18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt Urteil15.06.2017

Keine Pflicht des Unfall­ge­schä­digten zur Inanspruchnahme der Voll­kasko­versicherung zwecks Reduzierung von MietwagenkostenKein Verstoß gegen Schadens­minderungs­pflicht bei unterlassener Inanspruchnahme

Ein Unfall­ge­schä­digter ist nicht verpflichtet, zwecks Reduzierung der unfallbedingten Mietwagenkosten seine Voll­kasko­versicherung in Anspruch zu nehmen. Bei unterlassener Inanspruchnahme liegt kein Verstoß gegen die Schadens­minderungs­pflicht vor. Dies hat das Oberlan­des­gericht Sachsen-Anhalt entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall nahm die Geschädigte eines Verkehrsunfalls vom November 2015 die gegnerische Haftpflichtversicherung wegen der Erstattung von Mietwagenkosten in Anspruch. Die Unfall­ge­schädigte hatte für die 65 Tage, die es dauerte bis ihr beschädigtes Fahrzeug repariert wurde, einen Mietwagen genutzt. Sie hatte frühzeitig nach dem Unfall engmaschig und wiederholt Anfragen bzw. Aufforderungen an die gegnerische Haftpflicht­ver­si­cherung gesandt, mit der Bitte um Übernahme der Reparaturkosten. Die Unfall­ge­schädigte war finanziell nicht in der Lage, die Reparaturkosten aus eigener Tasche oder mit Hilfe eines Kredits zu zahlen. Die Anfragen hat die Versicherung abgesehen von dem Hinweis, die Haftungsfrage sei unklar, weil keine Schadensanzeige ihres Versi­che­rungs­nehmers vorliege, unbeantwortet gelassen. Die Haftpflicht­ver­si­cherung warf der Unfall­ge­schä­digten nunmehr einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vor. Sie hätte ihre Vollkas­ko­ver­si­cherung in Anspruch nehmen müssen, um das Fahrzeug schneller reparieren zu können. Die Unfall­ge­schädigte sah dies anders und erhob Klage.

Landgericht wies Klage ab

Das Landgericht Halle wies die Klage ab. Seiner Auffassung nach habe die Klägerin zwecks Ermöglichung eines sofortigen Repara­tur­beginns ihre Vollkas­ko­ver­si­cherung beanspruchen müssen. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein.

Oberlan­des­gericht verneint Verstoß gegen Schadens­min­de­rungs­pflicht

Das Oberlan­des­gericht Sachsen-Anhalt entschied zu Gunsten der Klägerin und hob daher die Entscheidung des Landgerichts auf. Der Klägerin stehe der Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten in voller Höhe zu. Sie habe nicht gegen ihre Schadens­min­de­rungs­pflicht verstoßen, indem sie es unterließ, ihre Vollkas­ko­ver­si­cherung zwecks Reparatur ihres Fahrzeugs in Anspruch zu nehmen. Sinn und Zweck einer Vollkas­ko­ver­si­cherung sei nicht die Entlastung des Schädigers. Vielmehr biete sie für die Fälle Versi­che­rungs­schutz, in denen dem Versi­che­rungs­nehmer ein nicht durch andere zu ersetzender Schaden verbleibe.

Verzögerung der Schadens­re­gu­lierung durch Haftpflicht­ver­si­cherung

Ein Verstoß gegen die Schadens­min­de­rungs­pflicht sei insbesondere im vorliegenden Fall zu verneinen, so das Oberlan­des­gericht, weil die Beklagte völlig passiv geblieben sei und die Klägerin mit der Situation der fortdauernden Schadens­ver­grö­ßerung allein gelassen habe. Es sei in erster Linie Aufgaben des Schädigers bzw. der Beklagten als seine Haftpflicht­ver­si­cherung gewesen, den Zeitraum, in dem das beschädigte Fahrzeuge unfallbedingt nicht zur Verfügung stand, zu begrenzen und damit eine Vergrößerung des Schadens durch Mietwagenkosten zu verhindern.

Quelle: Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt, ra-online (vt/rb)

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil26736

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI