23.11.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einer Krankenschwester im Vordergrund.

Dokument-Nr. 23047

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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss10.08.2016

Gefrier­zellen­therapie in "Villa Medica" unter strengen Auflagen vorläufig weiter zulässigChefarzt ist künftig zu wesentlich umfangreicherer Aufklärung seiner Patienten verpflichtet

Das Ober­verwaltungs­gericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass die vom Chefarzt der "Villa Medica" in Edenkoben praktizierte Behandlung von Menschen mit tiefgefrorenen Frischzellen (sogenannte Gefrier­zellen­therapie) vorläufig weiter angewendet werden darf - jedoch nur unter zusätzlichen strengen Auflagen. Der Chefarzt ist insbesondere zu einer wesentlich umfangreicheren Aufklärung seiner Patienten verpflichtet.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Antragsteller, Chefarzt der "Villa Medica" in Edenkoben, ist spezialisiert auf die Behandlung von Menschen mit Zellen tierischen Ursprungs, die aus Schafsföten gewonnen werden (sogenannte Frisch­zel­len­therapie). Diese werden den Patienten mit der Absicht injiziert, eine revita­li­sierende Wirkung zu erzielen. Seit einiger Zeit verwendet der Antragsteller nur noch eingefrorene Zellen (sogenannte Gefrierzellen).

Antragsteller wird weitere Herstellung und Anwendung von Gefrierzellen bei Menschen untersagt

Im Dezember 2015 untersagte das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung dem Antragsteller die weitere Herstellung und Anwendung von Gefrierzellen bei Menschen und ordnete die sofortige Vollziehung des Verbots an. Bei den vom Antragsteller hergestellten Gefrierzellen handele es sich um bedenkliche Arzneimittel, weil dem nach derzeitigem Sachstand nicht nachweisbaren Nutzen bedeutende Risiken gegen­über­stünden, insbesondere die Gefahr der Übertragung von tierischen Erregern und von massiven immuna­ll­er­gischen Reaktionen.

Hergestellte Gefrierzellen sind laut Antragsteller als unbedenkliches Arzneimittel anzusehen

Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein und suchte beim Verwal­tungs­gericht um Eilrechtsschutz nach, weil aus seiner Sicht die von ihm hergestellten Gefrierzellen ein unbedenkliches Arzneimittel darstellten. Das Verwal­tungs­gericht Neustadt an der Weinstraße gab dem Eilantrag mit bestimmten Maßgaben statt, weil die Frage, ob es sich bei den vom Antragsteller hergestellten Gefrierzellen um bedenkliche Arzneimittel handele, weiterer Aufklärung im Haupt­sa­che­ver­fahren bedürfe.

OVG verpflichtet Antragsteller zur umfangreichen Aufklärung der Patienten

Die hiergegen vom Land Rheinland-Pfalz beim Oberver­wal­tungs­gericht eingelegte Beschwerde hatte nur teilweise Erfolg. Das Oberver­wal­tungs­gericht ergänzte die bereits vom Verwal­tungs­gericht dem Antragsteller gemachten Auflagen um umfangreiche zusätzliche Verpflichtungen zur Aufklärung seiner Patienten, wies aber die Beschwerde im Übrigen zurück.

Einstufung der Therapie als bedenkliches Arzneimittel bedarf weiterer Aufklärung im Haupt­sa­che­ver­fahren

Zur Begründung führte das Oberver­wal­tungs­gericht im Wesentlichen aus, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes noch nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden könne, ob die angegriffene Verfügung rechtmäßig sei. Zwar sei die Behörde zum Erlass der Verfügung zuständig und verfüge auch über eine Ermäch­ti­gungs­grundlage im Arznei­mit­tel­gesetz. Ob es sich bei den vom Antragsteller angewendeten Gefrier­zell­prä­paraten aber tatsächlich um bedenkliche Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes handele, bedürfe - wie vom Verwal­tungs­gericht zu Recht ausgeführt - weiterer Aufklärung im Haupt­sa­che­ver­fahren. Hierzu sei die Einholung von ergänzenden Stellungnahmen des Paul-Ehrlich-Instituts sowie des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte erforderlich, zum einen zur Einschätzung des Risikos der Übertragung von Krank­heits­er­regern tierischen Ursprungs, zum anderen zu der Frage, ob bei der vom Antragsteller konkret durchgeführten Gefrier­zel­len­therapie ein bedenkliches Risiko allergischer sowie immunologischer Reaktionen bestehe.

Inhalt der erfolgten Aufklärung muss schriftlich dokumentiert werden

Die bei einer derartig offenen Sach- und Rechtslage im Eilverfahren vorzunehmende Inter­es­se­n­ab­wägung falle - unter der Voraussetzung zusätzlicher Aufklä­rungs­pflichten des Antragstellers gegenüber seinen Patienten - zu dessen Gunsten aus. Denn sein Interesse daran, die Therapie vorläufig weiter durchführen zu können, habe mit Rücksicht auf sein Grundrecht der Berufsfreiheit erhebliches Gewicht, weil er sich auf die Frisch- bzw. Gefrier­zel­len­therapie spezialisiert habe und anderenfalls die Schließung der "Villa Medica" drohe, mit mutmaßlich irreversiblen Folgen auch für die dort beschäftigten Arbeitnehmer. Über die vom Verwal­tungs­gericht dem Antragsteller zur Quali­täts­si­cherung des verwendeten Zellenmaterials bereits gemachten Auflagen hinaus sei es jedoch erforderlich, die Therapie zur weiteren Verringerung der vom Land Rheinland-Pfalz angenommenen Gefahrenlage nur bei umfassend informierten Patienten zuzulassen. Hierzu wurde der Antragsteller verpflichtet, seine Patienten mindestens 18 Stunden vor Beginn der Behandlung im Rahmen des allgemeinen Aufklä­rungs­ge­sprächs auch über die fachlichen Einschätzungen des Paul-Ehrlich-Instituts und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie über das anhängige Haupt­sa­che­ver­fahren zu informieren. Zudem habe er den Inhalt der erfolgten Aufklärung schriftlich zu dokumentieren.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz/ra-online

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