21.11.2024
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Sozialgericht Heilbronn Urteil31.10.2012

Sturz vom Apfelbaum auf landwirt­schaft­lichem Grundstück der pflege­be­dürftigen Mutter ist als Arbeitsunfall anzuerkennenIm landwirt­schaft­lichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familien­an­ge­hörige sind gesetzlich versichert

Kraft Gesetzes sind Unternehmer eines landwirt­schaft­lichen Unternehmens und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner sowie im landwirt­schaft­lichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitenden Familien­an­ge­hörigen versichert (vgl. § 2 SGB VII). Somit entschied das Sozialgericht Heilbronn zugunsten des Klägers, der für seine im Pflegeheim wohnende Mutter deren Streuobstwiesen bewirtschaftete, sich bei einem Sturz vom Apfelbaum verletzte und diesen Unfall als Arbeitsunfall durchsetzen wollte.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der 59jährige Kläger bewirtschaftete für seine im Pflegeheim wohnende Mutter deren Streuobstwiesen (rund 60 Ar). Er erledigte sämtliche anfallende Arbeiten wie z.B. Mähen und Ernten. Die von ihm gepflückten Äpfel verwertete er zu Saft für den Eigenbedarf. Im Oktober 2009 stürzte er beim Äpfelpflücken vom Baum und brach sich sein rechtes Fersenbein. Anschließend war er rund 8 Monate arbeitsunfähig. Der Landwirt­schaft­lichen Berufs­ge­nos­sen­schaft meldete er den Arbeitsunfall erst im Juli 2010, nachdem sich dauerhafte Unfallfolgen abgezeichnet hatten (noch heute leidet er unter Schmerzen beim Gehen).

Berufs­ge­nos­sen­schaft erkennt Unfall nicht als Arbeitsunfall an

Die Landwirt­schaftliche Berufs­ge­nos­sen­schaft lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Weder sei der Kläger als Unternehmer eines landwirt­schaft­lichen Betriebes versichert gewesen. Insoweit komme es maßgeblich darauf an, dass Grund­s­tücks­ei­gentümer nicht er, sondern seine Mutter sei. Noch habe er im landwirt­schaft­lichen Unternehmen seiner Mutter als Familien­an­ge­höriger mitgearbeitet. Denn er habe die Äpfel für sich selbst verwertet.

Betrie­bs­ge­nos­sen­schaft muss Unfalls als Arbeitsunfall anerkennen

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg: Das Sozialgericht Heilbronn hat die Landwirt­schaftliche Berufs­ge­nos­sen­schaft verpflichtet, den Sturz vom Apfelbaum als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der Kläger sei als Unternehmer eines landwirt­schaft­lichen Unternehmens beim Äpfelpflücken gesetzlich unfall­ver­sichert gewesen. Unternehmer zum Unfallzeitpunkt sei hier nicht die Mutter als Grund­s­tücks­ei­gen­tümerin, sondern deren Sohn gewesen. Zwar habe die Mutter die Beiträge zur Landwirt­schaft­lichen Berufs­ge­nos­sen­schaft entrichtet. Jedoch habe ihr Sohn das unter­neh­me­rische Risiko getragen, weil er die Grundstücke bewirtschaftet und die Apfelernte für sich selbst verwendet habe. Bei den bewirt­schafteten Streuobstwiesen von rund 60 Ar handle es sich auch um keinen Kleingarten (ein solcher werde nicht automatisch von der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung erfasst), sondern um einen landwirt­schaft­lichen Betrieb. Unerheblich sei darüber hinaus, dass der Kläger der Landwirt­schaft­lichen Berufs­ge­nos­sen­schaft den Arbeitsunfall erst ein Dreivierteljahr nach dem Sturz angezeigt habe - also (erst) zu einem Zeitpunkt, als er die dauerhaften gesund­heit­lichen Folgen erkannt habe und ihm der mit der Anzeige eines Arbeitsunfalls einhergehende "Bürokra­tie­aufwand" lohnenswert erschienen sei.

Hinweis zur Rechtslage:

§ 8 Siebtes Buch Sozial­ge­setzbuch [SGB VII]:

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versi­che­rungs­schutz nach § 2 (...) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesund­heits­schaden oder zum Tod führen. (...).

§ 2 SGB VII:

(1) Kraft Gesetzes sind versichert (...) 5. Personen, die (...)

a) Unternehmer eines landwirt­schaft­lichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,

b) im landwirt­schaft­lichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind, (...).

§ 123 SGB VII:

(2) Landwirt­schaftliche Unternehmen (...) sind nicht

1. Haus- und Ziergärten,

2. andere Kleingärten im Sinne des Bundes­klein­gar­ten­ge­setzes (...)

§ 136 SGB VII:

(3) Unternehmer ist

1. derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht, (...).

Die Anerkennung als Arbeitsunfall hat weitreichende Folgen: So hat die zuständige Berufs­ge­nos­sen­schaft dem Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen u.a. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z.B. eine medizinische Rehabi­li­ta­ti­o­ns­maßnahme oder eine Umschulung) zu erbringen, Verletzten-/Übergangsgeld oder eine Verletztenrente zu zahlen.

Quelle: Sozialgericht Heilbronn/ra-online

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