21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.

Dokument-Nr. 29807

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Urteil21.01.2021Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen11 A 1564/20.A ; 11 A 2982/20.A
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Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Urteil21.01.2021

In Griechenland anerkannte Schutz­be­rechtigte dürfen derzeit nicht rücküberstellt werdenKeine Abschiebung nach Griechenland wegen drohender extremer materieller Not

Asylanträge von in Griechenland anerkannten Schutz­be­rech­tigten dürfen grundsätzlich nicht als unzulässig abgelehnt werden, weil zumindest derzeit - vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls - generell die ernsthafte Gefahr besteht, dass sie im Falle ihrer Rückkehr dorthin ihre elementarsten Bedürfnisse („Bett, Brot, Seife“) für einen längeren Zeitraum nicht befriedigen können. Das hat das Ober­verwaltungs­gericht durch Urteile vom 21. Januar 2021 entschieden und die vorausgehenden Urteile der Verwal­tungs­ge­richte Arnsberg und Düsseldorf geändert.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte die Asylanträge der Kläger, eines Eritreers und eines aus Syrien stammenden Palästinensers, als unzulässig abgelehnt, weil diese in Griechenland bereits internationalen Schutz erhalten hatten; gleichzeitig hatte es ihnen die Abschiebung dorthin angedroht. Die Verwal­tungs­ge­richte hatten die Klagen jeweils mit der Begründung abgewiesen, es lägen keine genügenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Kläger in Griechenland trotz der dort für international Schutz­be­rechtigte herrschenden schwierigen Verhältnisse in eine menschen­un­würdige Situation geraten könnten. Die dagegen gerichteten Berufungen der Kläger hatten Erfolg.

Drohende massive materielle Not bei Rückkehr nach Griechenland

Nach Auffassung des OVG könnten die Asylanträge der Kläger nicht als unzulässig abgelehnt werden, weil ihnen für den Fall ihrer Rückkehr nach Griechenland die ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung drohe. Denn die Kläger gerieten in Griechenland unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not, weil sie dort für einen längeren Zeitraum weder eine Unterkunft noch eine Arbeit fänden. Sie könnten nicht in Aufnah­me­ein­rich­tungen für Asylbewerber unterkommen. Andere Wohnungen oder Obdach­lo­sen­un­ter­künfte stünden nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung. Das führe dazu, dass derzeit bereits eine beträchtliche Zahl anerkannter Schutz­be­rech­tigter in Griechenland obdachlos sei.

Zweijähriger dauerhaften Aufenthalt als Voraussetzung für Sozia­l­leis­tungen

Sozia­l­leis­tungen durch den griechischen Staat bekämen sie frühestens nach einem zweijährigen dauerhaften Aufenthalt in Griechenland, der durch inländische Steue­r­er­klä­rungen der beiden Vorjahre nachzuweisen sei. Angesichts der derzeitigen Arbeits­ma­rkt­si­tuation und Wirtschaftslage fänden die Kläger im Falle ihrer Rückkehr auch keine Arbeit. Die Arbeits­lo­senquote liege in Griechenland derzeit bei knapp 20 %.

Schwierige Wirtschaftslage durch Corona-Pandemie

Die Corona-Pandemie habe erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaftslage. Das Brutto­in­land­s­produkt habe im Jahr 2020 den heftigsten Einbruch aller Staaten der Europäischen Union zu verzeichnen gehabt. Der Tourismus, der mehr als ein Fünftel zum Brutto­in­land­s­produkt beisteuere, sei im letzten Jahr um fast 80 % zurückgegangen. Der Zugang der Kläger zum Arbeitsmarkt werde durch die mangelnde Beherrschung der griechischen Sprache und das Fehlen einer spezifischen beruflichen Qualifikation zusätzlich erschwert.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, ra-online (pm/aw)

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