21.11.2024
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Sächsisches Landessozialgericht Urteil10.09.2009

ARGE muss Betrie­bs­kos­ten­nach­zahlung für frühere Wohnung eines Hartz IV-Empfängers übernehmenNachzahlung stellt tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung und nicht Mietschulden dar

Eine ARGE ist verpflichtet auch eine Betrie­bs­kos­ten­nach­zahlung für eine von einem ALG II-Empfänger früher bewohnte Wohnung zu übernehmen. Dies entschied das Sächsische Landes­so­zi­al­gericht.

Im zugrunde liegenden Fall bezog die Klägerin seit August 2005 durchgängig Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozial­ge­setzbuch (SGB II). Die ARGE Mittlerer Erzgebirgskreis hatte es abgelehnt, eine im September 2006 fällige Betriebskosten- und Heizmit­tel­nach­for­derung in Höhe von insgesamt 212,30 EUR für 2005 zu übernehmen, die die Klägerin im August 2006 von ihrem früheren Vermieter erhalten hatte. Sie war im Februar 2006 aus jener Wohnung ausgezogen. Die Ablehnung begründete die Arge damit, dass es sich um Schulden aus einem früheren Mietverhältnis handele, die nur unter den – hier nicht gegebenen – Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II übernommen werden könnten. Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht waren erfolglos.

LSG verpflichtet ARGE zur Kostenübernahme

Auf die Berufung hat das Sächsische Landes­so­zi­al­gericht das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz aufgehoben und die beklagte ARGE verpflichtet, der Klägerin weitere Kosten der Unterkunft für September 2006 in Höhe von 212,30 EUR zu bewilligen. In der Sache handele es sich um die Änderung des früheren Bewil­li­gungs­be­scheides zugunsten des Betroffenen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Zehntes Buch Sozial­ge­setzbuch (SGB X) wegen einer nachträglichen wesentlichen Veränderung der Verhältnisse. Bei der Neben- und Heizkos­ten­nach­for­derung handele es sich im Monat der Fälligkeit um tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II und nicht um Mietschulden. Denn Hilfebedürftigkeit bestehe zunächst nur in der mit dem Vermieter vereinbarten Neben­kos­ten­vor­aus­zahlung, die sich als zu gering bemessen herausstellen könne. Mietschulden lägen demgegenüber erst vor, wenn der Mieter auf eine mietrechtliche Verpflichtung trotz Fälligkeit nicht geleistet hat. Ein Anspruch des Vermieters auf Nachzahlung von Betriebs- und Heizkosten hingegen entsteht erst nach endgültiger Abrechnung und wird erst zu diesem Zeitpunkt fällig.

Auszug aus Wohnung ändert nichts an gegenwärtigem Bedarf

Ein gegenwärtiger Bedarf in Form der Nachforderung könne nicht gleichzeitig eine Mietschuld darstellen. Um Schulden i.S.d. § 22 Abs. 5 SGB II handele es sich nur bei Verbind­lich­keiten, die aus der Zeit vor dem Leistungsbezug nach dem SGB II herrührten. Ein gegenwärtiger Bedarf sei auch nicht deswegen zu verneinen, weil die Klägerin im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachzah­lungs­for­derung diese Unterkunft nicht mehr bewohne. Zur Sicherung des Existenz­mi­nimums gehöre es, dass ein Hilfe­be­dürftiger, der durchgängig im Leistungsbezug stand, seinen Verpflichtungen aus dem Mietvertrag nachkam und bei dem die Unterkunfts- und Heizkosten angemessen sind, nicht mit einem Teil dieser Kosten als Schulden zurückgelassen werden dürfe.

Ausnahmeregelung

Etwas anderes könne nur gelten, wenn es sich um Mietschulden aus der Zeit vor dem Leistungsbezug handele, oder wenn im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachforderung, also der Gegenwärtigkeit des Bedarfs beim Leistungs­emp­fänger keine Hilfe­be­dürf­tigkeit mehr vorliegen würde. Das sei hier nicht gegeben gewesen.

Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen

Das Gericht hat die Revision zum Bundes­so­zi­al­gericht zugelassen, weil die Frage, ob Betrie­bs­kos­ten­nach­zah­lungen auch dann zu übernehmen sind, wenn das Mietverhältnis, aus welchem sie herrühren, im Zeitpunkt der Fälligkeit der Betrie­bs­kos­ten­nach­zahlung nicht mehr besteht, der Leistungs­be­rechtigte aber im Zeitpunkt der Fälligkeit bedürftig ist, über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung habe.

Quelle: ra-online, Sächsisches LSG

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