgesetz und Rechtsprechung besitzen maßgebliche Bedeutung für Auslegung der Landes­ver­fassung

Die Verfas­sungsräume von Bund und Ländern stünden nicht beziehungslos nebeneinander. Das Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts besäßen vielmehr eine maßgebliche Bedeutung für die Auslegung der Landes­ver­fassung.

Keine Schwächung der Verfas­sungs­au­tonomie durch Überprüfung durch Landes­ver­fas­sungs­ge­richte

Die Ansicht, dass die Grenzen, die die bundess­taatliche Kompe­ten­z­ordnung den Landes­ge­setz­gebern setze, auch kraft Landes­ver­fas­sungs­rechts zu beachten seien, werde von verschiedenen Landes­ver­fas­sungs­ge­richten geteilt. Diese Landes­ver­fas­sungs­ge­richte nähmen eine Überprüfung vor, ob Landesgesetze diese Kompe­ten­z­ordnung wahrten. Dies habe weder zu einer Schwächung der Verfas­sungs­au­tonomie der betreffenden Bundesländer noch sonst zu Unzuträg­lich­keiten geführt. Auch der Staats­ge­richtshof Bremen sei zu einer solchen Überprüfung verpflichtet.

Unwirksames Gesetz durch Überschreitung der Befugnisse durch bremischen Landes­ge­setzgeber

In dem Sondervotum wird weiter ausgeführt, dass dem Normen­kon­trol­lantrag nach Ansicht der drei überstimmten Richter hätte stattgegeben werden müssen. Mit dem Gesetz zur Änderung des Bremischen Hafen­be­trie­bs­ge­setzes vom 31. Januar 2012 habe der bremische Landes­ge­setzgeber seine Befugnisse überschritten; das Gesetz sei deswegen unwirksam.

Änderungsgesetz verbietet Transport von Kernbrenn­stoffen über die bremischen Häfen

Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG sei für das Atomrecht ausschließlich der Bund zuständig. Die Zuständigkeit erstrecke sich auch auf den Transport von Kernbrenn­stoffen. Das Änderungsgesetz verbiete einen solchen Transport über die bremischen Häfen. Es treffe damit eine atomrechtliche Regelung, für die dem Land die Gesetz­ge­bungs­be­fugnis fehle.

Objektiv bestimmbarer Inhalt der jeweiligen Norm entscheidend

Für die Abgrenzung der Gesetz­ge­bungs­zu­stän­dig­keiten zwischen Bund und Ländern komme es maßgeblich auf den sachlichen Gehalt der in Rede stehenden landes­ge­setz­lichen Vorschrift an. Entscheidend sei nicht die Bezeichnung, die dem Gesetz gegeben werde, sondern der objektiv bestimmbare Inhalt der jeweiligen Norm.

Umschlagverbot für Kernbrennstoffe stellt keine Teilentwidmung dar

Die bloße Bezeichnung als Teilentwidmung ändere deshalb nichts an dem atomrechtlichen Charakter des Umschlagverbots. Ein gezieltes Umschlagverbot für Kernbrennstoffe im Sinne von § 2 Abs. 1 des Atomgesetzes stelle keine Teilentwidmung dar. Vielmehr werde eine landes­ge­setzliche Sonderregelung auf einem Gebiet getroffen, für das der Bund die ausschließliche Gesetz­ge­bungs­zu­stän­digkeit besitze. Das vom Senat der Freien Hansestadt Bremen in Auftrag gegebene Rechtsgutachten, auf das sich das Änderungsgesetz stütze, sei, wie in dem Sondervotum näher dargelegt wird, nicht tragfähig.

Quelle: Staatsgerichtshof Bremen/ra-online

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