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Dokument-Nr. 31656

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Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil30.07.2020

Gemeinsame Nordic-Walking-Tour kann Haftung für Verletzungen begründenStockführender kann sich nicht auf Haftungs­aus­schluss berufen

Gerät bei einer gemeinsamen Nordic Walking Tour der Stock des einen Sporttreibenden zwischen die Beine des anderen und wird dieser dadurch verletzt, so haftet der Stockführende, ohne sich auf einen Haftungs­aus­schluss berufen zu können. Das hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlan­des­ge­richts kürzlich entschieden.

Klägerin ist die Bundesagentur für Arbeit. Sie macht als Trägerin der gesetzlichen Arbeits­lo­sen­ver­si­cherung einen auf sie übergegangenen Schaden­s­er­satz­an­spruch ihrer Versicherten M. geltend. M. betrieb im Dezember 2013 Nordic Walking. Der Beklagte ging neben ihr. Er trat gegen einen seiner Walkingstöcke, der dadurch zwischen die Beine der M. geriet. Diese stürzte und verletzte sich an der Hand. Sie war zunächst arbeitsunfähig krank­ge­schrieben. Im Jahr 2015 kündigte ihr Arbeitgeber das Arbeits­ver­hältnis. Zu diesem Zeitpunkt war sie noch immer arbeitsunfähig. Die Klägerin verlangt nun von dem Beklagten Ersatz für das Arbeits­lo­sengeld, das sie an M. gezahlt hat. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten vor dem Oberlan­des­gericht hatte teilweise Erfolg. Der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlan­des­ge­richts hat zwar ebenfalls entschieden, dass sich der Beklagte grundsätzlich schaden­s­er­satz­pflichtig gemacht hat. Ein Anspruch auf Erstattung des bereits gezahlten Arbeits­lo­sen­geldes steht der Klägerin aber wegen eines überwiegenden Mitverschuldens der M. an der Arbeits­lo­sigkeit nicht zu.

Grundsätzliche Außer­acht­lassung der erforderlichen Sorgfalt

Der Beklagte ist nicht verpflichtet, die von der Klägerin an die Versicherte M. gezahlten Gelder zu erstatten. Zwar hat der Beklagte rechtswidrig und fahrlässig eine Körperverletzung bei der Versicherten M. verursacht, denn er hat die im Verkehr gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen. Beim Nordic Walking handelt es sich um ein schnelles Gehen, bei dem die dazu benutzten Stöcke jeweils hinter dem bewegten Bein gehalten werden. Hält man sich an diese Regel, so kann der Gehende auch nicht versehentlich gegen den eigenen Stock treten. Gerät der Stock dennoch vor die Beine, hat der Walkende ihn nicht richtig eingesetzt.

Kein Haftungs­aus­schluss mangels Inkaufnahme eines Verlet­zungs­risikos

Der Beklagte kann sich auch nicht auf einen Haftungsausschluss berufen. Zwar wissen Personen, die gemeinsam Sport treiben wollen, dass sie den anderen dabei verletzen und auch selbst verletzt werden können. Deshalb gilt der Grundsatz, dass die bewusste Inkaufnahme eines Verlet­zungs­risikos zu einer Haftungs­be­grenzung führt. Bei der Verabredung zum Nordic Walking rechnete aber weder der Beklagte noch die Versicherte M. damit, verletzt zu werden. Eine solche Gefahr ergibt sich auch nicht aus der zum Nordic Walking gehörenden Benutzung der Stöcke. Diese werden nur unterstützend zum Gehen und eng am Körper eingesetzt. Auch die örtlichen Gegebenheiten des Spazierwegs führten nicht zu einer erhöhten Gefahr. Eine Ablenkung durch Gespräche zwischen den Sporttreibenden, durch die Beobachtung der Natur oder eine etwaige Schwächung der Konzentration, ist zwar lebensnah. Dadurch werden die Anforderungen an die eigenen Sorgfalts­pflichten aber nicht gesenkt, sondern vielmehr gesteigert, weil dann eine erhöhte Gefahr für die eigene Sicherheit und die anderer besteht. Die Situation ist anders als bei einem Fußballspiel oder einem Tennisspiel im Doppel, weil sich dort die Gefahr des Körperkontakts nicht vermeiden lässt. Beim gemeinsamen Nordic Walking können die Walkenden jedoch ohne Weiteres den Abstand zwischen sich vergrößern.

Ausschluss wegen Mitverschulden

Besteht danach eine grundsätzliche Haftung des Beklagten, so muss er der Klägerin den Schaden, den sie durch die Zahlungen an die Versicherte M. erlitten hat, dennoch nicht ersetzen. Die Versicherte M. trifft nämlich an der Entstehung des Schadens in Form der Zahlung des Arbeits­lo­sen­geldes ein anspruchs­aus­schlie­ßendes Mitverschulden, weil sie nicht gegen die Kündigung ihres Arbeitgebers vorgegangen ist. Nach dem aktenkundigen Sachverhalt spricht alles dafür, dass ihr Arbeitgeber ihr einen „leidens­ge­rechten“ Arbeitsplatz hätte zuweisen können.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, ra-online (pm/cc)

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