21.11.2024
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Sozialgericht Stuttgart Urteil21.05.2019

Erblindete Versicherte hat Anspruch auf Koste­n­er­stattung für Daisy-PlayerEinsatz des Daisy-Players ist täglicher Lebens­be­tä­tigung im Rahmen der allgemeinen Grund­be­dürfnisse eines Menschen zuzuordnen

Das Sozialgericht Stuttgart hat entschieden, dass eine erblindete Versicherte gegenüber ihrer Kranken­ver­si­cherung einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für einen sogenannten Daisy-Player hat.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Abkürzung Daisy steht für Digital Accessible Information System und bezeichnet einen Standard für navigierbare Multi­me­dia­do­kumente. Mit dem Daisy-Player werden der blinden Klägerin Inhalte und Informationen jeglicher Art zur Verfügung gestellt (Kochbücher, Zeitschriften, Sachbücher, Belletristik, Informationen der Verbände, Lehrbücher etc.), die den Infor­ma­ti­o­ns­bedarf der Klägerin im Rahmen ihrer Lebensführung befriedigen. Dabei handelt es sich um ein Hilfsmittel i. S. v. § 33 SGB V zum mittelbaren Behin­de­rungs­aus­gleich. Dieses ist nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft.

Grundbedürfnis des Menschen umfasst auch selbstständiges Orientieren, Zurechtfinden und Bewegen im eigenen Umfeld

Der Einsatz des Daisy-Players ist nach Auffassung des Sozialgerichts Stuttgart der täglichen Lebens­be­tä­tigung im Rahmen der allgemeinen Grund­be­dürfnisse eines Menschen zuzuordnen. Die Schaffung eines auch geistigen Freiraums, der vom Bundes­so­zi­al­gericht als Grundbedürfnis im Rahmen des § 33 SGB V eingeordnet wurde, umfasse schließlich auch die Fähigkeit, sich selbstständig und möglichst ohne fremde Hilfe im eigenen Umfeld zu orientieren, zurecht zu finden und zu bewegen. Insbesondere könne die Klägerin hier nicht darauf verwiesen werden, sich die Texte von einer anderen Person vorlesen zu lassen oder sie mit Hilfe eines Vorlesesystems zu erfassen. Zu dem Grundbedürfnis der eigenständigen und individuellen Infor­ma­ti­o­ns­be­schaffung gehöre auch die freie Entscheidung darüber, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt zugänglich gemacht werden sollen. Die bei einem Daisy-Player bestehende Möglichkeit, in den Werken zu navigieren, um genau an die Stelle in einem zumutbaren Zeitrahmen zu gelangen, die den Versicherten tatsächlich interessiere, komme den Möglichkeiten eines Sehgesunden bereits recht nah, da dieser ebenfalls schnell in der Lage sei, nach Erfassung eines Inhalts­ver­zeich­nisses eines Werkes mit wenigen Schritten zu der Textstelle zu gelangen, die für ihn von besonderer Bedeutung sei.

Gewisse Informationen werden nur noch im Daisy-System zur Verfügung gestellt

Das bereits vorhandene Vorlesegerät der Klägerin enthalte solche Naviga­ti­o­ns­mög­lich­keiten gerade nicht und verpflichte den Nutzer bis auf einige Ausnahmen, sich den gesamten Text vorlesen zu lassen, um schließlich die wichtigen Passagen, die sich möglicherweise am Ende eines mehrstündigen Werkes befänden, zu erfassen. Außerdem würden gewisse Informationen wie z.B. von Blinden­ver­bänden nur noch im Daisy-System zur Verfügung gestellt, so dass die Klägerin von solchen Informationen völlig ausgeschlossen wäre. Damit habe die Klägerin einen Anspruch auf Versorgung mit dem Daisy-Player aus § 33 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 SGB V.

Quelle: Sozialgericht Stuttgart, ra-online (pm/ab)

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