18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.

Dokument-Nr. 30746

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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss24.08.2021

Ausrei­se­pflichtige 5-köpfige Familie darf auch ohne 16-jährigen Sohn abgeschoben werden16-jährigen Sohn entzog sich durch Flucht der Abschiebung

Die Abschiebung einer vollziehbar ausrei­se­pflichtigen Familie in ihr Heimatland Armenien ohne ihren 16-jährigen Sohn, der sich der gemeinsamen Abschiebung durch Flucht entzogen hatte, war rechtmäßig. Dies entschied das Oberver­wal­tungs­gericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Die Antragsteller sind ein armenisches Ehepaar und ihre 2009 bzw. 2016 geborenen Kinder. Sie reisten zusammen mit einem weiteren Sohn, der im Januar 2005 geboren ist, nach Deutschland ein und stellten Asylanträge, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ablehnte. Die hiergegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg, das Verfahren ist seit August 2020 rechtskräftig abgeschlossen. Obwohl die Antragsteller seitdem vollziehbar ausrei­se­pflichtig sind, kamen sie ihrer Ausreisepflicht nicht nach. Bei der deshalb von der Auslän­der­behörde der Stadt Ludwigshafen veranlassten Abschiebung am 30. März 2021 wurden zunächst alle Famili­en­mit­glieder in ihrer Wohnung angetroffen. Im Laufe der Abschie­bungs­maßnahme entzog sich der 16-jährige Sohn der Abschiebung durch Flucht. Nachdem mehrfach versucht worden war, ihn über sein Mobiltelefon zu kontaktieren, wurde die Maßnahme fortgesetzt und die Abschiebung der Antragsteller - nach Bescheinigung ihrer Flugtaug­lichkeit durch einen von der Auslän­der­behörde hinzugezogenen Arzt - ohne den 16-jährigen durchgeführt. Dieser meldete sich im Mai 2021 bei der Polizei und wurde daraufhin bei den in Ludwigshafen lebenden Großeltern und sodann in einer Jugend­hil­fe­ein­richtung untergebracht.

Familie stellte Antrag auf Rückholung nach Deutschland

Im April stellte der Bevollmächtigte der Antragsteller beim Verwal­tungs­gericht den Antrag, die Stadt Ludwigshaften im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie nach Deutschland zurückzuholen. Sie machten geltend, die Abschiebung sei rückgängig zu machen, weil sie rechtswidrig gewesen sei. Insbesondere habe die Fortsetzung der Abschiebung ohne den 16-jährigen Sohn gegen den verfas­sungs­recht­lichen Schutz der Familie verstoßen. Das Verwal­tungs­gericht lehnte den Antrag ab. Das Oberver­wal­tungs­gericht wies ihre hiergegen eingelegte Beschwerde zurück.

Verwal­tungs­gericht: Abschiebung ohne 16-jährigen Sohn war rechtmäßig

Das Verwal­tungs­gericht habe den Antrag zu Recht abgelehnt. Die Abschiebung der Antragsteller sei nicht rechtswidrig gewesen. Die gesetzlichen Abschie­bungs­vor­aus­set­zungen seien im Zeitpunkt der Abschiebung der Antragsteller, die vollziehbar ausrei­se­pflichtig gewesen seien, erfüllt gewesen. Die Fortsetzung der Abschiebung ohne den 16-jährigen Sohn, nachdem sich dieser der Abschiebung zu Beginn der laufenden Abschie­bungs­maßnahme durch Flucht entzogen habe, sei aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles auch mit dem verfas­sungs­rechtlich gewährleisteten Schutz der Familie vereinbar gewesen. Der Schutz der Familie gebiete nicht in jedem Fall die gemeinsame Abschiebung sämtlicher Famili­en­mit­glieder.

Die Antragsgegnerin habe bei ihrer Entscheidung zur Fortsetzung der Abschiebung der Antragsteller ohne den geflüchteten Sohn davon ausgehen dürfen, dass dies nur zu einer vorübergehenden Trennung des minderjährigen Sohnes von seinen Eltern und Geschwistern für einen überschaubaren Zeitraum führen werde, weil auch er in absehbarer Zeit in das gemeinsame Heimatland Armenien zurückkehren und dort die Familieneinheit wieder­her­ge­stellt werde. Denn der Sohn sei - ebenso wie es die abgeschobenen Antragsteller gewesen seien - nach dem unanfechtbaren negativen Abschluss des Asylverfahrens vollziehbar ausrei­se­pflichtig. Bei der Gewichtung der Schutzwirkungen des verfas­sungs­recht­lichen Schutzes der Familie teile das Gericht die Auffassung der Vorinstanz, dass hierbei der Umstand zu berücksichtigen sei, dass die primäre Ursache für die Aufhebung der Familieneinheit durch die Entscheidung des 16-jährigen Sohnes gesetzt worden sei, sich der gemeinsamen Abschiebung mit den Eltern und Geschwistern durch Flucht während der laufenden Abschie­bungs­maßnahme zu entziehen. Dieser Umstand mindere die Schutz­wür­digkeit der Familieneinheit der Antragsteller mit ihrem 16-jährigen Sohn und damit das Gewicht des verfas­sungs­recht­lichen Schutzes der Familie. Dem stehe nicht entgegen, dass dieser Sohn minderjährig sei. Es handele sich bei ihm nicht um ein minderjähriges Kind, sondern um einen Jugendlichen im Alter von 16 Jahren, der in der Lage gewesen sei, die Folgen seiner Trennung von den übrigen Famili­en­mit­gliedern alter­s­ent­sprechend zu überblicken. Der Sohn habe auch zumutbarerweise vorübergehend in Deutschland ohne seine Eltern verbleiben können, weil er mit 16 Jahren in einem Alter sei, in dem er nicht mehr der ständigen Betreuung und Fürsorge durch die Eltern bedürfe. Im vorliegenden Fall spreche für die verfas­sungs­rechtliche Zulässigkeit des vorübergehenden Verbleibs des Sohnes ohne seine Eltern in Deutschland zusätzlich der Umstand, dass die im selben Anwesen wohnenden Großeltern für ihn als Anlaufstelle zur Versorgung und Unterbringung zur Verfügung stünden, so dass auch keine Notwendigkeit bestanden habe, zumindest einen Elternteil in Deutschland zu belassen.

Es sprachen auch keine sonstigen Gründe gegen die Abschiebung

Der Abschiebung hätten auch keine gesund­heit­lichen Gründe entge­gen­ge­standen. Insbesondere seien die Antragsteller reisefähig gewesen.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, ra-online (pm/pt)

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