21.11.2024
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Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil11.12.2015

Kieler Verkehrs­gesellschaft darf Mitnahme von E-Scootern in Bussen nicht pauschal verbietenGenerelles Mitnahmeverbot stellt unzulässige Benachteiligung von Menschen mit Behinderung und Verstoß gegen das Allgemeine Gleich­behandlungs­gesetz dar

Das Schleswig-Holsteinische Ober­verwaltungs­gericht hat entschieden, dass die Kieler Verkehrs­gesellschaft nicht unterschiedslos alle E-Scooter von der Beförderung in den Bussen des öffentlichen Perso­nen­nah­verkehrs ausschließen darf. Ein solches generelles Mitnahmeverbot stellt eine unzulässige Benachteiligung von Menschen mit Behinderung dar.

Im zugrunde liegenden Fall klagte der Bundesverband Selbsthilfe Körper­be­hin­derter e.V. im Eilverfahren (einstweiliges Verfü­gungs­ver­fahren) gegen die Kieler Verkehrs­ge­sell­schaft. Die Kieler Verkehrs­ge­sell­schaft hatte im Februar 2015 angekündigt, entgegen ihrer bisherigen Praxis künftig keine E-Scooter mehr in Bussen mitzunehmen. Anlass für diese Regelung war eine Empfehlung des Verbands Deutscher Verkehrs­un­ter­nehmen e.V., die auf eine Studie der Forschungs­ge­sell­schaft STUVA aus dem Mai 2014 zurückging, wonach E-Scooter in bestimmten Fahrsituationen in Bussen kippen oder rutschen können. Als Ausweich­mög­lichkeit bot die Kieler Verkehrs­ge­sell­schaft unter anderem an, dass Nutzer von E-Scootern in der Zeit zwischen 6 und 24 Uhr einen Einzeltransport mit einer Rufzeit von 30 bis 60 Minuten nutzen könnten.

Sachlicher Grund für das pauschales Mitnahmeverbot von E-Scootern liegt nicht vor

Das Schleswig-Holsteinische Oberlan­des­gericht entschied, dass die Kieler Verkehrs­ge­sell­schaft Menschen mit Behinderung in unzulässiger Weise benachteiligt hat, indem sie bei der Beförderung pauschal die Mitnahme aller E-Scooter-Modelle in ihren Bussen untersagt hat. Dies stelle laut Gericht einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleich­be­hand­lungs­gesetz (§ 19 AGG) dar. Ein sachlicher Grund für das pauschale Verbot liege nicht vor, insbesondere würden die vorgetragenen Sicher­heits­be­denken nicht den Beför­de­rungs­aus­schluss von allen E-Scootern rechtfertigen. E-Scooter würden zum großen Teil durch Körper­be­hinderte genutzt. Der Begriff der Behinderung in § 19 AGG erfasse auch eine eingeschränkte Gehfähigkeit, die zur Nutzung eines E-Scooters zwinge, ohne dass es auf einen anerkannten Grad der Behinderung ankomme. Es gäbe kein gesetzliches Verbot des Transports von E-Scootern in Bussen, so das Oberver­wal­tungs­gericht.

Nicht bei jedem E-Scooter-Modell stellt Transport im Bus eine Gefahr dar

Zwar könne eine Ungleich­be­handlung dann gerechtfertigt sein, wenn sie zur Vermeidung von Gefahren oder Verhütung von Schäden diene. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür treffe jedoch die Kieler Verkehrs­ge­sell­schaft als Anbieter der Beför­de­rungs­leistung. Die Kieler Verkehrs­ge­sell­schaft habe nicht glaubhaft gemacht, dass möglichen Gefahren beim Transport von E-Scootern, die durchaus in bestimmten Situationen bestehen könnten, nur durch ein undif­fe­ren­ziertes Verbot begegnet werden könne. Es gibt über 400 Modelle von E-Scootern auf dem Markt. Dabei handele es sich um Modelle mit drei oder vier Rädern mit einer Vielzahl verschiedener Abmessungen und Gewichten. Nicht bei jedem Modell stelle der Transport in einem Bus eine Gefahr dar, der nicht begegnet werden könne. So spreche die abschließende Studie der STUVA aus dem Oktober 2015 gegen ein undif­fe­ren­ziertes Verbot von E-Scootern für den Transport in Bussen. In der Studie ist die Manövrier­fä­higkeit verschiedener E-Scooter in verschiedenen Busmodellen sowie die Standsicherheit von E-Scootern in den für Rollstühle vorgesehenen Mehrzweck­be­reichen in Bussen untersucht worden. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass vierrädrige E-Scooter mit einer Länge von bis zu 1,20 Metern gefahrlos in Bussen mitgenommen werden könnten, wenn sie rückwärts entgegen der Fahrtrichtung längs an die für Rollstühle vorgesehene Prallplatte gestellt werden.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht/ra-online

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