21.11.2024
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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss23.10.2018

Ausweisung eines Ausländers wegen schwerer Sexualstraftat gerechtfertigtDurch frauen­ver­ach­tendes Weltbild geprägte Einstellung des Täters nicht mit Grundgesetz und Verständnis der Geschlech­ter­rollen in Deutschland in Einklang zu bringen

Das Ober­verwaltungs­gericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass die Ausweisung eines in Deutschland aufgewachsenen Ausländers aus genera­l­prä­ventiven Gründen wegen einer schweren Sexualstraftat, die Ausdruck einer durch ein frauen­ver­ach­tendes Weltbild geprägten Einstellung ist, rechtmäßig ist.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens, ein türkischer Staats­an­ge­höriger, reiste im Alter von sieben Jahren mit seiner Familie nach Deutschland ein. Nach seiner Festnahme im Jahr 2012 verurteilte ihn das Landgericht Mainz wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer wider­stand­s­un­fähigen Person in Tateinheit mit Aussetzung rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren, die er vollständig verbüßte. Nach den straf­ge­richt­lichen Feststellungen hatten der damals 19-jährige Kläger und zwei weitere junge Männer eine 16-jährige Bekannte unter Alkohol gesetzt und in ein Parkhaus verbracht. Dort wurde das inzwischen willenlose Mädchen vom Kläger sexuell missbraucht und von einem der Mittäter so schwer am Unterleib verletzt, dass es operiert werden musste und eine weitere Operation nach 18 Monaten erforderlich war. Die Täter ließen das unbekleidete und stark blutende Opfer im Parkhaus zurück.

Kläger aus genera­l­prä­ventiven Gründen ausgewiesen

Mit Bescheid vom 2. Juni 2017 wies der beklagte Rhein-Lahn-Kreis den Kläger primär aus genera­l­prä­ventiven Gründen aus und lehnte die Verlängerung seiner Aufent­halt­s­er­laubnis ab. Seine hiergegen erhobene Klage wies das Verwal­tungs­gericht ab. Das Oberver­wal­tungs­gericht bestätigte diese Entscheidung und lehnte den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ab.

Schwere und Motivation für begangene Tat lassen Ausweisung als erforderlich erscheinen

Das Verwal­tungs­gericht habe zutreffend wegen der vom Kläger begangenen Straftat ein besonders schwerwiegendes Auswei­sungs­in­teresse angenommen, dem kein gleichwertiges Bleibeinteresse gegenüberstehe. Genera­l­prä­ventive Gesichtspunkte könnten ein Auswei­sungs­in­teresse begründen, wenn damit gerechnet werden könne, dass sich andere Ausländer mit Rücksicht auf eine kontinuierliche Auswei­sung­s­praxis ordnungsgemäß verhielten. Die Schwere der vom Kläger begangenen Tat und vor allem die Motivation für diese ließen die Ausweisung als erforderlich erscheinen, um andere Ausländer in vergleichbarer Situation von ähnlichen Delikten abzuhalten. Die besondere Brutalität der Tat ergebe sich aus den Feststellungen des rechtskräftigen straf­ge­richt­lichen Urteils.

Ausweisung zur Verhinderung weiterer schwerer Straftaten erforderlich

Unter genera­l­prä­ventiven Gesichtspunkten von besonderer Bedeutung sei das Geschehen im Vorfeld der Tat und insbesondere die sich daraus ergebende Einstellung der Täter. Nach den Feststellungen des straf­ge­richt­lichen Urteils kannten die Täter das Opfer, das wie sie einen türkischen bzw. kurdischen Migra­ti­o­ns­hin­tergrund aufweise. Die 16-jährige habe allerdings westliche Wertvor­stel­lungen angenommen. Sie habe sich nach westlicher Mode gekleidet und geschminkt und sei ohne Begleitung ausgegangen. Allein dies habe sie nach dem Welt- und Frauenbild der Täter bereits als zu verachtende "Schlampe, die es mit jedem und gerne auch mit mehreren Männern gleichzeitig treibe" qualifiziert. Aus diesem Grund hätten sie die Jugendliche als Opfer gewählt. Diese Einstellung zeuge von einem archaischen Frauen­ver­ständnis, welches mit dem im Grundgesetz zum Ausdruck kommenden Verständnis von der Rolle der Geschlechter nicht in Einklang zu bringen sei. Danach seien Männer und Frauen gleich­be­rechtigt und die Würde des Menschen sei unantastbar, gleich ob es sich um Männer oder Frauen handele. Diese Rechte bildeten den Rahmen, den das deutsche Recht für den selbst­be­stimmten Umgang der Geschlechter miteinander vorsehe. Damit sei die Vorstellung, Frauen mit westlich geprägtem Auftreten stünden ohne weiteres für sexuelle Handlungen zur Verfügung, nicht vereinbar. Es sei Aufgabe des Rechts der Gefahrenabwehr - und damit des Auswei­sungs­rechts nach dem Aufent­halts­gesetz - zu verhindern, dass eine solche, nicht an der Gleich­be­rech­tigung von Mann und Frau ausgerichtete Vorstellung Ausländer, die sich nicht an den Wertvor­stel­lungen des Grundgesetzes orientierten, zu Straftaten gegen die sexuelle Selbst­be­stimmung verleite. Vor diesem Hintergrund sei die Ausweisung des Klägers zur Verhinderung schwerer Straftaten erforderlich, indem einer Vielzahl von jungen Männern verdeutlicht werde, dass der deutsche Staat nicht nur Straftaten gegen die sexuelle Selbst­be­stimmung bestrafe, sondern auch aufent­halts­be­endende Maßnahmen ergreife. Im Übrigen würden die genera­l­prä­ventiven Gesichtspunkte für das Interesse an der Ausweisung auch durch spezi­a­l­prä­ventive Gründe gestützt.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz/ra-online

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