23.11.2024
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Dokument-Nr. 30024

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Beschluss19.03.2021Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen13 B 252/21.NE
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Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss19.03.2021

Beschränkungen im Einzelhandel in NRW vorläufig außer Vollzug gesetztUngleich­be­hand­lungen weiterhin möglich

Das Ober­verwaltungs­gericht Münster hat mit Beschluss den Eilantrag eines Media-Marktes die Vorschriften der Corona­schutz­verordnung zur Beschränkung des Einzelhandels vorläufig außer Vollzug gesetzt, weil sie mit dem Gleich­behandlungs­grundsatz nicht vereinbar sind.

Auf der Grundlage der aktuellen nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung können seit dem 8. März 2021 wieder alle Einzelhändler öffnen. Für die schon bislang von einer Schließung ausgenommenen Geschäfte (etwa Lebens­mit­tel­handel) bleibt es bei der bisherigen Regelung, die eine Kunden­be­grenzung auf eine Person pro 10 qm Verkaufsfläche bzw. pro 20 qm für die 800 qm übersteigende Gesamt­ver­kaufs­fläche vorsieht. Im übrigen Einzelhandel ist der Zutritt grundsätzlich nur für einen Kunden pro 40 qm Verkaufsfläche und auch nur nach vorheriger Terminvergabe zulässig. Ausgenommen sind hiervon allerdings die zuvor ebenfalls geschlossenen Buchhandlungen und Schreib­wa­ren­ge­schäfte. Gleiches gilt für Blumengeschäfte und Gartenmärkte, die bislang nur verderbliche Schnitt- und Topfblumen sowie Gemüsepflanzen und Saatgut verkaufen durften. Für sie gelten ebenfalls die günstigeren Öffnungs­mo­da­litäten.

Verstoß gegen Gleich­be­hand­lungs­grundsatz

Diese Regelungen hat das Oberver­wal­tungs­gericht nun insgesamt vorläufig außer Vollzug gesetzt. Die Beschränkungen verstießen in ihrer derzeitigen Ausgestaltung gegen den verfas­sungs­recht­lichen Gleich­be­hand­lungs­grundsatz. Bei der Pande­mie­be­kämpfung bestehe zwar ein Gestal­tungs­spielraum des Verord­nungs­gebers, der sich in einer komplexen Entschei­dungs­si­tuation befinde und nur mit Prognosen zu den Auswirkungen von Beschränkungen und Lockerungen arbeiten könne. Es sei auch zulässig, schrittweise zu lockern, wobei es zwangsläufig zu Ungleich­be­hand­lungen verschiedener Bereiche komme. Der Verord­nungsgeber habe es deshalb grundsätzlich für Geschäfte wie den Lebens­mit­te­l­ein­zel­handel bei den bisherigen Regelungen belassen dürfen, während für andere Betriebe vorläufig nur eine reduzierte Kundenzahl zugelassen werde und eine vorherige Terminbuchung erforderlich sei. Die schrittweise und kontrollierte Öffnung weiterer Bereiche des Handels müsse aus Gründen der Gleich­be­handlung nicht zwingend mit einer Verschärfung der Öffnungs­be­din­gungen für die bereits bislang von der Schließung ausgenommenen Geschäfte einhergehen.

Einstufung als Grundbedarf begründet keine Privilegierung mehr

Der Verord­nungsgeber überschreite aber seinen Spielraum, wo ein einleuchtender Grund für eine weitere Differenzierung fehle. Dies sei der Fall, soweit nunmehr auch Buchhandlungen, Schreib­wa­renläden und Gartenmärkte mit ihrem gesamten Sortiment unter vereinfachten Bedingungen (größere Kundenzahl, ohne Terminbuchung) betrieben werden dürften. Es erschließe sich nicht und werde durch den Verord­nungsgeber auch nicht begründet, warum dessen Annahme, diese Betriebe deckten ebenfalls eine Art Grundbedarf, für sich genommen andere Öffnungs­mo­da­litäten rechtfertigen sollte als beim übrigen Einzelhandel. Da nach der nunmehr geltenden Rechtslage sämtliche Geschäfte öffnen dürften, könne das Kriterium, ob ein Warensortiment Grundbedarf sei, eine Besserstellung nicht mehr ohne Weiteres begründen. Erforderlich wäre vielmehr, dass der angenommene Grundbedarf gerade die Differenzierung in den Öffnungs­mo­da­litäten nahelege.

Kunden­be­grenzung und Termin­bu­chungs­pflicht im Einzelhandel aufgehoben

Wegen des untrennbaren Zusammenhangs der Regelungen zum Handel hat das Gericht diese insgesamt vorläufig außer Vollzug gesetzt. Das bedeutet, dass ab sofort im gesamten Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen keine Kunden­be­grenzung pro Quadratmeter mehr gilt und das Erfordernis der Terminbuchung entfällt. Der Senat hat allerdings darauf hingewiesen, dass es dem Land unbenommen ist, auch kurzfristig eine Neuregelung zu treffen, die keine unzulässigen Diffe­ren­zie­rungen enthält. Die durch den Media-Markt geltend gemachten grundlegenden Bedenken an der Verhält­nis­mä­ßigkeit der Beschränkungen für den Einzelhandel teilte der Senat nicht. Insbesondere sei die Beschränkung der Grundrechte der Einzelhändler angesichts der gravierenden Folgen, die ein erneuter unkon­trol­lierter Anstieg der Neuansteckungen für Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen hätte, voraussichtlich gerechtfertigt.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, ra-online (pm/aw)

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