03.12.2024
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Sozialgericht Heilbronn Urteil28.05.2014

Sturz auf einer beruflich veranlassten Tagung ist auch mit knapp zwei Promille Alkohol im Blut als Arbeitsunfall anzusehenRückweg zum Hotelzimmer ist Arbeitsweg und bei Fußgängern auch im alkoholisierten Zustand unfall­ver­sichert

Das Sozialgericht Heilbronn hat entschieden, dass ein nächtlicher Sturz eines Betriebs­rats­mit­glieds während einer Tagung auch dann als Arbeitsunfall anzuerkennen ist, wenn der Gestürzte knapp zwei Promille Alkohol im Blut hatte.

Der 58jährige Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls ist Betriebsrat bei einem internationalen Konzern mit Sitz in der Region Stuttgart. Im April 2010 fand in einem Hotel in Bad Kissingen eine dreitägige Betrie­bs­rä­te­ver­sammlung statt. Diese dauerte am ersten Abend bis gegen 19.30 Uhr. Mit einem Bluta­l­ko­hol­spiegel von 1,99 Promille stürzte der Kläger in der Nacht gegen 1 Uhr im Treppenhaus des Tagungshotels, wo er mit Kopf- und Lungen­ver­let­zungen bewusstlos aufgefunden und gegen 4 Uhr in die Notaufnahme gebracht wurde. Anschließend war er längere Zeit arbeitsunfähig. Noch heute leidet er unter Schmerzen und Konzen­tra­ti­o­ns­s­tö­rungen. Gegenüber seiner Berufsgenossenschaft gab der Kläger an, sich nicht mehr an den Unfallhergang erinnern zu können. Es sei auf der Tagung üblich, auch beim abendlichen geselligen Zusammensein unter Kollegen über betriebliche Belange zu sprechen.

Berufs­ge­nos­sen­schaft verneint Vorliegen eines Arbeitsunfalls

Die Berufs­ge­nos­sen­schaft lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Der Kläger habe sich zum Unfallzeitpunkt in alkoholisiertem Zustand befunden und nicht bewiesen, dass er dabei einer betrieblichen Tätigkeit nachgegangen sei.

Ermittlungen der Berufs­ge­nos­sen­schaft ergaben keinen Anhaltspunkt für konkrete alkoholbedingte Ausfa­l­l­er­schei­nungen

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Sozialgericht Heilbronn hat die Berufs­ge­nos­sen­schaft verpflichtet, den Sturz auf der Tagung als Arbeitsunfall anzuerkennen. So habe der Kläger beim geselligen Beisammensein auch Dienstliches besprochen. Im Übrigen habe sich der Arbeitsunfall auf dem Rückweg zum Hotelzimmer ereignet. Dieser „Arbeitsweg“ sei hier selbst dann unfall­ver­sichert, wenn der Kläger im Hotel nach „Ende des offiziellen Teils“ nur private Gespräche geführt hätte. Denn bei beruflichen Tagungen sei regelmäßig eine klare Trennung zwischen privaten und betrieblichen Belangen nicht möglich. Der Versi­che­rungs­schutz sei auch nicht durch den Alkoholkonsum entfallen. So gebe es bei Fußgängern (anders als bei Autofahrern) keine feste Promillegrenze, ab der von einer absoluten Verkehrs­un­tüch­tigkeit auszugehen sei. Die Ermittlungen der Berufs­ge­nos­sen­schaft hätten hier aber keinen Anhaltspunkt für konkrete alkoholbedingte Ausfa­l­l­er­schei­nungen gezeigt (wie z.B. ein schwankender, torkelnder Schritt). Demnach sei nicht nachgewiesen, dass der Unfall auf der - dem Kläger nicht vertrauten - Hoteltreppe wesentlich auf die Alkoholisierung zurückzuführen ist.

Hinweis zur Rechtslage:

§ 8 Siebtes Buch Sozial­ge­setzbuch [SGB VII]:

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versi­che­rungs­schutz nach § 2 [...] begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesund­heits­schaden oder zum Tod führen. [...].

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch 1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusam­men­hän­genden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit, [...].

Die Anerkennung als Arbeitsunfall hat weitreichende Folgen:

So hat die zuständige Berufs­ge­nos­sen­schaft dem Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen u.a. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z.B. eine medizinische Rehabi­li­ta­ti­o­ns­maßnahme oder eine Umschulung) zu erbringen, Verletzten-/Übergangsgeld oder eine Verletztenrente zu zahlen.

Quelle: Sozialgericht Heilbronn/ra-online

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