21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.
ergänzende Informationen

Sozialgericht Detmold Urteil11.01.2011

SG Detmold: Grund­si­che­rungs­träger muss Kosten für die Beschaffung einer Gleit­sicht­brille übernehmenGleit­sicht­brille stellt Sonderbedarf nach dem SGB II dar

Die Kosten für die Beschaffung einer Gleit­sicht­brille eines Beziehers von Leistungen nach dem SGB II sind als unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger Mehrbedarf vom zuständigen Grund­si­che­rungs­träger zu übernehmen. Dies entschied das Sozialgericht Detmold.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls bezieht Leistungen nach dem Sozial­ge­setzbuch Zweites Buch (SGB II). Im Februar 2010 beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten für eine neue Gleitsichtbrille. Der Grund­si­che­rungs­träger lehnt die Kostenübernahme jedoch ab.

Daraufhin klagte der Mann und gab an, dass er ohne eine neue Brille zur Verrichtung vieler alltäglicher Tätigkeiten nicht mehr in der Lage sei. Er könne nur noch mit einer Lupe lesen, und die Behandlung seiner Diabe­te­s­er­krankung durch notwendige Insulingaben könne er selbst nicht länger sicherstellen. Er sei augenblicklich nicht in der Lage, die beim Spritzen von Insulin erforderliche Medika­men­tendosis verlässlich zu ermitteln. Er sei sowohl kurz- als auch weitsichtig und deshalb auf eine Gleit­sicht­brille angewiesen.

Grund­si­che­rungs­träger muss Gleit­sicht­brille bezahlen

Das Sozialgericht Detmold gab dem Mann Recht. Die Kosten für die Beschaffung einer Gleit­sicht­brille sind als unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger Mehrbedarf vom Grund­si­che­rungs­träger zu übernehmen. Dies folgt für die Zeit vor dem 3. Juni 2010 unmittelbar aus der Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 9. Februar 2010.

Grund­si­che­rungs­träger darf Kosten für Anschaffung der Sehhilfe nicht wegen anderem erheblichen gesund­heit­lichen Bedarfs bei Regelleistung einsparen

Die vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht geforderte atypische Bedarfslage erklärt sich hier aus der besonderen Lebenssituation des an Diabetes mellitus erkrankten Leistungs­emp­fängers. Dieser kann sein durch das Grundgesetz garantiertes Existenzminimum durch die pauschaliert erbrachten Leistungen nach dem SGB II nicht mehr sicherstellen. Er kann insbesondere die Kosten für die Anschaffung der Sehhilfe wegen des bereits gesund­heits­bedingt erheblichen Bedarfs nicht aus der Regelleistung an oder einsparen. Betrachtet man den atypischen Bedarf nur nach Gegenständen getrennt, so könnte es sein, dass überhaupt kein Mehrbedarf im Sinne des Urteils des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts entstünde, wenn jeder Einzelposten nur einmal im Bewil­li­gungs­zeitraum benötigt würde. Eine solche Sichtweise wird der Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts nicht gerecht. Der Gesetzgeber sollte hierdurch vielmehr veranlasst werden, dafür Sorge zu tragen, dass in besonderen Härtefällen das Existenzminimum von Menschen, die regelmäßig mehr Leistungen benötigen, als sich aus dem statistischen Mittel ergibt, im untersten Netz der sozialen Absicherung ausreichend aufgefangen werden.

Quelle: Sozialgericht Detmold/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil11444

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI