18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen eine Reihe mit gelben Aktenordnern, die mit Barcodes markiert sind.

Dokument-Nr. 32238

Drucken
Urteil09.09.2022Oberverwaltungsgericht Münster4 A 1278/21 und 4 A 1362/21
ergänzende Informationen

Oberverwaltungsgericht Münster Urteil09.09.2022

Nicht­selbst­tätige Waagen für den Einzelhandel können ohne eigenes Display vertrieben werdenMusterverfahren zu Vorgehensweisen von Waagen­her­stellern

Nach den maßgeblichen unions­recht­lichen Regelungen können sogenannte nicht­selbst­tätige Waagen, mit denen in vielen Supermärkten das Wiegen von Obst und Gemüse an der Kasse ermöglicht wird, auch ohne eigenes Display mit der CE-Kennzeichnung versehen und als vollständige Waagen in Verkehr gebracht werden. Zudem kann es genügen, die messtechnischen Werte zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert ausschließlich im Display anzuzeigen. Dies hat das Ober­verwaltungs­gericht bezogen auf zwei marktaufsichts­rechtliche Ordnungs­ver­fü­gungen des Landesbetriebs Mess- und Eichwesen entschieden.

Die Klägerinnen sind jeweils Hersteller sogenannter nicht­selbst­tätiger Waagen, die für den Verkauf in öffentlichen Verkaufsstellen verwendet werden sollen. Zwischen den Beteiligten war zum einen streitig, ob ein Gerät zur Gewichts­be­stimmung, welches für den Einsatz im Einzelhandel in Kassensysteme anderer Hersteller integriert wird und so das Wiegen beim Kassiervorgang ermöglicht, bereits mit der CE-Kennzeichnung versehen werden darf, wenn es am Ende der Fertigung noch nicht über ein eigenes Display verfügt. Nach Ansicht der Markt­auf­sichts­behörde entstehe erst mit Anschluss des Geräts an das Kassen-Display eine nicht­selbst­tätige Waage, weil diese zwingend eine Anzei­ge­ein­richtung erfordere. Die Anbringung der CE-Kennzeichnung, mit der zum Ausdruck gebracht werde, dass das fertige Produkt die wesentlichen Anforderungen an eine nicht­selbst­tätige Waage erfülle und das Konfor­mi­täts­be­wer­tungs­ver­fahren erfolgreich bestanden habe, dürfe daher erst nach Anschluss an das Kassensystem erfolgen. Zum anderen war zwischen den Beteiligten streitig, ob – so der Landesbetrieb – die nach den rechtlichen Vorschriften zum Mess- und Eichwesen erforderlichen Angaben zur Höchstlast (Max), Mindestlast (Min) und zum Eichwert (e) zwingend analog auf dem Messgerät angebracht werden müssen oder ob eine ausschließlich digitale Anzeige der Angaben genügen kann. Beide Verfahren sind als Musterverfahren geführt worden, um Rechtsfragen zu klären, die unter den Mess- und Eichbehörden und den Konfor­mi­täts­be­wer­tungs­stellen nicht einheitlich beurteilt worden sind. In beiden Verfahren hat der Landesbetrieb Vorgehensweisen von Waagen­her­stellern beanstandet, die zuvor jeweils von den Konfor­mi­täts­be­wer­tungs­stellen als ordnungsgemäß bescheinigt worden waren.

Hersteller muss Inbetriebnahme als Waage „bei Entwurf und Herstellung“ gewährleisten

Das Oberver­wal­tungs­gericht ist den Erwägungen des Landesbetriebs in beiden Verfahren nicht gefolgt. Eine nicht­selbst­tätige Waage kann den geräte­s­pe­zi­fischen Anforderungen auch dann genügen, wenn beim Inver­kehr­bringen der Waage sichergestellt ist, dass Anforderungen, die erst bei der Verwendung im geschäftlichen Verkehr für die gesamte Nutzungsdauer relevant sind, ab der Inbetriebnahme erfüllt werden. Ein Hersteller, der ein Gerät als vollständige Waage vertreiben will, das alle Anforderungen an eine Waage erfüllt, aber über keine eigene digitale Haupt­an­zei­ge­ein­richtung verfügt, muss „bei Entwurf und Herstellung“ gewährleisten, dass sein Gerät nur mit einem geeigneten Display in Betrieb genommen werden kann und die Vereinbarkeit mit den wesentlichen geräte­s­pe­zi­fischen Anforderungen an die Anzeige des Wägeergebnisses ab Inbetriebnahme und damit bei Verwendung des Geräts für Messungen im geschäftlichen Verkehr sichergestellt ist.

Veränderung der angezeigten messtechnischen Werte muss verhindert werden

Weiter kann auch die ausschließlich digitale Anzeige zur Höchstlast, Mindestlast und zum Eichwert im Display für die Gewichtsanzeige die rechtlichen Anforderungen der guten Sichtbarkeit, Leserlichkeit und Dauerhaftigkeit erfüllen, weshalb ein Display eine geeignete Einrichtung zum Anbringen der messtechnischen Kennwerte darstellen kann. Damit eine digitale Anzeige dauerhaft bzw. unauslöschlich und damit für die Aufschrift bzw. Beschriftung „geeignet“ ist, hat der Hersteller bei Entwurf und Herstellung des Geräts zu gewährleisten, dass die für die Anzeige der messtechnischen Werte verantwortliche Software entsprechend den geräte­s­pe­zi­fischen technischen Anforderungen an nicht­selbst­tätige Waagen vor unbeab­sich­tigtem Missbrauch geschützt und eine Veränderung der angezeigten messtechnischen Werte verhindert wird.

Normverständnis steht im Einklang mit internationalen technischen Standards

Dieses Normverständnis steht im Einklang mit internationalen technischen Standards und entspricht dem Bestreben des europäischen Richt­li­ni­en­gebers, sich auf die wesentlichen messtechnischen und technischen Anforderungen an nicht­selbst­tätige Waagen zu beschränken. Der deutsche Gesetzgeber hat die europäischen Vorgaben unverändert in nationales Recht übernommen. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung in beiden Verfahren die Revision zum Bundes­ver­wal­tungs­gericht zugelassen

Quelle: Oberverwaltungsgericht Münster, ra-online (pm/ab)

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil32238

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI