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Sächsisches Landessozialgericht Urteil10.09.2009
ARGE muss Betriebskostennachzahlung für frühere Wohnung eines Hartz IV-Empfängers übernehmenNachzahlung stellt tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung und nicht Mietschulden dar
Eine ARGE ist verpflichtet auch eine Betriebskostennachzahlung für eine von einem ALG II-Empfänger früher bewohnte Wohnung zu übernehmen. Dies entschied das Sächsische Landessozialgericht.
Im zugrunde liegenden Fall bezog die Klägerin seit August 2005 durchgängig Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die ARGE Mittlerer Erzgebirgskreis hatte es abgelehnt, eine im September 2006 fällige Betriebskosten- und Heizmittelnachforderung in Höhe von insgesamt 212,30 EUR für 2005 zu übernehmen, die die Klägerin im August 2006 von ihrem früheren Vermieter erhalten hatte. Sie war im Februar 2006 aus jener Wohnung ausgezogen. Die Ablehnung begründete die Arge damit, dass es sich um Schulden aus einem früheren Mietverhältnis handele, die nur unter den – hier nicht gegebenen – Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II übernommen werden könnten. Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht waren erfolglos.
LSG verpflichtet ARGE zur Kostenübernahme
Auf die Berufung hat das Sächsische Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz aufgehoben und die beklagte ARGE verpflichtet, der Klägerin weitere Kosten der Unterkunft für September 2006 in Höhe von 212,30 EUR zu bewilligen. In der Sache handele es sich um die Änderung des früheren Bewilligungsbescheides zugunsten des Betroffenen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) wegen einer nachträglichen wesentlichen Veränderung der Verhältnisse. Bei der Neben- und Heizkostennachforderung handele es sich im Monat der Fälligkeit um tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II und nicht um Mietschulden. Denn Hilfebedürftigkeit bestehe zunächst nur in der mit dem Vermieter vereinbarten Nebenkostenvorauszahlung, die sich als zu gering bemessen herausstellen könne. Mietschulden lägen demgegenüber erst vor, wenn der Mieter auf eine mietrechtliche Verpflichtung trotz Fälligkeit nicht geleistet hat. Ein Anspruch des Vermieters auf Nachzahlung von Betriebs- und Heizkosten hingegen entsteht erst nach endgültiger Abrechnung und wird erst zu diesem Zeitpunkt fällig.
Auszug aus Wohnung ändert nichts an gegenwärtigem Bedarf
Ein gegenwärtiger Bedarf in Form der Nachforderung könne nicht gleichzeitig eine Mietschuld darstellen. Um Schulden i.S.d. § 22 Abs. 5 SGB II handele es sich nur bei Verbindlichkeiten, die aus der Zeit vor dem Leistungsbezug nach dem SGB II herrührten. Ein gegenwärtiger Bedarf sei auch nicht deswegen zu verneinen, weil die Klägerin im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachzahlungsforderung diese Unterkunft nicht mehr bewohne. Zur Sicherung des Existenzminimums gehöre es, dass ein Hilfebedürftiger, der durchgängig im Leistungsbezug stand, seinen Verpflichtungen aus dem Mietvertrag nachkam und bei dem die Unterkunfts- und Heizkosten angemessen sind, nicht mit einem Teil dieser Kosten als Schulden zurückgelassen werden dürfe.
Ausnahmeregelung
Etwas anderes könne nur gelten, wenn es sich um Mietschulden aus der Zeit vor dem Leistungsbezug handele, oder wenn im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachforderung, also der Gegenwärtigkeit des Bedarfs beim Leistungsempfänger keine Hilfebedürftigkeit mehr vorliegen würde. Das sei hier nicht gegeben gewesen.
Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen
Das Gericht hat die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen, weil die Frage, ob Betriebskostennachzahlungen auch dann zu übernehmen sind, wenn das Mietverhältnis, aus welchem sie herrühren, im Zeitpunkt der Fälligkeit der Betriebskostennachzahlung nicht mehr besteht, der Leistungsberechtigte aber im Zeitpunkt der Fälligkeit bedürftig ist, über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung habe.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.02.2010
Quelle: ra-online, Sächsisches LSG
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