15.11.2024
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Dokument-Nr. 29314

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Entscheidung15.10.2020Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein3 MR 45/20 und 3 MR 43 /20
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Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein Entscheidung15.10.2020

Touristisches Beher­ber­gungs­verbot und Mund-Nasen-Bedeckung in Schulen in Schleswig-Holstein haben weiterhin BestandKeine andere Bewertung wegen abweichender Regelungen anderer Bundesländer

Der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberver­wal­tungs­ge­richts hat durch Beschluss gegen das "Beher­ber­gungs­verbot" der Landesregierung gerichteten Eilantrag als unbegründet abgelehnt

Gestellt wurde der Antrag von einer Familie aus dem Kreis Recklinghausen, die ab morgen auf Sylt Urlaub machen möchte. In Anbetracht der gegebenen Eilbe­dürf­tigkeit beurteilt das OVG die für den Eilantrag maßgeblichen Erfolgs­aus­sichten in der Hauptsache als offen. Insbesondere die Frage nach der Verhält­nis­mä­ßigkeit der Anknüpfung des Beher­ber­gungs­verbots des § 17 Abs. 2 der Corona-Bekämp­fungs­ver­ordnung an die "Sieben-Tage-Inzidenz" von SARSCoV-2-Neuinfektionen bezogen auf 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner lasse sich angesichts der äußerst knappen Frist nicht abschließend beantworten.

Folgenabwägung geht zulasten der antrag­stel­lenden Familie

Die deshalb vorgenommene Folgenabwägung ging zulasten der antrag­stel­lenden Familie aus. Würde der Vollzug der Verordnung jetzt ausgesetzt, könnten Personen aus inländischen Risikogebieten zu touristischen Zwecken unkontrolliert nach Schleswig Holstein kommen, was in Anbetracht der heute veröf­fent­lichten Zahlen über den Anstieg der Neuinfektionen zu relativ umgehenden Gefährdungen für das öffentliche Gesund­heitswesen führen könne, zumal eine Weiter­ver­breitung des Coronavirus oft unentdeckt und schwer kontrollierbar erfolge. Angesichts des bundesweit rasanten Anstiegs der Infektionen sei die Landesregierung nicht gehalten, zuzuwarten, bis sich die Situation in Schleswig-Holstein in ähnlicher Weise entwickele wie in den ausgewiesenen inländischen Risikogebieten. Auch wegen der Erfahrungen mit dem "Lockdown" des vergangenen Frühjahrs sowohl für jeden einzelnen als auch und insbesondere für die Wirtschaft - einschließlich der Beher­ber­gungs­be­triebe - überwiege bei einer Gesamt­be­trachtung das Interesse der Gesamt­be­völ­kerung am Schutz vor einer Weiter­ver­breitung des Coronavirus gegenüber den Interessen der antrag­stel­lenden Familie an einer touristischen Reise.

Nachweis einer negativen Testung zumutbar

Denn sie hätten es in der Hand, durch den Nachweis einer entsprechenden negativen Testung den geplanten Aufenthalt auf Sylt zeitnah zu realisieren. Die vorherige Testung sei ihnen finanziell wie auch im Übrigen zumutbar. Das Erfordernis eines solchen Attestes sei nach vorläufiger Einschätzung ein hinzunehmender Eingriff in die geltend gemachten Grundrechte.

Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Unterricht hat Bestand

Des Weiteren wurde entschieden, dass die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Unterricht, auf dem Gelände von Schulen und bei schulischen Veranstaltungen außerhalb des Schulgeländes nach der Schulen-Corona­ver­ordnung des Bildungs­mi­nis­teriums vom 6. Oktober 2020 (Az. 3 MR 43 /20) vorerst Bestand hat. Nach den angegriffenen Regelungen besteht eine Ausnahme von der Maskenpflicht im Unterrichtsraum nur im Falle von Prüfungen und Vorträgen, wenn ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten werden kann. Entsprechendes gilt in der Mensa und auf dem Schulhof sowie bei schulischen Veranstaltungen außerhalb des Schulgeländes.

Maßnahme unterhalb der Schwelle einer Schulschließung

Antragstellerin in diesem Verfahren ist eine Schülerin der Sekundarstufe I, die geltend macht, dass die in der Verordnung vorgesehenen Ausnahmen von der Maskenpflicht zu streng seien. Das OVG weist demgegenüber darauf hin, dass sich die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Unterricht unterhalb der Schwelle einer Schulschließung als Maßnahme zur Ermöglichung des Präsen­z­un­ter­richts darstelle und vom Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz gedeckt sei. Zulässigerweise eröffne das Gesetz der Infek­ti­o­ns­schutz­behörde ein möglichst breites Spektrum an geeigneten Schutzmaßnahmen, da sich die Bandbreite der bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommenden Schutzmaßnahmen nicht im Vorfeld bestimmen lasse. Die hier getroffenen Anordnungen seien zur Erreichung des Ziels, einer Weiter­ver­breitung des SARS-CoV-2- Virus vorzubeugen, geeignet, erforderlich und auch angemessen. Dass es bei Kindern und Jugendlichen durch das mehrstündige Tragen einer Alltagsmaske zu gravierenden körperlichen Einschränkungen komme, sei medizinisch nicht belegt.

Ausnahmen bei körperlicher, geistiger oder psychischer Beein­träch­tigung möglich

Im Übrigen habe der Verord­nungsgeber dem Schutzgut der körperlichen Unversehrtheit dadurch Rechnung getragen, indem er für Personen mit körperlicher, geistiger oder psychischer Beein­träch­tigung eine Ausnahme zulasse. Schließlich sei es Sache der Eltern und der Lehrerschaft, das richtige Aufsetzen der Maske zu üben und die Kinder anzuhalten, die Masken regelmäßig zu wechseln. Dies sei auch zehnjährigen Kindern vermittelbar. Psychische Beein­träch­ti­gungen vermochte die Antragstellerin nicht hinreichend substantiiert darzulegen. Im Übrigen bestehe die Masken­tra­gungs­pflicht nur im schulischen Kontext und hier auch nur für die ersten zwei Wochen nach den Herbstferien. Der Vergleich zu den in anderen Bundesländern bestehenden Regelungen ergebe keine andere Bewertung, weil der Normgeber des jeweiligen Landes nur innerhalb seines Herrschafts­be­reiches den Gleichheitssatz zu wahren habe.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, ra-online (pm/aw)

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