23.11.2024
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Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil29.09.2014

Online-Vertrieb von Gleit­sicht­brillen - Werbung als "hochwertig" und "individuell" zulässigBrillen gefährden bei sachgemäßer Anwendung nicht die Sicherheit und Gesundheit der Anwender

Ein Online-Anbieter von Brillen und Kontaktlinsen darf Gleit­sicht­brillen vermarkten, auch wenn die Brille allein aufgrund von Angaben aus dem Brillenpass hergestellt und nicht individuell beim Optiker angepasst wird. Die Werbung für die Brillen als "hochwertig" und "individuell" ist zulässig. Dies entschied das Schleswig-Holsteinische Oberlan­des­gericht und wies damit die Klage des Zentra­l­ver­bandes der Augenoptiker gegen den Online-Anbieter weitgehend zurück.

Das beklagte Unternehmen des zugrunde liegenden Verfahrens vermarktet über das Internet Brillen, Kontaktlinsen, Zubehör und Pflegemittel. Der Besteller einer Gleitsichtbrille wählt dabei über das Internet die Brillenfassung aus und gibt für die Brillengläser die Daten aus seinem Brillenpass ein, insbesondere die Sehstärke. Nach Erhalt der Brille hat der Kunde die Möglichkeit, die Brille bei Nichtgefallen binnen vier Wochen kostenfrei zurückzugeben. Beworben wurde die Gleit­sicht­brille unter anderem wie folgt: "Hochwertige Gleit­sicht­brillen mit Quali­täts­gläsern" und "individuelle Gleit­sicht­brillen, bestehend aus einer modischen Kunststoff-Fassung und Premium-Gleit­sicht­gläsern in Optiker-Qualität". Der Zentralverband der Augenoptiker klagte daraufhin und wollte vor Gericht ein Verbot der online-Vermarktung der Gleit­sicht­brillen und der Werbung erreichen.

Beklagtes Unternehmen muss Hinweis auf Gefährdungen bei nicht optimal angepassten Gleit­sicht­brillen erteilen

Das Schleswig-Holsteinische Oberlan­des­gericht entschied, dass die Vermarktung der Gleit­sicht­brillen über das Internet und die Werbung zulässig ist. Bei den Gleit­sicht­brillen besteht nicht der begründete Verdacht, dass die Brillen die Sicherheit und Gesundheit ihrer Anwender bei sachgemäßer Anwendung gefährden (§ 4 Medizin­pro­duk­te­gesetz – MPG), auch wenn die Brillen nur auf der Grundlage der Daten aus dem Brillenpass hergestellt und nicht weitere individuelle Parameter des Brillenträgers ermittelt werden. Der klagende Apothe­ker­verband trägt selbst nicht vor, dass durch die Verwendung der streitigen Gleit­sicht­brillen konkrete Gesund­heits­schäden, etwa in Form von Kopfschmerzen, Hals- oder Nackenproblemen aufgetreten sein sollen. Auch wenn die Rückgabequote von 10 bis 12 % ein gewisses Indiz für das Auftreten konkreter Beschwerden sein kann, so sind die Beschwerden dann offenbar jeweils rechtzeitig bemerkt worden. Beschwerden, die so rechtzeitig und deutlich bemerkt werden, dass die Brille zurückgegeben wird, können aber kaum zu einer wirklichen Gefährdung führen. Allerdings muss das beklagte Unternehmen den Hinweis erteilen, dass nicht optimal angepasste Gleit­sicht­brillen bei Benutzung im Straßenverkehr gefährlich sein können, da sie den Überblick über den seitlichen Straßenverkehr beeinträchtigen können.

Gericht verneint Irreführung der Verbraucher

Die Bewerbung der Gleit­sicht­brillen ist nicht irreführend. Die Bezeichnungen der Gleit­sicht­brillen als "hochwertig" und als "Premium" sind nichtssagend und können deshalb auch einen verständigen und informierten Verbraucher nicht täuschen. Die Bezeichnung der Gleit­sicht­brillen als "individuell" ist zutreffend, weil die Brillengläser anders als bei Fertigbrillen immerhin anhand der vom Kunden mitgeteilten individuellen Werte aus dem Brillenpass angefertigt werden. Auch der Hinweis auf "Optikerqualität" ist nicht zu beanstanden. Der Kunde weiß, dass dem beklagten Unternehmen anders als einem Optiker zur Anfertigung der Brille nur die Daten aus dem Brillenpass zur Verfügung stehen und folglich das Gestell mit Gläsern nicht dem Gesicht des Kunden angepasst werden kann. Der aufmerksame Verbraucher wird sich deshalb nur vorstellen, dass die Qualität der vom beklagten Unternehmen erstellten Brillen derjenigen entspricht, die ein Optiker ohne Kundenkontakt, also nur auf Grundlage der Daten des Brillenpasses leisten könnte.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht/ra-online

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