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Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Urteil21.01.2021
In Griechenland anerkannte Schutzberechtigte dürfen derzeit nicht rücküberstellt werdenKeine Abschiebung nach Griechenland wegen drohender extremer materieller Not
Asylanträge von in Griechenland anerkannten Schutzberechtigten dürfen grundsätzlich nicht als unzulässig abgelehnt werden, weil zumindest derzeit - vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls - generell die ernsthafte Gefahr besteht, dass sie im Falle ihrer Rückkehr dorthin ihre elementarsten Bedürfnisse („Bett, Brot, Seife“) für einen längeren Zeitraum nicht befriedigen können. Das hat das Oberverwaltungsgericht durch Urteile vom 21. Januar 2021 entschieden und die vorausgehenden Urteile der Verwaltungsgerichte Arnsberg und Düsseldorf geändert.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte die Asylanträge der Kläger, eines Eritreers und eines aus Syrien stammenden Palästinensers, als unzulässig abgelehnt, weil diese in Griechenland bereits internationalen Schutz erhalten hatten; gleichzeitig hatte es ihnen die Abschiebung dorthin angedroht. Die Verwaltungsgerichte hatten die Klagen jeweils mit der Begründung abgewiesen, es lägen keine genügenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Kläger in Griechenland trotz der dort für international Schutzberechtigte herrschenden schwierigen Verhältnisse in eine menschenunwürdige Situation geraten könnten. Die dagegen gerichteten Berufungen der Kläger hatten Erfolg.
Drohende massive materielle Not bei Rückkehr nach Griechenland
Nach Auffassung des OVG könnten die Asylanträge der Kläger nicht als unzulässig abgelehnt werden, weil ihnen für den Fall ihrer Rückkehr nach Griechenland die ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung drohe. Denn die Kläger gerieten in Griechenland unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not, weil sie dort für einen längeren Zeitraum weder eine Unterkunft noch eine Arbeit fänden. Sie könnten nicht in Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber unterkommen. Andere Wohnungen oder Obdachlosenunterkünfte stünden nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung. Das führe dazu, dass derzeit bereits eine beträchtliche Zahl anerkannter Schutzberechtigter in Griechenland obdachlos sei.
Zweijähriger dauerhaften Aufenthalt als Voraussetzung für Sozialleistungen
Sozialleistungen durch den griechischen Staat bekämen sie frühestens nach einem zweijährigen dauerhaften Aufenthalt in Griechenland, der durch inländische Steuererklärungen der beiden Vorjahre nachzuweisen sei. Angesichts der derzeitigen Arbeitsmarktsituation und Wirtschaftslage fänden die Kläger im Falle ihrer Rückkehr auch keine Arbeit. Die Arbeitslosenquote liege in Griechenland derzeit bei knapp 20 %.
Schwierige Wirtschaftslage durch Corona-Pandemie
Die Corona-Pandemie habe erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaftslage. Das Bruttoinlandsprodukt habe im Jahr 2020 den heftigsten Einbruch aller Staaten der Europäischen Union zu verzeichnen gehabt. Der Tourismus, der mehr als ein Fünftel zum Bruttoinlandsprodukt beisteuere, sei im letzten Jahr um fast 80 % zurückgegangen. Der Zugang der Kläger zum Arbeitsmarkt werde durch die mangelnde Beherrschung der griechischen Sprache und das Fehlen einer spezifischen beruflichen Qualifikation zusätzlich erschwert.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 05.02.2021
Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, ra-online (pm/aw)
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