23.11.2024
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Sächsisches Landessozialgericht Beschluss12.02.2014

Sozia­l­hil­fe­träger muss Schwerst­be­hin­dertem die Dauerassistenz für ein Leben in der eigenen Wohnung vorerst bezahlenEigenständige Lebens­ge­staltung außerhalb eines Pflegeheims gerade für junge Menschen von großer Bedeutung

Das Sächsische Landes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass der Kommunale Sozialverband Sachsen (KSV) als überörtlicher Sozia­l­hil­fe­träger einem Schwerst­be­hin­derten eine Dauerassistenz bezahlen muss, die dieser für das Leben in einer eigenen Wohnung benötigt.

Der 27 Jahre alte Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Streitfalls leidet seit seiner Geburt an einer Duchenne-Muskel­dys­trophie, einer schweren Muskel­schwun­der­krankung, die regelmäßig mit einer Lebenserwartung von unter 30 Jahren einhergeht. Körper­be­we­gungen sind ihm mittlerweile nur noch mit dem Kopf und durch leichtes Anheben des gestreckten Fingers möglich. Er arbeitet nach abgeschlossener Ausbildung als Bürokaufmann in einer Werkstatt für behinderte Menschen und wohnte bis dato in einem Pflegeheim.

Sozialgericht lehnt Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Erhalt von Leistungen zur Unterstützung eines selbst­be­stimmten Wohnens ab

Bereits Ende 2012 begehrte er von dem für ihn zuständigen überörtlichen Sozialhilfeträger, dem Kommunale Sozialverband Sachsen (KSV), Leistungen zur Unterstützung eines selbst­be­stimmten Wohnens in einer eigenen Wohnung. Nachdem auch eine Gesamt­plan­kon­ferenz aller Reha-Träger ein Jahr später zu keinem Ergebnis kam, beantragte der Beschwer­de­führer im November 2013 beim Sozialgericht Dresden den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Sozialgericht lehnte dies ab, weil kein Eilbedürfnis bestehe. Nach Auffassung des Gerichts sei der Beschwer­de­führer im Pflegeheim ausreichend versorgt und gegen Gefahren geschützt.

Patienten muss eigenständige Lebensführung ohne stationäre Einrichtung ermöglicht werden

Auf dessen Beschwerde hat das Sächsische Landes­so­zi­al­gericht im Einverständnis der Beteiligten durch Einzelrichter anders entschieden und den KSV verpflichtet, vorläufig längstens für ein Jahr, dem Beschwer­de­führer eine Dauerassistenz zu bezahlen; diese kostet (abzüglich des von der Pflege­ver­si­cherung gezahlten Teils) ca. 10.000 Euro monatlich. Das Landes­so­zi­al­gericht stützte seine Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass § 13 SGB XII den Vorrang ambulanter Leistungen vor stationären Leistungen im Heim vorsehe. Ein Kostenvergleich mit der – hier deutlich preis­güns­tigeren – Unterbringung im Heim sei nach dem Gesetz nur zulässig, wenn eine Unterbringung dort auch unter Berück­sich­tigung persönlicher oder familiärer Gründe zumutbar sei. Hier gäben persönliche Gründe den Ausschlag, da dem Beschwer­de­führer erstmals eine eigenständige Lebensführung ohne den geordneten Tagesablauf einer stationären Einrichtung ermöglicht werden müsse. Eine solche eigenständige Lebens­ge­staltung außerhalb eines eher auf ältere Menschen ausgerichteten Pflegeheims sei gerade für junge Menschen von hohem Gewicht. Der selbst­be­stimmten Lebensführung als Kernbereich des Grundrechts auf Menschenwürde werde gerade im Sozia­l­hil­ferecht überragender Rang eingeräumt. Durch die in § 13 SGB XII angelegte Systematik habe der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass bei solch überragenden Gründen auch beachtliche Mehrkosten in Kauf zu nehmen seien.

Quelle: Sächsisches Landessozialgericht/ra-online

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