15.11.2024
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Dokument-Nr. 6397

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Sozialgericht Dortmund Beschluss28.06.2008

Gericht hat Zweifel an der Altersgrenze für Vertragsärzte - Ist die Grenze alters­dis­kri­mi­nierend und somit europa­rechts­widrig?Sozialgericht Dortmund ruft Europäischen Gerichtshof an

In einem Rechtsstreit über die Höchst­al­ters­grenze für Vertrags­zahnärzte hat das Sozialgericht Dortmund beschlossen, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften um Auslegung des europa­recht­lichen Verbots der Alters­dis­kri­mi­nierung zu bitten.

Nach deutschem Recht endet die Zulassung von Zahnärzten, Ärzten und Psycho­the­ra­peuten zur Teilnahme an der Versorgung von "Kassenpatienten" mit Ablauf des Kalen­der­vier­tel­jahres, in dem der jeweilige Zahnarzt, Arzt oder Psychotherapeut das 68. Lebensjahr vollendet. Eine im April 1939 geborene Zahnärztin aus Hagen, die infolge dieser Regelung ihre Zulassung verloren hat, hält diese Regelung für europa­rechts­widrig.

Europäisches Recht verbietet eine Alters­dis­kri­mi­nierung, ohne dass eine Rechtfertigung dafür vorliegt

Das europäische Recht verbietet zwar eine Altersdiskriminierung, lässt eine Ungleichbehandlung aber zu, wenn diese erforderlich und angemessen ist, um legitime beschäf­ti­gungs­po­li­tische, soziale, demografische und ähnliche Ziele zu erreichen. So kann eine Höchst­al­ters­grenze, z.B. im Interesse der Vertei­lungs­ge­rech­tigkeit zwischen den Generationen, zulässig sein, wenn nicht genügend Arbeitsplätze vorhanden sind. Anders als bei Ärzten und Psycho­the­ra­peuten hält das Gericht entsprechende gesell­schafts­po­li­tische Erwägungen zur Höchst­al­ters­grenze bei Vertrags­zahn­ärzten nicht mehr für gerechtfertigt, nachdem in diesem Bereich alle übrigen Zulas­sungs­be­schrän­kungen aufgehoben worden sind, weil der Gesetzgeber insoweit keinen Bedarf mehr sieht.

Eine Rechtfertigung für Alters­dis­kri­mi­nierung kann darin liegen, dass das Leistungs­vermögen mit zunehmendem Alter nachlässt

Die Höchst­al­ters­grenze für Vertrags­zahnärzte ließe sich deshalb nur noch unter dem Gesichtspunkt rechtfertigen, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung das Leistungs­vermögen mit zunehmendem Alter nachlässt und von einer eingeschränkten Leistungs­fä­higkeit Gefahren für die Patienten ausgehen. Mit dieser Begründung hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht die Höchst­al­ters­grenze als verfas­sungsgemäß angesehen, mangels Zuständigkeit aber keine europa­rechtliche Überprüfung vorgenommen.

Sozialgericht ruft den Europäischen Gerichtshof an

Vor diesem Hintergrund hat sich das Sozialgericht an den Europäischen Gerichtshof gewandt, der für die Auslegung europa­recht­licher Vorschriften zuständig ist und den die nationalen Gerichte in Zweifelsfällen anrufen können. Es bittet insbesondere um Klärung, ob das europäische Verbot der Alters­dis­kri­mi­nierung die Annahme einer auf allgemeine Lebenserfahrung gestützten Einschränkung der Leistungs­fä­higkeit als Rechtfertigung einer Höchst­al­ters­grenze ausschließt.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des SG Dortmund vom 21.07.2008

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